Von der Industrie- zur Kulturstadt
Dabei halfen auch spektakuläre Bauten wie das Guggenheim-Museum. Das überrascht mit einer Ausstellung zu Picassos 50. Todestag.

Von Christian Haas
Flamenco und Sandstrände – Das mag typisch sein für so manche spanische Region, nicht aber für das rund 350.000 Einwohner zählende Bilbao. Im autonomen Baskenland ist nicht nur der (Atlantik-)Wind rauer, sondern auch die Landschaft und manche sagen: der Charakter der Menschen. Anteil daran tragen womöglich die 1970er- und 1980er-Jahre, als die Hafenstadt unter extremer Arbeitslosigkeit litt. Doch dann erlebte Bilbao eine erstaunliche Wende. Werften und Industrieruinen verschwanden, eine Metro tauchte auf. Mit ihr wurden nicht nur die an der Trichtermündung des Nervión verstreuten Stadtteile verbunden, die von Sir Norman Foster geschaffenen, muschelförmigen Metro-Eingänge, "Fosteritos" genannt, avancierten sogar zu Design-Ikonen.
Hintergrund
> Anreise: Von Frankfurt gehen zahlreiche Flüge direkt nach Bilbao. Die Flugzeit beträgt etwas mehr als zwei Stunden.
> Guggenheim Museum: Täglich von 10bis 20 Uhr geöffnet, die Ausstellung "Picasso escultor. Materia y
> Anreise: Von Frankfurt gehen zahlreiche Flüge direkt nach Bilbao. Die Flugzeit beträgt etwas mehr als zwei Stunden.
> Guggenheim Museum: Täglich von 10bis 20 Uhr geöffnet, die Ausstellung "Picasso escultor. Materia y cuerpo" findet vom 29. September 2023 bis 14. Januar 2024 statt; www.guggenheim-bilbao.eus
> Übernachten: Ercilla: Wem das Guggenheim Museum gefällt, wird auch in diesem modernen Viersternehotel seine Freude haben. Nicht nur weil es fußläufig ist, auch wegen hier gezeigter Kunst von Philippe Starck und Ingo Maurer. Im "99 Sushi Bar & Restaurant" nebenan sind ebenfalls Künstler am Werk; www.ercilladebilbao.com
> Weitere Infos: www.bilbao.eusEs entstand eine Reihe von Leuchtturmobjekten: von Santiago Calatravas kreideweißem, lichten Flughafengebäude und seiner grazilen Zubizuri-Brücke über die neo-urbanen Wohntürme des Japaners Arata Isozaki bis zum Palacio Euskalduna. Dieses aus einer unrentablen Werft entstandene Veranstaltungsgebäude, dessen Form an ein Schiff erinnert, wurde 2003 gar zum weltbesten Kongresszentrum geadelt. Das Flaggschiff des Booms stellt jedoch das Guggenheim-Museum für zeitgenössische Kunst dar. Dass es in Windeseile nicht nur zum Wahrzeichen Bilbaos, sondern zu einem der berühmtesten Museen der Welt aufstieg, lag neben den hohen inneren Werten auch am Äußeren. Mit dem schwungvollen Glitzer-Titan-Bau nahm Star-Architekt Frank Gehry 1997 die Zukunft vorweg.
Faszination und Besucherstrom sind ungebrochen, auch dank hochkarätiger Sonderschauen. 2023 steht eine besondere an. Zu seinem 50. Todestag wird dem Meistermaler Pablo Picasso die Ausstellung "Materie und Körper" (im Original: "Picasso escultor. Materia y cuerpo") gewidmet. Lucía Agirre, die als Co-Kuratorin großen Anteil daran hat, freut sich: "Die Auswahl an Skulpturen präsentiert die nahezu unendliche Vielfalt an Sprachen und Materialien, die der Künstler verwendet, um die menschliche Körperform darzustellen." Gut zu wissen: Bei der Ausstellung, die von Ende September bis Mitte Januar im Programm ist, wird das erste Mal Picassos skulpturales Schaffen umfassend in Spanien gezeigt. Darüber hinaus handelt es sich sogar um die erste Picasso-Ausstellung im Baskenland überhaupt.
Wer junge (und wilde) Kultur sucht, findet sie auch in umfunktionierten Lagerhallen bei ZAWP im Zorrotzaurre-Viertel, das mit Livemusik, Workshops und Underground-Kunst aufwartet. Ein weiterer Hotspot für unkonventionelle Boutiquen, Second-Hand-Läden und Bars sind die Siete Calles, das Herz des Altstadtviertels. In den sieben Straßen des Casco Viejo wechseln sich traditionelle und moderne Geschäfte mit zahlreichen Restaurants ab. Mittendrin: der Jugendstil-Musikpavillon des Architekten Pedro Ispizua, in dem jeden Sonntag die städtische Musikkapelle aufspielt.
Weitere Highlights sind die gotische Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert, die Basílica de Nuestra Señora de Begoña, das Teatro Arriaga sowie der fast hundertjährige Mercado de la Ribera. Die mit 10.000 Quadratmetern größte überdachte Markthalle Europas ist so etwas wie die Seele von Bilbao. Dank vieler Lebensmittelstände, Gastronomie, Jazzmusik und einem Gebäudestil, der ohne Pfeiler auskommt. Auf 43 individuell gestaltete Säulen setzte hingegen Top-Architekt Philippe Starck bei der Umgestaltung des Azkuna Zentroa zum Zentrum für zeitgenössische Kunst und Freizeit. Einen einmal igen Blick auf die Stadt ermöglichen die vom Zentrum schnell zu Fuß erreichbaren Hänge, wobei die Wege im hügeligen Hinterland noch eins draufsetzen, und erst recht die Trails an der rauen Küste. Und auch das Meer erreicht man dank Metro schnell – mit den typischen Sandstränden ...