Von Olivia Kaiser
Der Obstverkäufer spießt eine große Dattel auf einen Zahnstocher: "Probieren Sie bitte." Die weiche Frucht schmeckt köstlich süß und samtig. Am späten Vormittag ist auf dem Obst- und Gemüsemarkt in Muscat Ruhe eingekehrt. Die Verkäufer sitzen auf ihren Schemeln und halten ein Schwätzchen. Ihre Stände sind reich gefüllt mit Orangen, Zitronen, Granatäpfeln und Datteln. Auch auf dem nahe gelegenen Fischmarkt ist es jetzt ruhig geworden. Doch nicht nur die Stahlwannen voller Thunfische, Barrakudas und Sardinen bringen die Touristen ins Staunen, sondern auch die 2017 fertig gestellte Markthalle des norwegischen Designbüros Snøhetta, deren Form der Hafenpromenade "Corniche" nachempfunden ist.
Moderne und Tradition treffen im Oman so harmonisch zusammen, wie in keinem anderen Land auf der arabischen Halbinsel. In der Hauptstadt Muscat gibt es keine Wolkenkratzer, keine Nobelkarossen-Paraden, keinen überbordenden Luxus. Während in den arabischen Metropolen Dubai und Abu Dhabi der Maxime "Höher, schneller, weiter" gehuldigt wird, hat der Oman einen moderateren Weg eingeschlagen. Das ist dem im Januar verstorbenen Sultan Qabus ibn Said al-Said zu verdanken. Als er 1970 seinen Vater zur Abdankung zwang, war der Oman eines der rückständigsten Länder der Welt, mit einer hohen Analphabeten-Rate und ohne funktionierende Infrastruktur. Der neue Sultan führte sein Land in die Moderne, ließ mithilfe der Ölförderung Schulen, Krankenhäuser und Straßen bauen. Dabei war er darauf bedacht, die Kultur und die Tradition seines Volkes zu bewahren und um westliches Know-how zu ergänzen.
Das macht den Oman zu einem faszinierenden Reiseland, das wie ein Märchen aus 1001 Nacht erscheint – mit allen modernen Annehmlichkeiten. Attraktiv ist das Land aber auch durch seine Vielfältigkeit. Die Sandwüsten im Landesinneren gehören zur Rub al Khali, deren Dünen sich über Saudi-Arabien, den Jemen und den Oman erstrecken. Wer sich schon immer mal fühlen wollte wie Lawrence von Arabien, kann das Abenteuer auf einem mehrtägigen Wüstenausflug mit Übernachtung im Zelt suchen. Die 1700 Kilometer lange Küste am Indischen Ozean bietet nicht nur zahlreiche Möglichkeiten für einen entspannten Badeurlaub, sondern verfügt über grandiose Surf- und Tauchspots. Kulturliebhaber können in Muscat tagsüber durch Museen schlendern, die Festungen der Portugiesen besichtigen und abends einer Oper lauschen.
Die Hauptstadt des Oman schmiegt sich elegant zwischen Berge und Meer. Über eine Millionen Menschen leben im Großraum Muscat, der sich 50 Kilometer an der Küste entlangzieht. Die einzelnen Sehenswürdigkeiten liegen teilweise weit auseinander. Wer die Stadt auf eigene Faust erkunden möchte, tut das am besten mit dem Taxi oder einem Mietwagen. Die Straßen von Muscat sind hervorragend ausgebaut. Es gibt auch geführte Stadttouren mit Minivans.
Ein Bummel über den Souk gehört ebenso zu einer Entdeckungstour durch Muscat. Foto: GeroldDer Fischmarkt im Stadtteil Mutrah ist nicht nur ideal, um morgens das bunte Markttreiben zu beobachten, sondern auch als Ausgangspunkt für eine Stadttour. Nach einem 20-minütigen Spaziergang entlang der "Corniche" erreicht man den Souk, wo sich Touristen mit typisch omanischen Souvenirs eindecken können: bunte Tücher, reich verzierte Krummdolche, ziselierter Silberschmuck, wohlriechender Weihrauch und exotische Duftstoffe. Der Markt ist zwar nicht so groß wie in Marrakech oder Kairo, hat dafür aber eine sehr viel entspanntere Atmosphäre.
Nach dem Bummel bietet sich ein Abstecher zur Großen Sultan-Qabus-Moschee an, die für nicht-muslimische Besucher stets bis 11 Uhr zugänglich ist. Die Moschee ist ein Monumentalbauwerk aus indischem Sandstein. 20.000 Gläubige finden auf dem 40.000 Quadratmeter großen Areal Platz, das neben Gebetshallen für Frauen und Männer ein islamisches Informationszentrum, eine Bibliothek, zwei große Bogengänge und fünf Minarette umfasst. Das Innere der Moschee mit ihren schwarz-weißen Bögen ist nicht weniger beeindruckend. Doch vor allem zieht der überdimensionale Kronleuchter die Blicke der Besucher auf sich. Er ist 14 Meter hoch, acht Meter breit, wiegt acht Tonnen und ist mit 600.000 Kristallstücken dekoriert. Als die Moschee nach sechs Jahren Bauzeit 2001 öffnete, war es der größte Kronleuchter seiner Zeit.
Ebenso prächtig, wenn auch bei weitem nicht so groß dimensioniert, ist das Königliche Opernhaus von Muscat. Wer einen Blick ins Innere werfen möchte, muss eine Oper besuchen oder eine Führung mitmachen – was sich durchaus anbietet, um der Nachmittagshitze zu entfliehen. Denn auch im Winter "fällt" das Thermometer selten unter 28 Grad.
Wenn im Sommer auf der arabischen Halbinsel die Temperaturen an der 50-Grad-Marke kratzen, flüchten viele Einheimische und Touristen aus den benachbarten Emiraten vor der Hitze ins Hadschar-Gebirge. Die Hochgebirgskette, zu der mit 3009 Metern auch der höchste Berg des Sultanats gehört, verläuft vom Grenzgebiet zu den Arabischen Emiraten bis zum Indischen Ozean. Von Muscat aus ist es nur eine etwa zweistündige Fahrt zum Sayq-Plateau. Die rötliche Bergwelt wirkt auf den ersten Blick schroff und karg. Nur die schwarzen Bergziegen, die gemächlich am Straßenrand das vertrocknete Gestrüpp verzehren, scheinen hier überlebensfähig.

Umso erstaunlicher ist es, dass die Gegend für den Anbau von Damaszenerrosen und Granatäpfeln bekannt ist. Es ist ein spektakulärer Anblick, wenn die Hänge des Jebel Akhdar (was so viel wie Grüner Berg heißt) im Frühling von einem rosafarbenen Blumenmeer überzogen sind. Auf Terrassen bauen die Bergbewohner die Damaszenerrosen an, aus denen Rosenwasser hergestellt wird. Die Blumen, aber auch Obst und Gemüse, gedeihen dank eines Jahrhunderte alten ausgeklügelten Bewässerungssystems.
Doch nicht nur für Blumenfreunde, auch für Aktivurlauber lohnt sich ein Aufenthalt am Grünen Berg, wo Touristen eher die Ausnahme denn die Regel sind. Neben Klettern und Mountainbiken bietet sich eine Wanderung durch die Tropfsteinhöhlen von Al Hoota oder eine Erkundungstour durch die Ruinen der verlassenen Bergdörfer in der Umgebung an. Die Provinzhauptstadt Nizwa besticht durch ihre Ursprünglichkeit; sie ist bekannt für ihren Souk und die gewaltige Festung.
Ein idealer Ausgangspunkt für Ausflüge in die Bergregion ist das Boutique-Hotel Sahab Resort & Spa direkt auf dem Sayq-Plateau. Kleine Bungalows, arabisch-modern eingerichtet, gruppieren sich um eine schön angelegte Gartenanlage mit Pool und Jacuzzi. Von der Terrasse aus hat man eine atemberaubende Aussicht auf das Gebirgspanorama und die Terrassenfelder. Fern vom Trubel der Großstadt kann man in dem Hideaway wunderbar entspannen und die faszinierende Bergwelt auf sich wirken lassen.