Ein Hauch von Frühling

In Bormes-les-Mimosas und Le Lavandou am Cap de Brégançon besitzt die Côte d’Azur noch mediterranes Flair mit viel Ursprünglichkeit. Bis Mitte März verwandeln hier die Mimosen die Landschaft in ein Blütenmeer / Von Robin Daniel Frommer

11.02.2020 UPDATE: 15.02.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 33 Sekunden
Gelbe Pracht: Bormes-les-Mimosas zählt zu den blumenreichsten Dörfern Frankreichs. Der Ort mit dem typisch provenzalischen Charakter ist gleichzeitig Ausgangspunkt der sogenannten Mimosenstraße. Foto: Robin Daniel Frommer​

Traumhafte Hanglage am Fuß des provenzalischen Maurenmassivs: Die steile Landstraße zum Ortszentrum von Bormes-les-Mimosas erinnert unwillkürlich an die ersten Szenen der französisch-belgischen Filmkomödie "Docteur Knock – Ein Arzt mit gewissen Nebenwirkungen". Hier wie dort bestimmen zwei-, höchstens dreigeschossige Häuser unter sanft geneigten Satteldächern das Bild, manche sind in warmen gelblichen oder braunen Pastelltönen getüncht, fast alle mit schmiedeeisernen Balkonen versehen. Palmen und Platanen spenden Schatten, Bougainvilleen, Oleander und Orchideen setzen leuchtende farbliche Akzente. Mittendrin eine schmale Hauptstraße mit Dorfbrunnen, gesäumt von winzigen Cafés, Boutiquen und Ladengeschäften, in denen die Zeit deutlich langsamer zu verstreichen scheint als überall sonst an der Côte d’Azur.

Hintergrund

Anreise: Lufthansa verbindet Marseille mit Frankfurt ab ca. 196 Euro.

Reisezeit: Am besten im Frühjahr – Bormes-les-Mimosas feiert jetzt seinen 100. "Corso Fleuri" (Straßenumzug) am 23. Februar. Angenehme Reise- monate mit lauen Temperaturen sind auch September und

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Anreise: Lufthansa verbindet Marseille mit Frankfurt ab ca. 196 Euro.

Reisezeit: Am besten im Frühjahr – Bormes-les-Mimosas feiert jetzt seinen 100. "Corso Fleuri" (Straßenumzug) am 23. Februar. Angenehme Reise- monate mit lauen Temperaturen sind auch September und Oktober.

Übernachten: Hôtel Paradis, 62, Impasse du Castellan, Bormes-les- Mimosas, Doppelzimmer mit Bad ab 67 Euro (www.hotelparadis.fr); Hôtel de la Plage, 352, Boulevard de la Plage, Bormes-les-Mimosas, DZ ab 92 Euro (www. hdlp.fr); Auberge de la Calanque, 62, Avenue du Général de Gaulle, Le Lavandou, DZ ab 119 Euro (www.aubergedelacalanque.fr).

Wanderungen: 360-Grad-Panoramablick garantiert der in Bormes-les- Mimosas beginnende Kapellenweg "Chemin des Chapelles". Die gut dreistündige Wanderung folgt teils dem GR 90 und erreicht an ihrem höchsten Punkt die Kapelle "Notre-Dame de Constance". Die Exkursion wird ab dem Touristenbüro (Office de Tourisme) von Bormes-les-Mimosas (www.bormeslesmimosas.com) als geführte Wanderung angeboten. Der Küstenpfad führt in 20 bis 30 Minuten vom Office de Tourisme in Le Lavandou (www.ot-lelavandou.fr) zum Strandviertel Saint Clair.

Empfehlenswerte Strandrestaurants:

La Cabasse, Plage de Cabasson, Avenue Guy Tézenas, Bormes-les-Mimosas, Tel. +33(0)4 94/64 80 70, und La Pinède, Boulevard de la Baleine, Plage de Saint Clair, Le Lavandou, www.plagelapinede.com.

Reiseliteratur: "Côte d’Azur – Alpes Maritimes" von Ralf Nestmeyer, Michael Müller Verlag, umfangreicher Reiseführer mit 336 Seiten, 17,90 Euro; "Côte d’Azur" von Klaus Simon, DuMont Reiseverlag, 119 Seiten, 11,99 Euro.

Allgemeine Auskünfte: Atout France, Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 10 01 28, 60001 Frankfurt, www.france.fr.

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Zugegeben, der fiktive Drehort des 2018 auch in die deutschen Kinos gelangten Spielfilms mit Omar Sy ("Ziemlich beste Freunde") als Dr. Knock wurde mit allerlei cineastischen Kniffen in die 50er Jahre zurückversetzt, während das 8000-Seelen Dorf Bormes-les-Mimosas ganz im Hier und Jetzt zu Hause ist – wenn auch etwas abseits der touristischen Tummelplätze zwischen Hyères und Saint-Tropez. Dennoch vermitteln die typisch provenzalischen Gassen und die von den Einheimischen gerne als urbane Abkürzungen genutzten Gewölbe in Bormes-les-Mimosas sofort den Eindruck, dass hier der mediterrane Alltag – zumindest außerhalb der Hochsaison – von geselliger Lebensqualität in unaufgeregter Schlagzahl bestimmt wird. Ebenso die teils aus viktorianischer Zeit übrig gebliebenen Hotels an der Place Gambetta oder auch die von einem majestätischen Pfefferbaum überragte Wein- und Tapasbar "La Cueva" an der zentral gelegenen Place du Poulid Cantoun. Der letztlich wohl wichtigste Unterschied zum humorigen Spielfilm: Die in Bormes praktizierenden Ärzte sind "echt" – im Gegensatz zu Dr. Knock verfügen sie allesamt über eine Approbation.

Berühmt ist Bormes-les-Mimosas für sei mildes Mikroklima, das die Artenvielfalt der hier gedeihenden Pflanzen eindrucksvoll begünstigt. Außerdem ist der hübsche Ort das Tor zur Mimosenstraße, der "Route du Mimosa", einer bis in die Parfümstadt Grasse reichenden, 130 Kilometer langen touristischen Route im Hinterland der Côte d’Azur, die den Frühling schon ab Februar zum optischen Erlebnis werden lässt. Übrigens: Die Mimosen mit den typischen sonnengelben Pompon-Blüten brachten die Engländer aus Australien hierher. Inzwischen wird die Blüte des Akaziengewächses in Bormes zum 100. Mal mit einem festlichen Umzug, dem "Corso Fleuri", gefeiert – und eigens aus Down Under eingeflogene Besucher sind dann keine Seltenheit.

Nur drei Kilometer vor Bormes-les-Mimosas entfernt ragt das Cap de Brégançon spektakulär ins leuchtend türkisblaue Mittelmeer. Ein sichelförmig geschwungener Küstenabschnitt blieb bis zum Port-de-Miramar von allen massentouristischen Bausünden verschont; auf einer Länge von 20 Kilometern reihen sich sechs naturbelassene Strände aneinander, alle mit Panoramablick auf die Îles d’Hyères. Präsidiale Stippvisiten garantieren, dass es auch künftig so bleibt, denn das markante Fort de Brégançon ist seit 1968 die Sommerresidenz des jeweils amtierenden Président de la République. François Hollande öffnete die malerisch ins Wasser gebaute Festung im Jahr 2014 für Besucher. Seither sattelte der eine oder andere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes um – und geleitet heute, wie beispielsweise Philippe Milioto, angemeldete Besuchergruppen bei Besichtigungen durch die eher schlicht eingerichtete Residenz.

Eine von Miliotos besten Anekdoten datiert aus der aktiven Zeit der Formel-1-Legende Michael Schuhmacher. Der Ferrari-Pilot war auf dem Zenit seiner Karriere und mit der Jacht in die Bucht vor dem Fort de Brégançon eingelaufen. Sehr früh am folgenden Morgen wurde er – unüberhörbar – von einem Hubschrauber zu einem Rennen geflogen. Das laute Knattern der Rotoren schreckte den im Fort nächtigenden Präsidenten Jacques Chirac auf. Mit nicht viel mehr als einem Handtuch bekleidet, trat er kurz entschlossen auf den kleinen Balkon, um der Sache auf den Grund zu gehen. "Die Paparazzi, die eigentlich ein Foto des deutschen Rennfahrers erhaschen wollten, zielten dann schnell auf den Präsidenten im Adamskostüm". Laut Philippe Milioto wurde aber nie auch nur eine einzige Aufnahme abgedruckt – der Elysée-Palast hatte alle Filme humorlos einkassiert.

Am Parkplatz vor der Sommerresidenz macht das erstaunlich gute Strandrestaurant "La Cabasse" das Warten auf den Zugang zur Festung ausgesprochen angenehm. Und in unmittelbarer Nähe lohnt das herrliche Weingut "Domaine Château Malherbe" einen Besuch. Hier kann, wer möchte, preisgekrönte Weine probieren oder E-Bikes leihen und die zum Meer blickenden Weinberge auf individuellen Pfaden erkunden.

Mit einem guten Dutzend unterschiedlicher Sandstrände wartet der unmittelbar benachbarte Badeort Le Lavandou auf, der bis ins Jahr 1913 ein Ortsteil von Bormes-les-Mimosas war. Seinen Hauptstrand und Hafen ziert heute ein weithin sichtbares Riesenrad. In Le Lavandou beginnen organisierte Bootstouren zu den vorgelagerten Îles d’Hyères (von Juli bis September) samt dem Nationalpark auf dem Eiland Port-Cros. Andere Exkursionen erschließen die Küste per Ausflugsbahn oder von der See her.

Der kleine Ort besitzt neben dem umtriebigen Jachthafen eine breite Palette an unterschiedlichsten Restaurants für jeden Geldbeutel. Typisch für Le Lavandou sind auch seine zahlreichen frei zugängigen Brunnen mit bester Trinkwasserqualität. Nur ein paar Schritte weiter, in bester Lage zwischen Bootsanleger und Restaurants, regiert schon immer das mit hoher Konzentration und offensichtlicher Hingabe praktizierte Boule-Spiel, pardon "Pétanque".

Der zeitlose, ungekünstelte Reiz von Le Lavandou und Bormes-les-Mimosas liegt in der (zumindest bislang) bewahrten menschlichen Dimension und in der unspektakulären Bebauung beider Orte; ebenso in ihrem mediterranen Flair, ihrer unkomplizierten und entspannten Lebensqualität und in den vielfältigen Rückzugsmöglichkeiten, die das Département Var in seinem Hinterland bereithält. Nicht von ungefähr stellen hier französische Familien gut 80 Prozent der Gäste. Der Jetset belegt an der Côte andere Spielwiesen. Hier gilt: kein übertriebener Hype um Promis, kein ostentativer Protz, weder zu Wasser noch zu Lande. Orte wie Le Lavandou und Bormes-les-Mimosas müsste man ganz rasch erfinden, gäbe es sie nicht bereits – oder sie sich schnellstens von Docteur Knock verordnen lassen …