Wegen Cloud-Wachstum: SAP baut Rechenzentren aus

Wegen des Wachstums in der Datenwolke muss die Walldorfer SAP ihre Rechenzentren ausbauen - Strom-Verbrauch wie eine Stadt mit 50.000 Einwohnern

26.09.2014 UPDATE: 26.09.2014 06:00 Uhr 3 Minuten, 4 Sekunden
Wer Mietsoftware der SAP nutzt, dessen Daten könnten im Rechenzentrum der SAP in St. Leon-Rot liegen. Firmenbild
Von Daniel Bernock

Walldorf. Das fensterlose Gebäude im Gewerbegebiet von St. Leon-Rot ist rundherum eingezäunt. Um in das Innere zu kommen, müssen mehrere Sicherheitstüren passiert werden. Die letzte öffnet sich erst, wenn der zu der Zutrittskarte registrierte Fingerabdruck auf einen Sensor gehalten wird. Dahinter verbirgt sich sozusagen das Herz der SAP: das größten Rechenzentrum des Konzerns.

Nutzen Firmen oder auch Privatleute sogenannte Cloud-Programme, so hat es für sie einen entscheidenden Vorteil. Die Programme blockieren keinen Platz auf der Festplatte und strapazieren den Arbeitsspeicher nicht. Die Daten scheinen - wie der Name es andeutet - draußen in der Wolke zu liegen. Doch in der Realität braucht jeder Spielfilm, der über das Internet abgespielt wird, jede Cloud-Unternehmenssoftware und jede Datei, die virtuell abgelegt wird, einen physischen Speicherplatz.

Da SAP im Cloud-Bereich stark wächst, müssen auch die Rechenzentren, in denen die Daten der Kunden lagern, ausgebaut werden. Vergangene Woche feierte das Unternehmen in St. Leon-Rot die Fertigstellung einjähriger Aufstockarbeiten. Die Kapazität des Rechenzentrums in der SAP-Allee, das bereits 2000 in Betrieb gegangen ist, wurde dabei mehr als verdoppelt - bei laufendem Betrieb. Wer in Zukunft bei SAP Software mietet, dessen Daten könnten hier in St. Leon-Rot liegen. "Hier kommt die Cloud auf den Boden der Tatsachen", sagte Jürgen Burkhardt bei der Eröffnungsfeier. Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker ist für den weltweiten Betrieb der aktuell 23 "Cloud Data Center" verantwortlich - und stolz darauf, was seine Mitarbeiter in St. Leon-Rot geschaffen haben.

So hat das Rechenzentrum laut Burkhardt nach den Umbauarbeiten eine verbesserte Stromnutzungseffizienz. Nur noch 20 Prozent der Energie werden für die Kühlung und den Betrieb der Anlage verwendet, 80 Prozent stehen für Rechenleistung zur Verfügung. Damit ist das Rechenzentrum laut Burkhardt eines der effizientesten der Welt. Viele andere Anlagen auf der Welt würden zum Teil mehr als 40 Prozent der eingesetzten Energie für die Kühlung nutzen.

Ein "Rechenzentrum im Rechenzentrum" ermöglicht diese Einsparungen. "Früher hat man den gesamten Raum mit den Servern auf 16 Grad Celsius runtergekühlt", erzählt Burkhardt - und damit auch sehr viel Luft. Heute setzt man auf kleinere, räumliche abgeschlossene Boxen im Rechenzentrum, in denen nur die entscheidenden Stellen - der Mittelgang mit den Rechnern - auf etwas über 26 Grad Celsius gekühlt werden. In den Gängen hinter den Serverschränken kann durch die Abluft weit über 30 Grad herrschen.

Die Leistung eines Rechenzentrums wird nicht wie bei Computern zu Hause in Gigahertz angegeben. Die entscheidende Kennzahl ist Megawatt (MW), also die elektrische Leistung, die das Rechenzentrum verbraucht. In St. Leon-Rot liegt diese nun in Summe bei 21 Megawatt. Die Technik, die mehr Arbeitsspeicher und Datenvolumen zur Verfügung stellen würde, ist nicht das Problem für zukünftige Aufstockungen. Die Rechner sind in den letzten Jahren sogar günstiger geworden. Grenzen setzt das Stromnetz. Noch einmal könnte die SAP laut Burkhardt ein solches Rechenzentrum nicht mehr in St. Leon-Rot bauen. Der Energieversorger kann einfach nicht mehr Strom liefern.

Denn der Verbrauch ist gigantisch: Die Energie, die das Rechenzentrum pro Jahr benötigt - rund 86 Millionen Kilowattstunden - entspricht in etwa dem Verbrauch einer Stadt mit 50.000 Einwohnern. Dabei hat die SAP, erzählt Burkhardt, den Stromverbrauch durch eine effizientere Kühlung in den letzten Jahren sogar verringern können - obwohl die Leistung stetig gestiegen ist.

Da ohne das Rechenzentrum die Cloud-Software bei den SAP-Kunden nicht mehr funktionieren würde, spielt das Thema Sicherheit eine ganz wichtige Rolle. Das Brandschutzsystem erkennt sogar, wenn ein Mitarbeiter gerade von einer Zigarettenpause zurückkommt, so Burkhardt. Natürlich würde dann kein Alarm ausgelöst. Es zeige aber, wie genau das System funktioniert.

Falls es doch einmal zu einem Brand kommt, würde natürlich nicht mit Wasser gelöscht. Im Notfall wird der Raum mit dem Gas Inergen geflutet und das Feuer erstickt - für die Menschen bestehe durch das Gas keine Lebensgefahr.

Auch einen Stromausfall kann das Rechenzentrum verkraften. Im Erdgeschoss stehen 13 Dieselmotoren, jeder so groß wie ein Kleinbus. Mit den 250.000 Litern Diesel, die hier in Tanks gelagert werden, kann sich das Rechenzentrum 30 Stunden selbst versorgen. Für die Zeit danach hat die SAP exklusive Lieferverträge mit Versorgern in der Region.

Besonderen Wert legt Burkhardt jedoch darauf, dass nur Berechtigte einen Zugang in das Gebäude haben. Daher soll bald noch eine weitere Sicherheitsschleuse installiert werden. Dass bereits jetzt nur ein exklusiver Kreis in das Rechenzentrum darf, hat in der Vergangenheit auch schon ein Vorstandsmitglied zu spüren bekommen. Vergangenes Jahr, so erzählt Burkhardt, habe einer seiner Mitarbeiter ihn angerufen und erzählt, dass jemand vor der Tür des Rechenzentrums stehe und nicht hereinkomme. Was die Kollegen nicht wussten: Dabei handelte es sich um den damaligen Technik-Vorstand der SAP, Vishal Sikka - mittlerweile ist er nicht mehr bei SAP - der sich das Datenzentrum mal von innen ansehen wollte.

Anm.d.Red.: Durch ein Missverständnis war in einer vorherigen Version irrtümlich von Gigabyte als Maßeinheit für die Leistung von Heim-PCs die Rede. Gemeint waren Gigahertz.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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