SAP Walldorf

Betriebsratsvorsitzender hält sich die Tür zum Haustarifvertrag offen

Der IG-Metall-Vertreter Eberhard Schick will keine Schnellschüsse.

09.05.2022 UPDATE: 10.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden
Firmengebäude des Softwarekonzerns SAP in Walldorf. Foto: dpa

Von Matthias Kros

Walldorf. Erstmals steht bei dem Softwarekonzern SAP ein Gewerkschaftsvertreter an der Spitze des Betriebsrats. In der vergangenen Woche wählte das Gremium Eberhard Schick zum neuen Vorsitzenden. Der 55-Jährige gehört der IG-Metall-Liste "Pro Mitbestimmung" an, die bei der Betriebsratswahl Anfang April knapp 20 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Herr Schick, der Sieg der IG Metall bei den Betriebsratswahlen wird gerne als Zeitenwende oder Zäsur beschrieben. Ist das übertrieben?

Ein wenig. Über Nacht ändert sich jetzt jedenfalls nichts, es wird kein Sprung stattfinden und es wird keine Schnellschüsse geben. Um es mal klar zu sagen: Die SAP behandelt ihre Beschäftigten gut und ich sehe im Grundsatz keinen großen Handlungsbedarf.

Eberhard Schick. Bild: SAP

Wie erklären sie sich dann Ihr gutes Abschneiden?

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Ich glaube, die Beschäftigten haben zu den Kandidatinnen und Kandidaten Vertrauen gefasst, die mit der Gewerkschaft eine Institution an ihrer Seite haben, die gute Arbeit macht, gewisse Services und Ratschläge liefert und die für Stabilität im Gremium sorgt. Außerdem wissen sie unsere Kompetenz insbesondere im Entgelt-Bereich zu schätzen.

Zuletzt ist der Betriebsrat oft negativ aufgefallen. Es gab Rücktritte, Kündigungen und Gerichtsprozesse. Hat das den Gewerkschaften geholfen?

Das war sicher einer der vielen Bausteine, die zu dem Ergebnis geführt haben. Wir haben uns jedenfalls nie etwas zu schulden kommen lassen.

Selbst der lange skeptische Mitgründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner hat kürzlich im "Handelsblatt" gesagt, die IG Metall sei ihm lieber als andere Gewerkschaften, da er wenigstens zu einem Gewerkschaftsboss gehen könne, wenn ihm was nicht passt.

Ja, dieses Zitat hat mich sehr gefreut. Wir erleben tatsächlich inzwischen einen sehr rationalen Umgang miteinander, auch mit dem Vorstandsvorsitzenden Christian Klein.

Gewerkschaften wie die IG Metall halten stets Tarifverträge hoch. Werden die SAP-Beschäftigten also bald in das Tarifgefüge der Metall- und Elektroindustrie eingruppiert?

Das ist nicht Gegenstand einer Debatte. Die eine oder andere Tarifregelung ist zwar vielleicht wünschenswert, aber damit ist die Diskussion eigentlich schon erledigt.

Im Vorfeld der Betriebsratswahl hieß es, die IG Metall werde sich für einen Haustarifvertrag bei SAP einsetzen.

Wir gucken uns das an und würden so einen Vertrag dann stark auf SAP zuschneiden. Zunächst wollen wir aber die Belegschaft zu einer Diskussion einladen, wie ein gerechteres und transparenteres Gehaltssystem bei SAP aussehen könnte. Denn ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen, macht das keinen Sinn.

Tatsächlich hat es bei den letzten beiden Gehaltsrunden ziemlich geknirscht.

Da hatten sich viele Beschäftigte mehr gewünscht, ja. Wir wollen uns darum kümmern.

Und wie?

Wir könnten bereits im Herbst überlegen, mit welchen Ansprüchen die Belegschaft in die folgende Gehaltsrunde gehen will und entsprechende Forderungen oder zumindest Korridore formulieren. Das könnten wir als Betriebsrat gut moderieren. Wir werden uns da mit der Gewerkschaft rückkoppeln.

Regelungsbedarf sehen viele Beschäftigte auch bei der Mitte des Jahres geplanten Rückkehr aus dem Corona-bedingten Homeoffice. Andere Unternehmen haben längst Vereinbarungen getroffen, wie das mobile Arbeiten nach der Pandemie aussehen soll.

Als Betriebsrat sagen wir grundsätzlich, dass die Beschäftigten dort arbeiten sollen, wo sie wollen und dass ihnen dadurch keine Kosten entstehen dürfen. Auf der anderen Seite ist aber auch der Zusammenhalt in der Belegschaft wichtig, und das geht nur, wenn man sich physisch regelmäßig sieht. Sonst werden die Netzwerke dünner. Es ist an der Zeit abzufragen, welche Vorstellungen es dazu bei der Geschäftsführung und in der Belegschaft gibt. Einfach zu sagen, dass darüber die jeweiligen Abteilungen selbstständig entscheiden sollen, wird so nicht funktionieren. Mancher Vorgesetzte möchte gerne wieder in den Normalmodus zurückkehren, bei anderen hat sich das Homeoffice eingespielt.

Also braucht SAP eine Betriebsvereinbarung?

Ja, wir sehen hier auf jeden Fall einen Klärungsbedarf und deshalb müssen wir erstmal wissen, welche Arbeitszeitmodelle es geben könnte und was sich die Beschäftigten wünschen.

Sie sind ein Urgestein des Betriebsrats und zählten zu den Gründungsmitgliedern vor 16 Jahren. Hat sich rückblickend der Aufwand gelohnt?

Ich sehe es als großes Glück in meinem Leben, dass ich diesen Betriebsrat mitgründen durfte, und ich glaube, es ist auch gut für SAP gewesen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen uns heute zu schätzen, die Zustimmung liegt nach meiner Einschätzung jenseits der 80 Prozent.

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