Von Petra Florack-Iredale
Und plötzlich dreht sich die Erde langsamer: Gerade haben wir die zwei Kilometer lange Brücke von Fort Myers mit Ziel Sanibel Island überfahren. Diesseits die umtriebige Hektik von Floridas berühmter Partymeile mit lauten Beats, Hotels, die sich ebenso aneinanderreihen wie die zahllosen Restaurants und der übliche dichte Autoverkehr entlang des Küstenstreifens. Dazwischen die Läden mit all den überflüssigen Dingen, die man für den Strandurlaub vermeintlich braucht. Genau richtig für diejenigen, die feiern wollen - und zwar so richtig.
Jenseits der Brücke Natur pur, Entschleunigung, Stille. Rund 30 Hotels und Inns säumen die Insel und dürfen allesamt nicht höher sein als die Palmen. Eine Tierart könnte man fast sinnbildlich dafür benennen: Die großen, behäbigen Seekühe, Manatees, deren Faszination auf ihrer scheuen Neugier und Massigkeit beruht. Auf einem Bootsausflug möchten wir sie beobachten und Kapitän Ryan weiß, wo sie zu finden sind. Er ist auf Sanibel aufgewachsen und war schon als Kind von diesen mächtigen, so urtümlich anmutenden Tieren fasziniert. Und diese Faszination des archetypischen sonnengebräunten Florida-Kapitäns überträgt sich unmittelbar auf uns.
In einer kleinen Bucht im Norden von Sanibel Island stoppt er die 750 PS starken Motoren seines weißen Bootes und ankert. Wir halten gespannt Ausschau und entdecken tatsächlich ein Manatee, das sich ganz langsam durch das Wasser bewegt. Neugierig und zum Luftholen taucht die unglaublich dicke Nase aus dem Wasser. Plötzlich sind da sogar drei, vier Tiere, die um unser Boot herum schwimmen. Ein magischer Moment. Die Manatees stehen unter Naturschutz und über ein stummes Beobachten hinaus sollte man Ihnen nicht näherkommen.
Ganz besondere Unterstützung genießen auch die Schildkröten. Jedes Jahr von Mai bis Oktober suchen sie die Sandstrände auf, um hier ihre Eier abzulegen. Meeresschildkröten zählen zu den ältesten Tierarten, die heute leider vom Aussterben bedroht sind. Zur Eiablage ziehen sich die weiblichen Exemplare in der Nacht mit ihren Flossen über den Sandstrand und graben eine etwa 30 bis 50 Zentimeter tiefe Grube, in die sie ihre Eier legen. Mit ein wenig Glück kann man - selbstverständlich vorsichtiger - Zeuge der "Turtle Walks" werden.
Die kleinen Babyschildkröten schlüpfen nachts und orientieren sich am Mondschein und Sternenlicht, um ins Meer zu finden. Daher wird auf der Insel darauf geachtet, dass in den Monaten Mai bis Oktober keine Straßenlampen oder beleuchtete Hotelanlagen die Neugeborenen irritieren könnten. Aus diesem Grund gibt es noch nicht einmal Ampeln auf der Insel! Und am Straßenrand stehen Schilder: "Achtung Schildkröten kreuzen die Fahrbahn." Kranke Schildkröten, aber auch andere Tiere der Insel, werden im C.R.O.W., einem ein Rehabilitationszentrum für Wildtiere, wieder aufgepäppelt. Naturschutz wird hier erst genommen.
Jede Menge Tierbegegnungen ergeben sich im Darling National Wildlife Refuge. Auf einem Rundweg beeindrucken hoffentlich schläfrig dösende Alligatoren, jede Menge Vogelarten, ganz viele Schildkröten und Fische. Man kann zwischen einem Sightseeing-Bus, dem Auto oder Fahrrad und einer Wanderung wählen, was der schönste und natürlichste Weg ist.
Nächster Ausflug ist eine Kajakfahrt mit den netten, sportlichen Florida-Boys von Adventure Sea Kayak entlang und durch Mangrovenwälder. Joe gibt Einweisungen für die "Erstlinge" des Kajaksports, die nicht unbedingt gleich zu großem Enthusiasmus führen. "Keine Angst, wenn da schwarze Tiere von oben auf Euch fallen. Das sind keine Spinnen, sondern schwarze Krabben". Womit er uns eigentlich beruhigen wollte. Das hat am Vortag das stämmige Mitglied einer Rugby-Spieler Mannschaft wohl nicht beherzigt, denn die Angst vor dem "Ungetier" hat prompt sein Kajak zum Kentern gebracht.
Ein Eldorado für Muschelsucher - auch so eine fast meditative Beschäftigung - sind Sanibels Strände, besonders der Gulfside City Park Beach. Mit viel Glück begegnet man hier der Bloggerin Pam Rambo, die in den letzten 14 Jahren die Strände fast täglich nach Muscheln absucht. Die Leidenschaft der braun gebrannten Strandschönheit ist eine umfangreiche Muschelsammlung, die sie mit ihrem Mann ständig erweitert.
Hat man einmal in ihre strahlenden, in sich ruhenden Augen geschaut und auch selbst einen tollen Fund gemacht, gewinnt die eher spießig anmutende Muschelsammlerei eine ganz neue Dimension. Ruhe und Gelassenheit sind hier in Einklang mit Natur, Bewohnern und Urlaubern.