Ludwigshafen

BASF-Chef fürchtet bei Gas-Importstopp schwere Krise

Die Sorge in der Wirtschaft wegen möglicher Gas-Versorgungslücken nimmt zu. Unterdessen wurde bekannt, dass Gazprom seine deutsche Tochter aufgibt.

01.04.2022 UPDATE: 02.04.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden
BASF-Chef Martin Brudermüller fürchtet eine schwere Wirtschaftskrise. Foto: dpa

Berlin/Moskau/Ludwigshafen. (dpa) Nach der von Russland verfügten Umstellung der Gas-Zahlungen auf Rubel liefert Russland eigenen Angaben zufolge den Rohstoff weiter in großem Umfang für den Transit durch die Ukraine nach Europa. Am Freitag würden 108,4 Millionen Kubikmeter Gas durch das Leitungssystem gepumpt, sagte der Sprecher des Energieriesen Gazprom, Sergej Kuprijanow, der Agentur Interfax zufolge. Das entspricht fast der vertraglich möglichen maximalen Auslastung.

In der deutschen Wirtschaft gibt es dennoch große Befürchtungen, die Bundesrepublik könnte in eine schwere Krise stürzen. So warnte BASF-Chef Martin Brudermüller für den Fall eines Importstopps oder längerfristigen Ausfalls von Gas- und Öllieferungen aus Russland vor beispiellosen wirtschaftlichen Schäden. "Das könnte die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen", sagte Brudermüller der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Auch die Bau- und Energie-Expertin Lamia Messari-Becker, die die Bundesregierung berät, warnte für den Fall eines Stopps russischer Gaslieferungen vor verheerenden Folgen. "Wenn Grundstoff-Industrien zum Erliegen kämen, würde ein Dominoeffekt entstehen, der nicht mehr aufzuhalten und nur schwer reparabel wäre", sagte sie. Siemens-Energy-Chef Christian Bruch sagte dem "Handelsblatt", bei einem kurzfristigen Boykott seien die negativen Auswirkungen für Deutschland größer als der Effekt auf Russland. Für manche Branchen sei die Gasversorgung existenziell, erklärte er mit Blick etwa auf die Glasindustrie.

Unterdessen wurde am Freitag bekannt, dass sich der Staatskonzern Gazprom überraschend von seiner deutschen Tochter Gazprom Germania trennt. Welche Folgen das für die Gasversorgung in Deutschland hat, war zunächst offen. Laut Bundesnetzagentur war die Gasversorgung in Deutschland am Freitag stabil.

"Am 31. März beendete die Gazprom-Gruppe ihre Beteiligung an dem deutschen Unternehmen Gazprom Germania GmbH und allen ihren Vermögenswerten, einschließlich Gazprom Marketing & Trading Ltd.", teilte der russische Konzern am Freitag auf seinem Telegram-Kanal mit. Weitere Details wurden nicht genannt.

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Die Gazprom Germania GmbH mit Sitz in Berlin ist nach eigenen Angaben ein 100-prozentiges Tochterunternehmen des russischen Energiekonzerns Gazprom und Eigentümerin weiterer Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft. Dazu gehören die Handelsgesellschaften Wingas und WIEH, Astora, Betreiber der größten Gasspeicher Deutschlands in Rehden, und eine Minderheitsbeteiligung am Gastransportunternehmen Gascade.

Über die Strategie hinter dem Abstoßen von Gazprom Germania könne man nur spekulieren, sagte der Gasmarktexperte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool. "Die physischen Assets (Gasspeicher, Gasleitungen) die mit dem Abstoßen von Gazprom Germania aus russischer Sicht verloren gehen, können das Bauernopfer sein, um die Gaslieferverträge neu zu verhandeln." Denn Gazprom Germania halte über die Töchter Wingas und WIEH einen Großteil der Importverträge in der Hand. Die noch bestehenden Importverträge bänden Gazprom Export aktuell noch an Währung, Preis und Menge. "Diese Vertragsbindung könnte nun aufgehoben werden, etwa über das Vehikel einer Insolvenz von Gazprom Germania und ihren mit dem Gashandel befassten Töchtern."

Westliche Staaten wie Deutschland müssen nach russischer Darstellung von Freitag an Konten bei der Gazprombank eröffnen, um weiter Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für "unfreundliche Länder" eingestellt, hatte Präsident Wladimir Putin angekündigt. Die Bundesregierung beharrt jedoch darauf, Zahlungen müssten wie vereinbart in Euro oder Dollar erfolgen. Die genauen Auswirkungen der geänderten Modalitäten blieben trotz zunächst weiterlaufender Lieferungen unklar.

Bei den Unternehmen wird die Entwicklung genau beobachtet. Beim Stahlkonzern Salzgitter hieß es: "Ohne Erdgas keine Produktion von Stahl." Der Politik müsse klar sein, dass von der Produktion wiederum die Energieversorgung und die Energiewende abhingen, sagte ein Konzernsprecher. Bei Mercedes-Benz hieß es, man prüfe ständig Möglichkeiten, Energie einzusparen, und verstärkten nun diese Bemühungen. Der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern Merck erklärte, im Fall einer Energieknappheit erwarte man, "dass wir die notwendigen Ressourcen erhalten, um unsere Produktion und Services im Bereich der kritischen Infrastruktur aufrechtzuerhalten".

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