Cannes

Roller statt Rolls

Es geht auch ohne Limousine: Auf der Vespa erlebt man Cannes und seine Küste viel intensiver

18.04.2019 UPDATE: 20.04.2019 06:00 Uhr 4 Minuten, 30 Sekunden

Von Dirk Engelhardt

Eine rote Vespa, blauer Himmel, Sonnenschein und das glitzernde Meer: Cannes und die mediterranen Küstenstraßen bieten ideale Bedingungen für eine coole Rollertour. Im Gegensatz zu Barcelona, wo Motorroller tausendfach das Stadtbild prägen, fahren die Bewohner von Cannes allerdings lieber Auto. Für Touristen gibt es am Hafen einen Rollerverleih, dort sind Roller mit 50 Kubik, 125 Kubik und 300 Kubik zu vermieten. Für die großen Modelle braucht man allerdings einen Motorradführerschein. Natürlich gibt es einen Helm dazu, und Lederhandschuhe.

Hintergrund

INFORMATIONEN

Anreise: Mit dem Flixbus rund 20 Stunden ab Heidelberg, Fahrpreis ab 55,98 Euro.

Reisezeit: Cannes hat ganzjährig ein angenehmes, mildes Klima.

Unterkünfte: Hotel Chalet Isere: Kleines

[+] Lesen Sie mehr

INFORMATIONEN

Anreise: Mit dem Flixbus rund 20 Stunden ab Heidelberg, Fahrpreis ab 55,98 Euro.

Reisezeit: Cannes hat ganzjährig ein angenehmes, mildes Klima.

Unterkünfte: Hotel Chalet Isere: Kleines inhabergeführtes Drei-Sterne-Hotel mit kleinem Garten etwas oberhalb der Altstadt. Zimmer ab 85 Euro.

www.hotel-chalet-isere.com.

Intercontinental Carlton Cannes: Das Luxushotel zählt zu den bekanntesten Hotels der Welt, erbaut im Jahr 1913 direkt an der legendären Croisette. 343 Zimmer, Privatstrand und mehr. Zimmer ab 170 Euro. www.carlton-cannes.com

Vespa-Verleih direkt am Hafen: www.yourent-cannes.com.

Freizeitaktivitäten: www.reservation.

cannes-destination.fr

Literatur: Côte d’Azur, Michael Müller Verlag, 17,90 Euro.

Allgemeines: www.cotedazurfrance.fr.

[-] Weniger anzeigen

"In Frankreich dürfen Motorräder nur mit Handschuhen gefahren werden, das wird von der Polizei kontrolliert", diesen Rat gibt der Angestellte des Verleihs jedem Kunden mit auf den Weg. Eine erste Runde mit dem nagelneuen, blank polierten Roller rund um den Hafen macht schon einen Riesenspaß. Als Nobelort ist man in Cannes protzige Vehikel gewohnt; vor dem Eingang des Intercontinental parkt gerade sehr auffällig ein Maserati. Die Vespa vor der berühmten Hotelkulisse macht sich jedoch für ein Selfie auch nicht schlecht.

Die Fahrt zum gebuchten Hotel, dem Chalet d’Isere, nur wenige Hundert Meter vom Hafen entfernt, entpuppt sich allerdings als schwierig. Cannes hat praktisch nur Einbahnstraßen. Und das System der verschlungenen Straßen ist sehr schwer zu durchschauen. Die relativ engen, steil ansteigenden Straßen meistert der Roller mit links, er ist auf Geschwindigkeiten bis 120 Stundenkilometer ausgelegt und hat sogar Einspritzmotor und ABS. Ich fahre erst einmal hoch durch die "Suquet", die Altstadt, bis zum Kastell, das für den Autoverkehr gesperrt ist. Ein kurzes Erinnerungsfoto, dann geht es weiter.

In der Markthalle Forville ist die Auswahl, wie in allen französischen Markthallen, immens, die Qualität der Produkte sehr hoch. Ein neuer Stand, der eine alte, fast vergessene Spezialität der Stadt verkauft, macht unter den Einkäufern von Cannes die Runde. In einem Steinofen, den er täglich mit Holz befeuert, brät Thomas Pietri eine Socca. "Achtung, man wird schnell davon süchtig", warnt Pietri die neugierigen Zuschauer gleich. Wie so viele Speisen der Region kommt Socca ursprünglich aus Italien - schließlich gehörte Cannes früher ebenfalls zu Italien.

Das Rezept ist supereinfach: Kichererbsenmehl, Olivenöl, Salz und Wasser werden zu einer Masse gerührt und in einer Pfanne im Ofen gebraten. "Die Socca muss noch ofenwarm sein, wenn sie gegessen wird, und außen kross, und innen saftig sein", rät Pietri. Ein Stück Socca kostet 2,50 Euro und ist üppig mit Pfeffer gewürzt. Montag und Samstag findet an der Allée de la Liberté ein Antiquitätenmarkt statt. Ansonsten ist das Ladenangebot in Cannes eher auf die betuchten Gäste der Luxushotels abgestellt; an der Croisette finden sich alle Edelmarken der Welt.

Jede halbe Stunde fahren die Fähren vom Quai Max-Laubeuf auf die Inseln von Lérins. Viele Bewohner von Cannes nutzen sie für einen Tagesausflug. Auf der waldigen, nur Kilometer langen Ile Sainte Marguerite ist man meilenweit entfernt vom Trubel der Festivalstadt. Die benachbarte Insel Saint Honorat, die ebenfalls per Fähre erreichbar ist, ist noch kleiner. Ein Kilometer ist ihre längste Ausdehnung.

Hier gründete Honoratus, der Sohn eines römischen Beamten, um 400 vor Christus ein Kloster. Um 1070 verstärkten die Mönche die Bauten, um sich gegen Angriffe der Sarazenen zu schützen. Im 19. Jahrhundert kamen dann die Zisterziensermönche, die hier auch den Weinanbau einführten. Heute ist der Wein aus Saint Honorat eine exklusive Rarität. Er hat einen pikanten Nachgeschmack, der zum Teil vom Salz herrührt, das vom Meer auf die Weintrauben weht.

Mein Hotel ist ein kleines Familienhotel, in dem früher der Schriftsteller Guy de Maupassant bis zu seinem Tod im Jahr 1893, da war er 43 Jahre alt, wohnte und schrieb. Wenn man ein wenig in seiner Biografie stöbert, stößt man schnell auf die tragischen Seiten seines Lebens, unter anderem seinen Drogenkonsum und das Leiden an Syphilis, damals noch unheilbar.

Maupassant hatte eine Yacht unten im Hafen, und die Skipper wohnten bei ihm im Haus. Ich nächtige im ehemaligen Speisezimmer des berühmten Literaten. Die Hotelchefin empfiehlt, die "Route Napoleon" zu fahren, die ein Stück hinter Cannes beginnt und bis Grenoble führt. Doch dies ist vorgemerkt für ein andermal. Für dieses Mal soll es die berühmte Küstenstraße, die Corniche de l’Esterel, sein.

Im Frühjahr ist es sonnig und warm in Cannes, die Strände sind noch nicht so voll wie in der Saison. Die Corniche de l’Esterel beginnt gleich hinter dem Ortsausgang des kleinen Städtchens. Sie wurde vor rund 100 Jahren in die Felsen am Ufer geschlagen; die offizielle Bezeichnung lautet N98. Parallel zur Straße liegt auch die Bahnlinie, die ähnlich spektakuläre Aussichten auf sandige Buchten, kleine Yachthäfen und tiefe Felsschluchten bietet.

Auf der rechten Seite sind die großen, roten Felsen des Massif de l’Esterel im Blick, rauhe Berge aus rotem Vulkangestein. Im Tagesverlauf ist diese Straße ziemlich stark befahren, und die wenigen Aussichtspunkte, wo es eine Parkmöglichkeit gibt, sind dann restlos voll. Deshalb empfiehlt sich frühes Aufstehen und Losfahren. Dann ist es noch relativ leer, und das Licht zum Fotografieren ist ebenfalls besser.

Hinter dem Küstenort Théoule-sur-Mer kommt linker Hand eine romantische, auffällig gut erhaltene Burg ins Blickfeld. Die Burg ist das Werk eines amerikanischen Millionärs, der sich vor 100 Jahren in diese Ecke verliebte und sich in den Kopf setzte, an der Stelle der Ruine eine komplette Burg inklusive Parkanlagen stilecht nachzubauen.

Der Amerikaner war Bildhauer, sein Name Henry Clews. In La Napoule geht die Sage, dass Henry sich selbst als "Don Quijote" ansprechen ließ, er fühlte sich wie ein moderner Don Quijote und kleidete sich auch so. Mit seiner Frau gab er gerne glamouröse Parties in seinen Gemächern und lud dazu die europäische Aristokratie ein und einige eingewanderte Amerikaner.

In der Kapelle der Burg fanden Messen statt, Clews war ein sehr sozialer Mensch. Heute sind es eher Selfies, die auf dem gut gepflegten Gelände gemacht werden. Noch schnell einen Café au Lait im Straßencafé, dann geht es wieder auf den gepolsterten Sattel. Nach den Orten La Galère und Miramar kleben auf der rechten Seite exzentrische, fast kugelförmige Häuser am Hang - solch spektakuläre Architektur sieht man in Deutschland leider nur selten.

Am Cap Roux, einer Halbinsel, hat man eine tolle Rundumsicht, hier hatte die Wehrmacht früher eine Stellung. Das "fuchsrote Kap" hat seinen Namen von der untergehenden Sonne, die es in ein dunkelrotes Licht taucht. Man sieht die Iles de Lerins, die Hausinseln von Cannes, auf denen Mönche einen hervorragenden Wein anbauen.

Im Idealfall hat man Badehose oder Bikini sowie ein Strandtuch dabei - denn auf der Strecke gibt es einige schöne Badebuchten, an denen man kostenlos parken und im sauberen Wasser entspannen kann. Mit dem Auto wäre so ein spontaner Halt teuer - die wenigen Parkplätze sind alle kostenpflichtig. Wer es gerne hüllenlos mag: Kurz vor Cap Roux gibt es einen FKK-Strand.

In St. Rafael kann man dann noch einmal wie ein König in Frankreich genießen, etwa im Restaurant El Clodenis. Ich sitze unter Olivenbäumen an einem Tisch am Pool und genieße Speisen im ibizenkischen Stil. Die Rückfahrt nach Cannes beträgt zwar "nur" 40 Kilometer, doch die vielen Kurven und spektakulären Aussichten machen sie zum Erlebnis.