Der Musenhof des Kronprinzen
Glückliche Jahre verlebte Friedrich der Große auf Schloss Rheinberg.

Von Sabine Mattern
Stolz steht der Kronprinz vor seinem vornehmen Zuhause. Mit ondulierter Perückenpracht, im feinen Rock, den Degen an der Seite und in Bronze gegossen für die Ewigkeit. Eine schillernde Persönlichkeit, die einmal Preußen zu einer Großmacht in Europa machen wird – wenn aus dem jungen Fritz kein Geringerer als Friedrich der Große geworden ist. Doch noch lebt er halbwegs unbeschwert von seinen künftigen Pflichten als König fernab von Berlin und seinem überstrengen Vater in seiner eigenen Welt. Einer Welt der schönen Künste. Hier in Rheinsberg, einem kleinen Ort im Brandenburger Norden, dem die Dichterkollegen Theodor Fontane und Kurt Tucholsky in den folgenden Jahrhunderten ganz zu Recht literarisch die Ehre erwiesen. Für die Besucher von heute ein anziehendes Residenzstädtchen, umgeben von weiten Wäldern, die Hügel und Täler mit grünen Schatten überziehen, von einem Mosaik aus Flüssen, Seen und Kanälen, die ihr Blau mit meisterhaftem Pinselstrich in der Landschaft der Mark hinterlassen.
Die an Rheinsbergs Markt auf einem Sockel thronende Skulptur Friedrichs ist Denkmal und Wegweiser zugleich, denn direkt hinter ihr öffnet sich das Tor aufs Schlossgelände. Umrahmt von Kavalierhaus und Marstall, wo in dem einen einst Gäste, in dem anderen die Pferde logierten, liegt da, umspült von Wasser, das Schloss in seinem blassen Gelb, elegant und ohne allzu viel Zierrat märchenhaft am Ostufer des Grienericksees.
Im Mittelalter stand an diesem Ort eine Burg, später ein Schloss im Stil der Renaissance, das im Laufe der Jahre durch zahlreiche Hände ging, bis Preußens König Friedrich Wilhelm I. das Anwesen 1734 kaufte und es, versöhnt nach Jahren heftigster Konflikte, seinem Sohn und Thronfolger zum Geschenk machte. Baudirektor Johann Gottfried Kemmeter bekam den Auftrag für den Schlossumbau, den Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff zwischen 1737 und 1740 zu Ende brachte – als Musterbeispiel Friderizianischen Rokokos.

Bereits 1736 war Friedrich, dessen Regiment im nahen Neuruppin stationiert war, samt Gattin eingezogen und hatte das Schloss in seinen wenigen Jahren als Hausherr zu einem wahren Musenhof gemacht, in dem er musizierte, dichtete, philosophierte, gleichgesinnte Gäste empfing und dabei die glücklichste Zeit seines Lebens verbrachte. Der Tod des Vaters 1740 änderte dann alles. Aus dem Kronprinzen wurde ein König, dessen Leben, wenn nicht gerade im Krieg, sich fortan in Berlin und Potsdam abspielen sollte.
1744 schenkte Friedrich II. das Rheinsberger Anwesen schließlich seinem Bruder Heinrich, mit dem er nicht nur die Leidenschaft für alles Musische, sondern auch die Begeisterung für die Bau- und Gartenkunst teilte. Letztere trug bis zum Tod des Prinzen 1802 dann auch reichlich Früchte, und Heinrichs Faible für den Frühklassizismus kam nicht nur beim Bau eines Schlosstheaters im Kavalierhaus oder beim umfassenden Umdekorieren des Schlossinneren zum Tragen.
Heute lenkt die "Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg" die Geschicke der schönen Dreiflügelanlage am Grienericksee, die nach Zwischen- und Umnutzungen in DDR-Zeiten seit 1991 die segensreiche Fügung einer sorgsamen Wiederherstellung von Architektur und Interieur erfuhr. So erlebt auch der Besucher bei der Besichtigung der ersten Schlossetage, selbst wenn vieles an Einrichtung nicht mehr erhalten ist, die Atmosphäre des 18. Jahrhunderts auf besondere Weise – aufmerksam wandelnd durch eine dichte Abfolge von Räumen, zu deren Höhepunkten der Spiegelsaal mit seinem herrlichen Deckengemälde und der Muschelsaal gehören, der mit opulenten Dekors, den schmalen Spiegeln über anmutigen Konsoltischen und den zierlichen Stühlen in goldenem Glanz erstrahlt.
An seinem Ende angelangt, führt der museale Rundgang durch die Beletage wieder treppab, wo es weiter geht durch Heinrichs Sommerwohnung oder direkt hinaus in den Schlosshof: ein gepflastertes Geviert, das von den drei Flügeln der Anlage in die Mitte genommen wird und sich nach Westen mit einer Kolonnadenreihe zwischen zwei Rundtürmen öffnet.
Durch die Säulen richtet sich der Blick auf den Garten der Schlossinsel mit ihren gepflegten Rasenflächen, bunten Blumenkörben und den weißen Marmorstatuen, gleitet über das Wasser zum anderen Ufer, in dessen Hintergrund ein schlanker Obelisk die Sichtachse betont. Richtung Süden überwindet eine Brücke den Wassergraben und leitet über in den ebenfalls restaurierten Lustgarten der Brüder.
Hatte Friedrich bereits mit der Anlage einer Hauptallee und einem Gartenportal an deren Ende, mit Irrgärten oder Heckenquartieren für Obst seinen Beitrag geleistet, ließ Heinrich den friderizianischen Park in den folgenden 50 Jahren deutlich vergrößern und in seinem Sinne verschönern. Ein Heckentheater entstand in dieser Zeit ebenso wie die Feldsteingrotte und anderes mehr. Ein Meisterwerk der Gartenkunst, selbst heute noch.
Wer die breiten Wege und verschlungene Pfade des Rheinsberger Parks zur Genüge abgelaufen, das Schloss von innen wie außen bestaunt und das zugehörige Städtchen, dem Friedrichs begnadeter Architekt Knobelsdorff nach einem Brand 1740 zu einem neuen Gesicht verhalf, erkundet hat – der tut gut daran, seinen touristischen Radius noch ein wenig zu erweitern. Denn es wäre mehr als schade, eine Reise ins Ruppiner Land auf Rheinsberg zu beschränken.
Viel zu schön ist die Natur, um nicht die Wanderschuhe zu schnüren oder aufs Fahrrad zu steigen und die Gegend rund um die Stadt am Rhin auf diese Weise zu erkunden. Oder vielleicht in Kajak oder Kanu mit dem Paddel in der Hand? Schließlich locken hier zahllose glasklare Seen und endlos scheinende, miteinander verbundene Wasserwege aufs nasse Element. Und nach Rheinsberg darf unser Weg ja bei anderer Gelegenheit gern noch einmal zurückführen.
Etwa für einen Besuch im Schlosstheater. Oder an einem schönen Tag im Sommer, wenn sich der einstige Musenhof der Prinzenbrüder als traumhafte Kulisse für das internationale Festival der "Kammeroper Schloss Rheinsberg" zeigt. Wenn das Publikum die Open-Air-Atmosphäre im Schlosshof genießt und den jungen Sängern zur Musik von Mozart oder Strauss lauscht, während die Nacht den Tag ablöst und sich vor ihm die Wasser des Grienericksees mit Schwärze färben.
INFORMATIONEN
Anreise: Von Heidelberg nach Rheinsberg fährt man mit dem Auto z.B. über A4 und A9 rund 700 Kilometer. Mit der Bahn z.B. mit Umsteigen in Berlin und Löwenberg.
Unterkunft: Precise Resort Hafendorf Rheinsberg: maritimes Wohnen am Rheinsberger See in komfortablen Zimmern und Suiten; mit großem Wellnessbereich, Anlegestelle im Hafen, Boots- und Yachtverleih; variierende tagesaktuelle Preise: www.precisehotels.com/hafendorf-rheinsberg
Ferienwohnung im Marstall von Schloss Rheinsberg: Im Westflügel des ehemaligen Wirtschaftsgebäudes ist auf 160 Quadratmetern Platz für bis zu sechs Personen, die es nostalgisch mögen; bei Mindestaufenthaltsdauer von drei Nächten 165 Euro/Nacht für bis zu drei Personen (bis vier Personen 185 Euro/Nacht, bis sechs Personen 235 Euro/Nacht): www.anno-nostalgia.de
Unternehmen: Schloss Rheinsberg
Öffnungszeiten, Preise, Veranstaltungen, Tickets unter: www.spsg.de
Musenhof von heute
Rund ums Jahr sind Schloss und Park von Rheinsberg Kulissen für "Schlosstheater Rheinsberg", "Kammeroper Schloss Rheinsberg" und "Musikakademie Rheinsberg": www.musikkultur-rheinsberg.de
Kurt Tucholsky Literaturmuseum
Deutschlands einziges Tucholsky-Museum befindet sich in Schloss Rheinsberg: www.tucholsky-museum.de
Weitere Infos: www.ruppiner-seenland.de , www.stechlin-ruppiner-land-naturpark.de