Montenegro

Mamula Island - Einst Gefängnis, heute Luxushotel

Nach acht Jahren Umbauzeit empfängt ein umstrittenes Hotelprojekt in Mamula Island die ersten Gäste.

13.08.2023 UPDATE: 13.08.2023 06:00 Uhr 4 Minuten, 27 Sekunden
Das Fort auf der Insel Mamula wurde während des Zweiten Weltkrieges von italienischen Faschisten als Gefängnis genutzt. Nun ist dort ein Luxushotel. Foto: Getty/S. Freitag

Von Susanne Freitag

Mamula Island. Grundsätzlich stellt sich bei der Bootsfahrt zu einer Insel ein gewisses Freiheitsgefühl ein. Im Boot sitzend, bleibt das Festland zurück, der Blick richtet sich gen Horizont und mit jedem Wellenschlag steigt die freudige Erwartung anzukommen. Ein wenig anders verhält es sich bei der Fahrt von Herceg Novi an der montenegrinischen Adriaküste nach Lastavica.

Die kleine, runde Insel mit gerade einmal 200 Metern Durchmesser liegt am Eingang der Bucht von Kotor und trennt die beiden Halbinseln Lustica in Montenegro und Prevlaka in Südkroatien. Der österreichische General Lazarus von Mamula ließ 1853 ein Fort auf der Insel bauen.

Das Fort auf der Insel Mamula wurde während des Zweiten Weltkrieges von italienischen Faschisten als Gefängnis genutzt. Nun ist dort ein Luxushotel. Foto: Getty/S. Freitag

Dies erlebte seine dunkelste Zeit in den 1940er-Jahren, als Benito Mussolinis italienische Faschisten dort ein Gefängnis einrichteten. Dieses düstere Kapitel der Inselgeschichte und die Tatsache, dass Menschen dort ihrer Freiheit beraubt oder gar ums Leben gekommen sind, beschert den Anreisenden bei der Überfahrt eine angespannte Stimmung.

Als der ägyptische Immobilien- und Touristikunternehmer Samih Sawiris Lastavica 2015 vom montenegrinischen Staat für 49 Jahre mietete und den Umbau des denkmalgeschützten Forts zum Luxushotel Mamula Island ankündigte, stieß er bereits auf heftige Kritik. Sawiris bewies jedoch nicht nur ein glückliches Händchen bei dem 30 Millionen Euro teuren Umbau, sondern auch im Umgang mit den Kritikern und vor allem bei der Wahl seines Hotelmanagers.

Der charismatische Deutsche, Henning Schaub, hat seit zwei Jahren die Umbaumaßnahmen begleitet und bemüht sich seitdem um den permanenten Dialog mit den Angehörigen der Opfer. Seiner Einladung zum Unabhängigkeitstag Montenegros im vergangenen Jahr seien 70 Angehörige gefolgt – "es war einer der emotionalsten Tage überhaupt", erinnert sich Schaub.

In Zukunft soll es regelmäßige Treffen geben, und rechtzeitig zum diesjährigen Feiertag am 22. Mai wurde auf Mamula Island die Memorial Gallery zum Gedenken an die Opfer eröffnet. Die Exponate wurden von einem Kuratorium aus Veteranen, Angehörigen, Repräsentanten der Gemeinde sowie des Tourismusministeriums ausgewählt. "Die Memorial Gallery bleibt auch im Winter für externe Besucher geöffnet, wenn das Hotel geschlossen ist", erklärt Schaub.

Die Insel Gospa od Škrpjela (oben) liegt in der Bucht von Kotor. Foto: Susanne Freitag

Kritik zur Hoteleröffnung gab es auch von den Bewohnern Lusticas, die vor dem Umbau die Insel als Ausflugsziel nutzten. Auch zu ihnen sucht Schaub den Kontakt. "Ihre emotionelle Bindung an die Insel ist ein Geschenk", erklärt er. "Mamula war immer ein Teil ihres Lebens und wir wollen ihnen klarmachen, dass sie hier weiterhin freundlich empfangen werden."

Neben der Memorial Gallery stehen ihnen auch die drei Restaurants von Mamula Island offen, außerdem seien öffentliche Veranstaltungen und Konzerte, etwa in Kooperation mit dem Opernfestival "Operarosa", geplant. Rund 7000 Montenegriner aus der Region machten sich beispielsweise bei vier Tagen der offenen Tür im September 2022 ein Bild von Mamula Island. Schaub: "Das waren viel mehr als wir erwartet hatten."

Zwei Drittel der 200 Mitarbeiter des Hotels stammen aus der Region, 40 davon hat Schaub direkt an den Besuchstagen gewonnen. Sie kümmern sich um das Wohlergehen der Gäste, die in 32 Zimmern und Suiten im historischen Teil sowie einem neuen Auf- und einem Anbau untergebracht sind.

Interior-Designer Piotr Wisniewski vom weStudio Berlin hat Materialien wie Naturstein, gealtertes Messing, massives Eichenholz und atmungsaktive, organische Textilien in erdigen Tönen und hellen Farben für die historischen Räume ausgewählt. In einigen Suiten zieren sorgfältig restaurierte Fresken die Decken und Wände. Die acht Garden Rooms im neuen Anbau haben bodentiefe Fenster und private Terrassen mit Blick auf das Adriatische Meer.

Mamulas spirituelles Herz ist das überdachte Atrium im Hauptturm, von dem aus die Gäste in das holistische Spa gelangen. Neben drei Behandlungsräumen, darunter einem für Paare, erwarten sie drei Saunen, ein Salzraum und ein Dampfbad. Für innere Ruhe und Entspannung sorgen etwa Klangschalenmeditationen und Yogakurse. Aktive Gäste können sich bei Workouts mit persönlicher Trainerin unter freiem Himmel und im Fitnessraum auspowern.

Wer sich dem Inselleben eine Weile entziehen möchte, gönnt sich eine Bootstour zu Europas südlichstem Fjord, dem Unesco-Welterbe Bucht von Kotor. Die 330 Meter breite Meerenge von Verige trennt die äußere von der inneren Bucht. Passiert man diese, erscheinen auf der linken Seite zwei kleine Inseln, die ebenfalls zum Welterbe gehören: das natürliche Eiland Sveti Dorde (Sankt Georg) mit einem Benediktinerkloster aus dem 12. Jahrhundert sowie die auf Felsen und gesunkenen Schiffen erbaute Gospa od Skrpjela (Maria vom Felsen).

In ihrer kleinen katholischen Kirche von 1632 finden heute noch Hochzeiten statt. Sie ist Touristenmagnet und Wallfahrtsort in einem. Jedes Jahr am 22. Juli fahren Bewohner des gegenüberliegenden Küstenortes Perast zum Fasinada-Fest mit ihren Booten zur Insel und werfen Steine ins Meer, um die Inselfläche zu vergrößern.

Perast gilt als der Ort in Montenegro mit dem mildesten Klima und den meisten Sonnenstunden im Jahr und war bis Ende des 18. Jahrhunderts Sitz von vier Reedereien mit insgesamt mehr als 100 Handelsschiffen. Die Villen der einstigen Kapitäne prägen noch heute das Stadtbild.

In einer davon leben die Architektin Zorana Milosevic und ihr Mann, der Musikprofessor Ilija. Sie empfangen Besucher in einem typischen Salon, prall gefüllt mit Möbeln, Teppichen, Kunst und Lampen aus jener Zeit, als ihre Vorfahren zur See fuhren und Geschenke aus der ganzen Welt mitbrachten. Milosevics Salon ist einer von zweien, die noch erhalten sind. "Vor dem großen Erdbeben 1979 gab es 20 dieser Salons", erzählt Zorana. Danach hätten die meisten Familien ihre Villen, oder was noch davon übrig war, verkauft und seien weggezogen. Mittlerweile wurden viele der denkmalgeschützten Häuser restauriert und in Ferienunterkünfte umgewandelt.

Von Perast bis Kotor sind es nur 15 Minuten mit dem Auto oder eine kurze Fahrt mit dem Boot. Die Altstadt lädt zum Bummeln ein und lockt mit imposanten Bauwerken wie der Sankt-Tryphon-Kathedrale, der größten erhaltenen romanischen Kirche der östlichen Adriaküste. Bis zu 15 Meter breite und 20 Meter hohe Befestigungsanlagen schlängeln sich bis zum Berg San Giovanni. Das hat ihnen den Titel "Chinesische Mauern von Kotor" eingebracht.

Katzenfans sei Kotor besonders ans Herz gelegt: Unzählige streunen durch die Altstadt. Im Unterschied zu manch anderen Städten haben es sich die Bewohner jedoch zur Aufgabe gemacht, sie zu füttern und zu schützen. So sind die Katzen zu Kotors heimlichen Wahrzeichen avanciert. Am Kinoplatz gibt es sogar ein Katzenmuseum.

Über die Küstenstraße geht es über Perast nach Herceg Novi. Sozusagen einen Katzensprung entfernt, wartet ein weiterer Zeitzeuge in Stein gehauen auf Entdeckung. An den Hügeln von Igalo können die Besucher der Villa Galeb in Ex-Jugoslawiens Geschichte eintauchen.

Die Sommerresidenz auf dem Gelände des medizinischen Igalo-Institutes wurde 1976 in nur sechs Monaten für den Staatspräsidenten Josip Broz Tito errichtet. Auf 5500 Quadratmetern in einem 70.000-Quadratmeter-Park, residierte der Autokrat viermal und empfing Staatsgäste wie den früheren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt und den heutigen britischen König Charles III.

Die Villa ist ein Paradebeispiel sozialistischer Architektur der 1970er-Jahre. Einige Zimmer, darunter die Privaträume Titos und seiner Frau Jovanka, sind zugänglich. Das für damalige Verhältnisse hochmoderne Therapiezentrum, das der schwerkranke Präsident während seiner vier Aufenthalte nutzte, kann besichtigt werden. Dies gilt ebenso für den Bunker der Anlage mit Notbetten für 40 Personen.

Vom Balkon der Villa Galeb reicht der Blick bis hinüber nach Mamula Island, wo sich das Team von Hoteldirektor Schaub weiter um den Spagat zwischen Luxushotel und Begegnungsstätte bemüht.