Verzicht macht zufrieden, wenn wir eine spürbare Anstrengung meistern
Bewusst auf etwas zu verzichten, kann überaus zufrieden machen. Es muss dabei nicht unbedingt um Lebensmittel gehen.

Von Constanze Werry
Die Fastenzeit hat begonnen. Eine Zeit, in der traditionell der bewusste Verzicht eine wichtige Rolle spielt. Verzicht? Das klingt erst mal nach Mangel und damit wenig attraktiv. Doch bewusst auf etwas zu verzichten – und das kann so viel mehr sein als bestimmte Lebensmittel – kann überaus zufrieden machen.
> Raus aus der Komfortzone: "Verzicht macht zufrieden, wenn man sein selbst gesetztes Ziel geschafft hat", erklärt die Psychologin Dr. Dörthe Beurer. Deshalb sollte man sich nicht nur überlegen, worauf man verzichten will, sondern auch wie lange – beispielsweise bis Ostern. Wichtig ist außerdem, dass das Ziel realistisch erreichbar ist. Zugleich sollte die Herausforderung auch nicht zu leicht zu meistern sein. "Verzicht muss nicht schmerzhaft sein, aber es muss eine spürbare Anstrengung geben. Nur dann sind wir hinterher stolz auf uns", erklärt Beurer und ergänzt: "Nur wenn wir unsere Komfortzone verlassen, gibt es einen positiven Effekt."
> Die richtige Einstellung: "Ich habe etwas geschafft, ich habe etwas geleistet – mein Handeln zeigt Wirkung. Das ist ganz wichtig, wenn es darum geht, was uns bei Verzicht zufrieden macht", erläutert Dr. Peri Kholghi, Psychologin und systemische Beraterin. Und sie ergänzt: "Man braucht eine gute Motivation – und man sollte sich die Frage stellen: Will ich das oder die Gesellschaft, Kollegen oder vielleicht auch der Partner?"
Auch wie man grundsätzlich an Herausforderungen herangeht, beeinflusst das Ergebnis. Das gilt ganz generell. "In der Psychologie wird zwischen zwei Arten von Zielen unterschieden: Annähern- und Meiden-Zielen", erklärt Beurer. "Bei Annähern-Zielen geht es darum Hin-zu-Ziele zu formulieren. Also sich bewusst zu machen, wo die Reise hingehen soll. Ist das Annähern-Ziel erreicht, sind wir nicht nur froh, sondern empfinden auch Freude und sind Stolz auf uns. Bei Meiden-Zielen wird das Ziel als ,weg von etwas’ definiert, man will etwas vermeiden oder abwenden. Hat man das geschafft, ist man lediglich erleichtert."
> Noch ein positiver Effekt: "Man lernt auf Dauer auch, dass man sich auf sich selbst verlassen kann – Stichwort Resilienz", so Beurer. "Was bleibt, sind Erfahrung und Selbstvertrauen. Neue Gewohnheiten stellen sich ein, dadurch rückt der Verzicht in den Hintergrund. Und wenn man sich immer mal wieder eine neue Challenge vornimmt, gewinnt man dadurch langfristig auch mehr Zuversicht", erklärt Kholghi. Also: Ran an den Verzicht – wer wagt, gewinnt!
> Wie wäre es damit: Wer sich der Herausforderung stellen will, der muss sich im Sinne der Fastenzeit nicht auf Fleisch, Alkohol und Süßigkeiten beschränken. Vielleicht gibt es ja etwas, das man schon lange mal ändern wollte.
Wie wäre es zum Beispiel mit Konsum-Fasten? Oft genug kauft man etwas einfach aus Langeweile heraus – oder um ein vermeintlich schönes Erlebnis zu haben. Doch wie beim Kater stellt sich dann gerne mal hinterher ein schlechtes Gewissen ein. Eine gute Gelegenheit, um beispielsweise die Shopping-Newsletter, die ständig ins E-Mail-Postfach flattern, gleich zu löschen, um die Versuchung zu reduzieren. Und bevor man mit dem Gedanken an eine Neuanschaffung spielt, nimmt man sich vor, erst mal daheim in die entsprechenden Schränke zu schauen.
"Immer lässt du deine Schuhe rumfliegen! Und den Teller hast du auch schon wieder nicht in die Spülmaschine gestellt! Und überhaupt – das geht so einfach nicht!" Wer war nicht schon mal von seinen eigenen Mecker-Tiraden genervt. Selbst aus einer schönen Situation heraus genügt manchmal eine Kleinigkeit und schon wird die Nörgel-Lawine losgetreten. Die Herausforderung ist erst einmal tief durchzuatmen und seine Wortwahl zu überdenken. "Nie" und "immer" können beim Mecker-Verzicht direkt aus dem Wortschatz gestrichten werden. Außerdem kann man sich selbst hinterfragen und überlegen, ob es wirklich die Kleinigkeit ist, die einen gerade stört oder ob nicht vielleicht etwas anderes dahintersteckt.
Mehr Bewegung – besser für die Umwelt? Einfach mal das Auto stehen lassen! Deswegen muss das Auto nicht gleich gänzlich aus dem Alltag verbannt werden. Jeder bestimmt seine Ziele selbst. Wie erwähnt geht es darum, sich ein Ziel zu setzen, das zwar mit Anstrengung verbunden, aber erreichbar ist. Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr bieten gute Alternativen. Und gerade jetzt im beginnenden Frühling fällt das Fahrradfahren auch gar nicht mehr so schwer.
Weitere Ideen, mit denen man sich in Verzicht üben kann: Plastik-Fasten, Ausreden-Fasten, Lebensmittelverschwendung-Fasten, Social-Media-Fasten oder auch Fernseh- und Internet-Fasten.