Von Manuel Meyer
Monte, los, such!", ruft Alba Pérez. Der Hund schnüffelt aufgeregt die schwarze Erde unter den Steineichen ab. Ganz in der Nähe der Baumwurzeln befinden sich Trüffel. In der Region Gúdar-Javalambre in der spanischen Provinz Teruel wachsen die schmackhaften Speisepilze besonders gut. Die steinigen, kalkhaltigen Böden des Hochplateaus auf mehr als 1000 Metern und das Klima mit kalten Wintern und milden Sommern sind optimal dafür. Es dauert nicht lange, bis Albas weiß-braun gefleckter Trüffelhund fündig wird. Unter einer Steineiche bleibt Monte stehen, schaut zu seinem Frauchen hinüber und scharrt mit der Pfote. "Er vergewissert sich immer, dass ich ihn auch gesehen habe. Denn sonst wäre seine Arbeit ja umsonst gewesen. Und es gibt keine Belohnung", sagt Alba.
Die Trüffelsammlerin wirft ein Kissen auf den Boden, kniet sich darauf und beginnt, mit den Händen ein kleines Loch um die markierte Stelle zu buddeln. Dann holt sie ein Spezialmesser aus dem Hüftgurt und beginnt zu schaben. Die meisten Trüffel befinden sich etwa 15 Zentimeter unter der Oberfläche. "Man muss sehr vorsichtig sein, denn man kann die Trüffel leicht übersehen und beschädigen", erklärt Alba. Dann fragt sie Jordi, ob er die Trüffel ausgraben möchte.
Jordi Aguiló und seine Freundin Noelia Bañares sind aus Valencia gekommen, um ein Trüffel-Wochenende in Gúdar-Javalambre zu verbringen. "Wir lieben den Geschmack und wollten mehr über Trüffel erfahren. Und natürlich gut essen", erzählt Jordi. Behutsam scharrt der Tierarzt die Erde zur Seite. Trotz Vorwarnung schneidet er die kleine, braune Knolle, die sich farblich wirklich kaum von der dunklen Erde unterscheiden lässt, fast an. Trüffelsammlerin Alba säubert die Knolle und gibt sie Noelia. "Gar nicht leicht zu beschreiben, wonach Trüffel riechen. Nach Erde, Feuchtigkeit", sagt die Klavierlehrerin.
Alba erklärt dem Pärchen alles rund um die sündhaft teuren Pilze und ihre Ernte. Die 25-Jährige kennt sich gut aus. Immerhin ist sie bereits die dritte Generation ihrer Familie, die auf rund 50 Hektar in der Hügellandschaft zwischen Mora de Rubielos und Sarrión Trüffel kultiviert. Der Tuber Aestivum, der innen weiße Sommertrüffel, wird zwischen Mai und Juli geerntet, der begehrtere schwarze Trüffel (Tuber Melanosporum) von November bis März.
Trüffelsuche ist harte Arbeit, vor allem im Winter, wenn die schwarzen Trüffel geerntet werden. Das wird schnell klar, wenn man Alba und Monte auf den hügeligen Steineichen-Plantagen zuschaut. "In der Winter-Erntezeit musst du jeden Tag auf Suche, egal wie kalt es ist, ob es regnet oder schneit", erklärt Alba. Und jede Knolle muss per Hand aus dem gefrorenen Boden geholt werden. Für die Ernte braucht die Familie 30 Trüffelhunde. "Sie führen uns immer zu den reifen Exemplaren. Doch Hunde verlieren meistens nach ein oder zwei Stunden die Lust an der Suche", erzählt Alba. "Dann müssen wir einen neuen Hund von der Finca holen. Eine Maschine, welche Trüffel findet und dabei auch noch die reifen erkennt, wurde leider noch nicht erfunden." Monte bekommt seinen Lohn: ein Stück Wurst.
Auch Jordi und Noelia haben jetzt Hunger. Im Hotel "La Trufa Negra", das Albas Familie in Mora de Rubielos unterhält, wartet bereits ein Trüffel-Menü auf die beiden: iberischer Jamón-Schinken aus Teruel, Lamm-Schmorbraten, Bratkartoffeln mit Blutwurst und Pinienkernen. Natürlich alles mit Trüffeln gekocht, gebraten oder verfeinert. Trüffel, vor allem die sehr geschmacksintensiven Wintertrüffel, sind eine Delikatesse, für die Höchstpreise bezahlt werden. Für qualitativ besonders gute Exemplare liegen die Kilopreise bei 6000 Euro. "Ich dachte immer, Trüffel-Menüs wären total überteuert. Aber wenn man sieht, wie viel Arbeit, Zeit und Investitionen hinter dem Produkt stecken, ändert sich der Eindruck", sagt Jordi. Und greift zu dem mit Trüffeln aromatisierten Vanilleeis.
Albas Familie gehört zu den Pionieren im erst langsam aufkommenden Trüffeltourismus. Bisher verschlägt es Urlauber eher selten ins hügelige Hinterland im südlichen Aragonien. Dabei lockt die Region ganzjährig mit verschlafenen Dörfern, alten Burgen, einsamen Wanderrouten und versteinerten Dinosauriern. In der kaum besiedelten Region kann man nachts gut den Sternenhimmel beobachten, da kaum Lichtquellen stören. Nirgendwo in Spanien leben weniger Menschen pro Quadratkilometer.
Langsam entdeckt auch die Gourmetwelt die abgeschiedene Region. "Doch das hat gedauert. Seit über 15 Jahren bieten wir Trüffel-Menüs an. Aber Sie glauben gar nicht, wie schwierig es war, die spanischen Kunden zu überzeugen, das Produkt überhaupt zu probieren", sagt Manolo Górriz. In Rubielos de Mora, einem mittelalterlichen Bilderbuchdorf, unterhält er in einem alten Palast das Hotel "Los Leones" mit dem besten Trüffelrestaurant der Region.
In der Küche verfeinert Manolos Frau Pilar Steinpilzsuppen und zarte Lendenstücke vom Rind raffiniert mit den Pilzknollen. Sogar über Spiegeleier verteilt sie Trüffelsplitter. Auf das Blumenkohlpüree mit angebratenem Teruel-Schinken und pochiertem Ei hobelt Manolo allerdings erst ganz zum Schluss am Tisch frische Trüffel. "Das Ei darf nicht mehr ganz so heiß sein. Zu viel Hitze tötet den Trüffelgeschmack. Bei zu wenig kann sich das Aroma nicht entfalten. Trüffel sind richtige Diven", sagt er und serviert zum Dessert getrüffelten Brandy. Wohltuend an kalten Winterabenden.
Langsam spricht sich herum, welche Gaumenfreuden Besucher in der Region erwartet. Immer mehr Restaurants bieten gerade zur Erntezeit Trüffel-Menüs an. Einige Schlachtereien verfeinern regionale Wurstspezialitäten mit Trüffeln. In Sarrión, der Trüffel-Hauptstadt, findet jeden Samstag ein Trüffelmarkt statt. Hier gibt es auch Läden mit Trüffelprodukten – von Käse über Salz, Schokoladen und Ölen.
Eigentlich kein Wunder. Vor 40 Jahren, als im französischen Périgord schon seit Generationen Trüffel gesucht wurden, wussten wir nicht einmal von unseren Bodenschätzen", erzählt Julio Perales. "Wir wunderten uns nur, warum die Franzosen über die Grenze kamen und diese schlecht riechenden Kartoffeln mitnahmen", erinnert sich der Vorsitzender der regionalen Trüffelbauer-Vereinigung. 80 Prozent der Ernte gehen immer noch nach Frankreich. "Viele der weltberühmten Périgord-Trüffel stammen eigentlich von hier", sagt Perales.
Man habe aber schnell gelernt und verstanden, warum die Nachbarn die moderig riechenden Dinger als "schwarze Diamanten" bezeichnen. Perales hat seine Steineichen-Plantagen heute mit Zäunen, Bewegungsmeldern und Überwachungskameras abgesichert. Er ist eigentlich Biologe, die Ländereien hat er von seinem Vater geerbt. "Bei dem kalkhaltigen Boden wächst in einer Höhe von 1200 Metern nicht viel – dachten wir." Nun reichen die Steineichen mit den wertvollen Pilzen darunter bis zum Horizont.
Eigentlich handle es sich um ein Geschäft für Verrückte, denn Trüffel könnten im eigentlichen Sinne ja nicht kultiviert werden, findet Julio Perales. Man kann aber nachhelfen, dass Trüffel wachsen: "Dafür infizieren wir in Gewächshäusern die Keimlinge der Steineichen mit Trüffelpilzsporen und pflanzen diese später an. Nach zehn Jahren stellt sich erst heraus, ob es funktioniert hat." Ein riskantes Geschäft. Doch die Rechnung scheint aufzugehen. Der Gourmet-Pilz ist heute Wirtschaftsmotor der abgelegenen Provinz, in der auf 10.000 Hektar Trüffel kultiviert werden. Das größte Anbaugebiet der Welt. Zwischen November und März werden hier bis zu 40 Tonnen der berühmten schwarzen Trüffel geerntet. "Ohne diese Einnahmequelle", sagt Julio, "hätten noch mehr Leute unsere ohnehin schon menschenleere Region verlassen. Die Trüffel erlauben es uns, nicht wegziehen zu müssen."