Ludwigshafen

BASF-Boss will am Stammsitz 2500 Stellen streichen (Update)

Die hohen Energiepreise und die abflauende Konjunktur hatten BASF im vergangenen Jahr dazu veranlasst, einen Sparkurs anzukündigen. Dieser Kurs sieht nun auch Stellenstreichungen vor.

24.02.2023 UPDATE: 24.02.2023 20:29 Uhr 7 Minuten, 33 Sekunden
BASF
Der Chemiekonzerns BASF hat Stellenstreichungen angekündigt.

Von Matthias Kros

Ludwigshafen. Angesichts schrumpfender Gewinne und steigender Energiekosten weitet die BASF ihr Sparprogramm deutlich aus. Neben den bereits im Herbst angekündigten Einsparungen von 500 Millionen Euro in den Bereichen Verwaltung, Service, Entwicklung und Vertrieb plant der Chemiekonzern nun auch die Schließung wichtiger Produktionsanlagen im Stammwerk Ludwigshafen. Weltweit sollen 4200 Stellen wegfallen, kündigte Arbeitsdirektorin Melanie Mass-Brunner bei der Bilanzvorlage am Freitag in Ludwigshafen an. Rund 900 davon wolle man aber anderorts wieder aufbauen, etwa in den Service-Zentren (so genannte Hubs) in Madrid und Berlin, wo die BASF verschiedene Dienstleistungen übergreifend gebündelt hat.

Von den Sparmaßnahmen am härtesten betroffen sein wird der Stammsitz in Ludwigshafen, wo 2500 Stellen gestrichen werden sollen, 700 davon in der Produktion. So schließt der Konzern unter anderem eine der beiden Ammoniak-Anlagen und die Fabrik für das Kunststoff-Vorprodukt TDI. Sie war erst 2018 nach vielen Verzögerungen voll in Betrieb genommen worden und war mit Kosten von einer Milliarde Euro die bislang größte Einzelinvestition der BASF in Ludwigshafen überhaupt. "Das Ende für die nagelneue, modernste TDI-Anlage der Welt betrifft rund 250 Beschäftigte", schimpfte Gunther Kollmuß, der Bezirksleiter der Gewerkschaft IG BCE spricht von einem "unfassbaren Versagen der Geschäftsführung".

Diese will mit den Schließungen die Fixkosten ab Ende 2026 in Ludwigshafen um über 200 Millionen Euro pro Jahr senken. Die Produktion von Ammoniak, das etwa für Dünger gebraucht wird, hatte das Unternehmen schon 2022 gedrosselt. Ersatz soll von Standorten aus dem Ausland kommen.

BASF ist mit einem Anteil von rund vier Prozent der größte industrielle Gasverbraucher Deutschlands. Entsprechend stark macht dem Chemiekonzern die teure Energie derzeit zu schaffen. Im vergangenen Jahr habe die BASF 3,2 Milliarden Euro mehr für Energiekosten ausgegeben als 2021, rechnete Finanzchef Hans-Ulrich Engel vor. Alleine für Erdgas habe man 2,2 Milliarden Euro mehr bezahlt. Von den Mehrkosten für Erdgas entfielen 1,4 Milliarden Euro auf Ludwigshafen, obwohl BASF gut ein Drittel weniger Gas verbraucht habe.

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Hinzu käme die vor allem in Europa schwächelnde Nachfrage nach Chemieprodukten, ausgelöst durch die hohe Inflation und Unsicherheiten wegen des Ukraine-Kriegs, sagte Konzernchef Martin Brudermüller. Das alles werde 2023 seiner Einschätzung nach weiter fortbestehen. Zudem ärgert sich Brudermüller über eine vermeintliche "Überregulierung" in Europa. Die "bürokratischen Genehmigungen" verursachten hohe Kosten.

BASF beschäftigt rund 39.000 seiner weltweit mehr als 111.000 Mitarbeiter am Stammsitz und ist damit der mit Abstand größte Arbeitgeber der Region. Für den Abbau der Stellen kann das Unternehmen nun nicht auf betriebsbedingte Kündigungen zurückgreifen, da diese auf Basis der gültigen Standortvereinbarung ausgeschlossen sind. "Diese Standortvereinbarung ist jetzt viel, viel Wert", zeigte sich der Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat erleichtert. Und daran werde auch nicht gerüttelt, versprach Maas-Brunner. Stattdessen hofft die Arbeitsdirektorin möglichst viele betroffene Mitarbeiter intern in andere Jobs vermitteln zu können. Aktuell seien konzernweit etwa 1000 Stellen unbesetzt. Auch die natürliche Fluktuation könne helfen: BASF rechne ab 2024 mit altersbedingten Abgängen von 1000 Beschäftigten jährlich in den kommenden zehn Jahren, so Maas-Brunner. Auch Abfindungen seien vorgesehen, laut IGBCE sollen zudem Gespräche über Vorruhestandsregelungen geführt werden.

Grundsätzliche Sorgen um das Stammwerk versuchte Brudermüller auszuräumen: "Wir bleiben dem Standort treu, allem Abwanderungsgerede zum Trotz", sagte er. Ziel sei es, dass sich Ludwigshafen künftig auf die Versorgung des europäischen Marktes konzentrieren solle. Ludwigshafen werde sich zum "europaweit führenden emissionsarmen Chemiestandort" entwickeln, darunter mit Wärmepumpen und CO2-ärmeren Wegen der Dampferzeugung.

Im vergangenen Jahr war bei BASF wegen Milliarden-Abschreibungen auf die Öl- und Gastochter Wintershall Dea ein Konzernverlust von 627 Millionen Euro angefallen. Das war weit weniger als von BASF noch im Januar angekündigt. Grund dafür seien geringere Abschreibungen auf Wintershall Dea als gedacht, erklärte Engel. Die BASF-Tochter beklagt eine faktische Enteignung ihrer Beteiligungen in Russland und plant einen vollständigen Rückzug aus dem Land.

Trotz des Verlusts im vergangenen Jahr will BASF genauso viel Geld an die Aktionäre ausschütten wie für 2021. Geplant ist eine Dividende von 3,40 Euro je Aktie. Ein laufendes Aktienrückkaufprogramm hat BASF derweil vorzeitig gestoppt. Damit wappnet sich das Unternehmen für schwierige Zeiten.

Das Budget für die Erfolgsbeteiligung der Beschäftigten sinkt dagegen auf 382 Millionen Euro (Vorjahr: 512 Millionen Euro). Das teilte eine Unternehmenssprecherin mit und skizzierte folgendes Beispiel: Ein Chemikant der Tarifgruppe E6 bei der BASF SE, dessen Leistung die Erwartungen des Unternehmens im vergangenen Jahr voll erfüllt habe, erhalte als persönliche Erfolgsbeteiligung 5664 Euro brutto.

Update: Freitag, 24. Februar 2023, 20.25 Uhr


Sorge um Sparmaßnahmen und Jobabbau bei BASF

Ludwigshafen. (dpa) Auf die angekündigten Sparmaßnahmen beim Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen haben Politiker in Rheinland-Pfalz mit Sorge reagiert.

"Die Nachricht ist natürlich eine unerfreuliche, das ist überhaupt gar keine Frage", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer am Freitag. Es sei aber "gute Tradition" bei BASF, dass solche Schritte sozialpartnerschaftlich abgefedert würden. "Und dass es in anderen Bereichen der BASF eher so aussieht, dass immer mehr Fachkräfte gesucht werden und der Markt, das wissen wir alle, ist sehr schwierig." Trotzdem könne man am Beispiel des Konzerns auch sehen, was Strukturwandel bedeute, so die SPD-Politikerin. "Dass bestimmte Dinge an Standorten nicht mehr getan werden in der Zukunft."

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt sagte: "Es muss uns ein deutliches Warnsignal sein, dass die BASF als eines der wichtigsten Unternehmen in Rheinland-Pfalz solche massiven Einschnitte ankündigt." Deutschland müsse im weltweiten Vergleich wieder wettbewerbsfähiger werden.

"Wir brauchen bürokratieschlanke und schnellere Verfahren auf allen Ebenen und in allen Bereichen, um gerade auch innovationsgetriebenen Unternehmen eine langfristige Perspektive zu geben", appellierte die FDP-Politikerin. "Nur so können wir Wertschöpfung und damit gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze im Land erhalten."

Arbeitsminister Alexander Schweitzer sprach von einem "industriellen Strukturwandel im Zeitraffer, der nicht ohne Folgen für den Arbeitsmarkt bleiben" werde. Mit der Transformationsagentur habe Rheinland-Pfalz frühzeitig ein Angebot etabliert, das Beschäftigte und Unternehmen in der sich wandelnden Arbeitswelt begleite.

"Wir setzen darauf, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei BASF in Ludwigshafen einen sozialpartnerschaftlichen Weg finden, um die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut abzufedern", sagte der SPD-Politiker. "Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels können wir auf hoch qualifizierte Fachkräfte nicht verzichten."

Die CDU Rheinland-Pfalz nannte die Lage für BASF und die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "so ernst wie nie zuvor". "Sollten wirklich 700 Stellen abgebaut werden, brauchen die Beschäftigten schnell neue Perspektiven", sagte CDU-Landeschef Christian Baldauf.

Gerade energieintensive Unternehmen wie die BASF benötigten momentan staatliche Unterstützung. "Alternativ führen die hohen Energiepreise, als Folge des russischen Angriffskriegs, auch in Rheinland-Pfalz zu einer zunehmenden Deindustrialisierung", erklärte Baldauf.

Die Stadt Ludwigshafen nahm die Ankündigungen "mit großer Sorge" zur Kenntnis. "Optimistisch stimmt indes das erneuerte Bekenntnis zum Standort Ludwigshafen", teilte Beigeordneter und Kämmerer Andreas Schwarz mit. Was die Gewerbesteuer betreffe, werde der Schritt "selbstverständlich Auswirkungen auf die Ertragssituation" haben.

"Angesichts der prekären Haushaltssituation Ludwigshafens und des verfestigten strukturellen Defizits in den Bereichen Jugend und Soziales sind die Gewerbesteuereinnahmen natürlich bedeutend", sagte Schwarz. Die Einnahmen würden "auch auf absehbare Zeit" keinen Umfang erreichen, damit die Stadt selbstständig die Schulden abbauen könne.

Die CDU in Ludwigshafen nannte den angekündigten Stellenabbau im örtlichen BASF-Werk "schmerzlich" für die Stadt. "Auf der einen Seite ist es wichtig, dass die BASF ihre globale Stärke erhält, auf der anderen Seite muss der Stellenwert des Stammwerks erhalten bleiben", unterstrich CDU-Stadtratsfraktionschef Peter Uebel. "Ich hoffe sehr, dass die jetzigen Einschränkungen der kurzfristigen Krise geschuldet sind und nicht Teil eines langfristigen Konzeptes, insbesondere im Hinblick auf eine Verlagerung auf den asiatischen Markt."

Die SPD in der pfälzischen Stadt sprach von einer "bitteren Nachricht für Ludwigshafen und die Region". Statt des angekündigten Sparkurses brauche es Investitionen in die Zukunft des Standortes, sagte Ludwigshafens SPD-Parteichef David Guthier. "BASF muss als weltweit größtes Chemieunternehmen in den nächsten Jahren eine Pionierrolle im Auf- und Ausbau von nachhaltigen Produkten einnehmen."

Die Grünen im Rat von Ludwigshafen betonten, die pfälzische Stadt "ist und bleibt der zentrale und wichtigste Standort" für BASF. "Ihn zugunsten des China-Geschäfts zu schwächen, führt in die nächste Falle", sagte Grünen-Stadtratsfraktionschef Hans-Uwe Daumann. "Alle hier wissen, dass die Stadt in vielerlei Hinsicht am Werk hängt."

Wenn 700 Arbeitsplätze entfallen sollten, treffe das viele in der Stadt. "Bei der BASF vermissen wir das Verantwortungsgefühl für Ludwigshafen - die Stadt, die seit 150 Jahren alle Lasten mitgetragen hat, die das Stammwerk seiner Umwelt zumutet", meinte Daumann.

Die Fraktion Grünes Forum und Piraten im Ludwigshafener Stadtrat bedauerte die geplanten Stellenstreichungen. "Gleichzeitig begrüßen wir die Ankündigung der BASF, dass den dort betroffenen Beschäftigten Arbeit in anderen Betrieben angeboten werden soll", teilte der Fraktionsvorsitzende Raik Dreher mit. "Wir hoffen, dass bei einem Ende des Krieges in der Ukraine die Energieversorgung wieder in stabile Bahnen gelenkt wird, so dass sich die aktuellen Verluste durch die hohen Energiepreise verringern werden", erklärte Dreher.

Update: Freitag, 24. Februar 2023, 16.28 Uhr


BASF streicht 2600 Jobs vor allem in Deutschland

Ludwigshafen. (dpa) Der weltgrößte Chemiekonzern BASF reagiert mit dem Abbau von 2600 Stellen weltweit auf die Energiekrise. Rund zwei Drittel davon entfallen auf Deutschland, teilte der Dax-Konzern am Freitag mit. Zudem seien weitere 700 Stellen in der Produktion am Standort Ludwigshafen von Einschnitten betroffen. Derweil stellt sich BASF auf einen deutlichen Ergebnisrückgang im laufenden Jahr ein.

Der Chemiekonzern hatte 2022 wegen der explodierenden Energiekosten in Europa und der abflauenden Konjunktur ein Sparprogramm angekündigt. Damit will das Unternehmen ab 2024 jährlich 500 Millionen Euro außerhalb der Produktion sparen, davon soll die Hälfte im Stammwerk Ludwigshafen realisiert werden. Im Stammwerk beschäftigt der Konzern rund 39 000 seiner mehr als 111 000 Mitarbeiter weltweit. Schwerpunkte der Kosteneinsparungen sind Service-, Unternehmens- und Forschungsbereiche sowie die Konzernzentrale. Im Gegenzug fallen etwa 400 Millionen Euro Kosten für das Sparprogramm an.

BASF als größtem industriellen Gasverbraucher Deutschlands machen die hohen Energie- und Rohstoffkosten zu schaffen. Die Unsicherheiten wegen des Kriegs in der Ukraine, hoher Rohstoff- und Energiekosten in Europa, steigender Preise und Zinsen würden auch 2023 fortbestehen, hieß es. All das werde die weltweite Nachfrage belasten.

"Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung", sagte Vorstandschef Martin Brudermüller. Dazu kämen langsame und bürokratische Genehmigungsverfahren und vor allem hohe Kosten für die meisten Produktionsfaktoren. All dies habe bereits über viele Jahre das Marktwachstum in Europa im Vergleich zu anderen Regionen gebremst. Zusätzlich belasteten jetzt die hohen Energiepreise die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

Im vergangenen Jahr hat BASF den Angaben zufolge 3,2 Milliarden Euro mehr für Energiekosten ausgegeben als im Vorjahr. Alleine für Erdgas musste das Unternehmen 2,2 Milliarden Euro mehr zahlen. Von den Mehrkosten für Erdgas entfielen 1,4 Milliarden Euro auf Ludwigshafen - trotz eines um 35 Prozent geringeren Gasverbrauchs.

Die Maßnahmen in Ludwigshafen würden ab Ende 2026 voraussichtlich zu jährlich über 200 Millionen Euro niedrigeren Fixkosten führen, hieß es. Neben dem Kostensparprogramm ergreife BASF auch strukturelle Maßnahmen. Damit soll das Stammwerk besser für den schärfer werdenden Wettbewerb gerüstet werden. Unter anderem sollen dort eine der beiden Ammoniak-Anlagen und eine Anlage für das Kunststoffvorprodukt TDI sowie Anlagen für Vorprodukte geschlossen werden.

Für das laufende Jahr erwartet BASF Umsätze von 84 Milliarden bis 87 Milliarden Euro nach 87 Milliarden im Vorjahr. Beim operativen Ergebnis (bereinigtes Ebit) rechnet BASF mit 4,8 Milliarden bis 5,4 Milliarden Euro - das wäre ein Rückgang von bis zu 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei erwartet BASF ein schwaches erstes Halbjahr. Die Ergebnissituation dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte mit Aufholeffekten insbesondere in China verbessern.

Im vergangenen Jahr fiel wegen Milliarden-Abschreibungen auf die Tochter Wintershall Dea ein Verlust von 627 Millionen Euro an. Das war weit weniger, als BASF im Januar angekündigt hatte. Da war das Unternehmen noch von einem Verlust von knapp 1,4 Milliarden Euro ausgegangen. Grund dafür seien geringere Abschreibungen auf Wintershall Dea. Die BASF-Tochter beklagt eine faktische Enteignung ihrer Beteiligungen in Russland und plant einen vollständigen Rückzug aus dem Land. 2021 hatte BASF noch rund 5,5 Milliarden Euro verdient.

Trotz eines Verlusts im vergangenen Jahr will BASF genauso viel Geld an die Aktionäre ausschütten wie für 2021. Der Vorstand plane eine Dividende von 3,40 Euro je Aktie. Das eigentlich bis Ende 2023 laufende Aktienrückkaufprogramm hat BASF vorzeitig gestoppt. Anstatt bis zu drei Milliarden Euro seien nur 1,4 Milliarden Euro ausgegeben worden, hieß es. Damit hat das Unternehmen mehr Geld in der Kasse, um etwa zu investieren oder um es in den Konzernumbau zu stecken.

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