Nachhaltig Skifahren - geht so etwas?
St. Anton am Arlberg profitiert von seiner Lage und kann so einiges an Emissionen einsparen.

Von Klaus Pfennig
Wer mittags um kurz nach zwölf am Heidelberger Hauptbahnhof ist, der reibt sich verwundert die Augen. Um 12.06 Uhr startet dort ein ICE zu einer Direktverbindung Richtung St. Anton am Arlberg – vorbei an Montafon, Kauner-, Pitz- und Ötztal. In fünfeinhalb Stunden ohne Umsteigen an die Piste – in Zeiten des Klimawandels eine Alternative zum Auto?
Skifahren droht zunehmend, in Verruf zu geraten. Zu energieintensiv, zu CO2-lastig, einfach umweltschädlich lauten häufig die Argumente. Studien kamen jedoch zu einem überraschenden Ergebnis: Bei einem einwöchigen Skiurlaub sei rund Dreiviertel des CO2-Ausstoßes auf die An- und Abreise zurückzuführen, heißt es von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Denn die erfolgt in der Regel mit dem eigenen Auto. Mit dem Zug und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, ist noch nicht im Trend. Für die einen ist es zu langsam und zu umständlich, für die anderen nur eine Frage des Wollens.
Hotellerie und Gastronomie sind auf Platz zwei in der Kohlendioxid-Bilanz. Beleuchtung, Herde, Kühlaggregate, Wasch- und Spülmaschinen sowie das Beheizen von Pools, Saunen und Dampfbädern benötigen enorme Mengen Energie. Die Formel ist einfach: je luxuriöser, desto energieintensiver.
Für die Emissionsrechnung ist aber auch relevant, woher ein Skiort seinen Strom bezieht. St. Anton hat aufgrund seiner Lage Glück. Denn im Süden des Orts ziehen sich mehrere Hochtäler und der 32 Hektar große, türkisgrüne Kartell-Stausee liefert Strom.
Aus dem See rast das Wasser durch eine Röhre 600 Höhenmeter ins Tal und schießt durch zwei Turbinen. Das kleine Kraftwerk ist das Herzstück der Stromversorgung von St. Anton. 30 Millionen Kilowattstunden Strom werden hier erzeugt, ohne ein einziges Gramm CO2. Dem Wasser gönnt man eine kurze Verschnaufpause im kleinen Verwallsee. Danach geht es erneut in Rohre und Turbinen ins etwas kleinere Rosanna-Kraftwerk aus den Achtzigerjahren. Das erste Kraftwerk entstand 1921 und ist heute noch in Betrieb.
"Insgesamt erzeugen wir mit unseren drei Anlagen jedes Jahr etwa 50 Millionen Kilowattstunden regenerativen Strom", sagt Markus Strolz Geschäftsführer der Energie- und Wirtschaftsbetriebe St. Anton (EWA). Das reicht aus für etwa 25.000 Vierpersonenhaushalte. St. Anton hat aber nur 2400 Einwohner plus 10.000 Gästebetten. Im Sommer ist der Urlaubsort also nicht nur komplett energieautark, er kann den nicht benötigten Strom für gutes Geld weiterverkaufen. Die Bürger St. Antons zahlen gerade einmal neun Cent pro Kilowattstunde.
"In unserer Hochsaison im Winter reicht die produzierte Strommenge allerdings nicht ganz", räumt Strolz ein. "Da müssen wir etwa drei bis vier Millionen Kilowattstunden zukaufen." Und zwar bei der Tiroler Wasser AG. Die betreibt zahlreiche kleinere und auch große Wasserkraftwerke – wie das am entfernten Gepatschsee im Kaunertal. Umweltfreundliche Wasserkraft aus dem Kaunertal sowie anderen Seen und Flüssen Tirols versorgt somit alle Bergbahnen, Lifte und Beschneiungsanlagen in St. Anton. Geheizt wird dort noch überwiegend mit Öl. Aber auch in Sachen Wärme tut sich etwas. Vor vier Jahren ging ein Biomassekraftwerk für die Nahwärmeversorgung in Betrieb. Nach EWA-Angaben spart es pro Jahr 1,6 Millionen Liter Heizöl ein – sprich 4800 Tonnen Kohlendioxid. "Bisher haben wir knapp 100 Abnehmer", berichtet EWA-Bereichsleiter Michael Zauser: "Darunter alle gemeindeeigenen Einrichtungen, einige große Hotels und etliche Privathäuser im Ortskern."
Bleibt noch der Betrieb der Raupen für die tägliche Präparierung der Pisten. Am Skigebiet Arlberg, zu dem neben St. Anton auch Lech, Zürs, Warth und Stuben gehören, sind 70 Pistenraupen im Einsatz. Nach Berechnung der Salzburger Nachrichten verbraucht jede pro Saison etwa 60.000 Liter Diesel. Elektroantrieb? Bei Fahrzeugen für die Präparierung von Langlaufloipen gibt es sogar einen Prototyp. "Für den Einsatz auf steilen Pisten sind die aktuellen Batterien aber nicht leistungsfähig genug", räumt Unternehmenssprecherin Maria Schackert ein. Eines der Modelle würde jedoch diesel-elektrisch angetrieben, was etwa 20 Prozent CO2 einspare. Neuerdings können die Pistenbullys auch mit sogenannten Kraftstoffen aus aufbereiteten Pflanzenölen wie etwa Frittierfett betrieben werden. Der Kohlendioxid-Ausstoß soll sich dadurch um bis zu 90 Prozent verringern. "Eine Reihe von Skigebieten hat bereits komplett umgestellt", so Schackert. Am Arlberg seien solche Fahrzeuge nicht im Einsatz.
Mit konventionellem Dieselantrieb ergebe sich für das gesamte Skigebiet am Arlberg ein Kohlendioxid-Ausstoß von etwa 11.000 Tonnen pro Saison. Wie viele Skifahrer an einem Durchschnittstag in Österreichs größtem Skigebiet unterwegs sind, kann oder will man nicht sagen. Unbestätigten Angaben zufolge sollen es an Spitzentagen bis zu 30.000 sein.
Zurück zur Bahn – denn auch die muss mit Energie versorgt werden. Gänzlich emissionsfrei ist die Anreise mit dem Zug nämlich nicht. Zwar wirbt die Deutsche Bahn mit "100 Prozent Ökostrom" im Fernverkehr. Doch das bedeutet nur, dass die Bahn genau so viel Ökostrom einkauft, wie sie für den Fernverkehr benötigt. Der Zug fährt letztlich aber immer mit genau dem Strom, der gerade in die Oberleitung eingespeist wird – und einer der größten Bahnstromlieferanten in Deutschland ist das steinkohlebefeuerte Großkraftwerk in Mannheim ... Dennoch ist der Ausstoß der Bahn pro Kilometer nur etwa ein Drittel so hoch wie der eines durchschnittlichen Verbrenners – also wie bei der Anreise mit dem eigenen Auto.