Feuerwehren

Das Tatütata kommt aus Philippsburg

Das "Martinshorn" wird dort hergestellt - Das Unternehmen hat einen deutschen Standard etabliert

13.07.2018 UPDATE: 14.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden

Auf Feuerwehr-Autos werden Martin-Hörner meist doppeltönig eingesetzt. Dabei sind die jeweils zwei Hörner mit den Tönen a’ und g’’ leicht unterschiedlich gestimmt. Dadurch entsteht ein Tremolo mit Unter- und Obertönen, was den durchdringenden Warneffekt verstärkt. Foto: Kreutzer

Von Thomas Veigel

Philippsburg. Im badischen Philippsburg sitzt einer jener "hidden Champions", ein "versteckter Marktführer" also, der auf seinem Gebiet mehr oder weniger konkurrenzlos ist. Ein lautmalerisches Wort deutet an, was dieses Unternehmen herstellt: Tatütata.

Genau, es geht um das Martinshorn, das in vielen Ländern der Welt Feuerwehren, Einsatz- und Rettungsfahrzeugen den Weg zum Einsatzort frei machen soll. Das als eingetragenes Warenzeichen geschützte "Martin-Horn" wird in der Deutschen Signal-Instrumentenfabrik Max B. Martin gebaut.

In Deutschland ist "fast jedes" große Feuerwehrauto mit dem Martin-Horn ausgestattet, sagt Martin Brender, der das Unternehmen seit 1990 in der vierten Generation leitet, im Gespräch mit der RNZ. Die Martin-Hörner sind auf der ganzen Welt im Einsatz, bis zu 4500 werden jedes Jahr hergestellt und verkauft. 30 bis 40 Prozent der Produkte werden exportiert.

Der Ururgroßvater von Brenders Frau Viola, Max. B. Martin, hat das Unternehmen 1880 in Markneukirchen in Sachsen gegründet. Nach der Enteignung in der DDR im Jahr 1950 siedelte sich das Unternehmen in Philippsburg an und hat heute 45 Mitarbeiter.

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Gefertigt wurden in den Anfangsjahren Hörner, Trompeten und Fanfaren für zwei- oder viertönige Signale. Berühmt wurde die sogenannte Kaiserfanfare, deren viertöniges (b’ es’ g’’ b’’) Signal "bald hier, bald dort" ein Fahrzeug der kaiserlichen Familie ankündigte.

Die Kaiser-Fanfare und andere Martin-Trompeten, auch Schalmeien genannt, werden bis heute produziert, außerdem Ball-Hupen und Signal-Hörner für alle möglichen Einsatzgebiete, vom Schiff über Industrieanlagen bis zur Eisenbahn.

Das Martin-Horn wurde seit den 1920-er Jahren zusammen mit Feuerwehr- und Polizeidienststellen entwickelt. Seit 1932 ist es als "Sondersignal für bevorrechtigte Wegbenutzer" gesetzlich vorgeschrieben. Es ist beschrieben als eine "Warnvorrichtung mit einer Folge verschieden hoher Töne".

Seit dieser Zeit besteht die geschützte Wortmarke "Martin-Horn". Es ist zu einem Synonym für Folgetonhörner geworden - ein deutscher Standard. Als "Martinshorn" hat es sich umgangssprachlich auch für Signalhörner anderer Firmen und Bauarten durchgesetzt.

In Deutschland besteht der Zweiklang aus den beiden Tönen a’ und g’’ - eine reine Quart, wie sie zum Beispiel in den Anfangstakten von Mozarts kleiner Nachtmusik erklingt, allerdings mit anderen Tönen (d’’ und g’’). Das aufsteigende Thema am Beginn von Mozarts Serenade Nr 13 ist übrigens eine "Mannheimer Rakete".

An Tatütata denkt man bei Mozart allerdings nicht, der Ton der Streicher ist zu verschieden von dem der Hörner. Zum historischen Ursprung des Martin-Horn-Zweiklanges gibt es mehrere Hypothesen. Eine führt die Klangfolge auf das Hornsignal der Kavallerie für "Straße frei!" zurück. Mit diesem Signal wurden berittene Einheiten aufgefordert, die genutzte Straße jeweils für ein Überholen oder einen Vorbeiritt von anderen Kräften frei zu machen. Hier entsprach die grundsätzliche Bedeutung des Signals also der des Folgetonhorns.

Martin Brender sagt, dass der Zweiklang in jahrelangen Versuchen entwickelt wurde und dass das bis heute gültige Signal als das am besten geeignete ausgewählt wurde.

Die Martin-Hörner auf den Löschautos der Feuerwehr bestehen meistens aus vier Hörnern mit zwei Mal eingestrichenem a und zwei Mal zweigestrichenem d. Dabei wird ein a im Philippsburger Akustiklabor mit 435 Hertz und das andere mit 450 Hertz gestimmt, beim d sind es 580 und 600 Hertz.

Diese leicht unterschiedliche Stimmung ergibt ein Tremolo und sorgt für einen zusätzlichen Warneffekt. Außerdem sind diese Hörner schon von weitem zu hören. Nicht nur, weil sie sehr laut sind - in einem Meter Abstand entwickeln sie einen Schalldruck von 125 Dezibel.

"Man hört auch genau, woher der Ton kommt", sagt Martin Bender. Das liege daran, dass der durch Druckluft und eine schwingende Membran in einem vernickelten Schallbecher aus Messing erzeugte Ton von Büschen und Bäumen nicht abgelenkt wird. "Ein Martinshorn bleibt bestehen". Ein Feuerwehr-Auto hört man im Freien über viele Kilometer.

Polizei-Autos hört man oft nicht so gut, weil sie ihren Warnton elektronisch erzeugen. Der ist nicht so laut, vor allem aber nicht so durchdringend, er wird von Hindernissen "gebrochen". In einem gut gedämmten Auto hört man das Warnsignal der Polizei-Autos oft spät oder gar nicht, wenn man Musik hört. Bei den elektronischen Einsatzhörnern gibt es auch höher und tiefer gestimmte - für den Einsatz in der Stadt und auf dem Land.

Feuerwehrautos und auch Rettungsfahrzeuge sind meistens sowohl mit Martinshörnern als auch mit elektronischen Signalen ausgestattet. Die "richtigen" Hörner werden oft erst dann eingesetzt, wenn "an einer Kreuzung der Verkehr weggeblasen werden muss", wie es ein Einsatzleiter formuliert. Denn sie sind auch für die Ohren der Insassen des Einsatzfahrzeugs eine Belastung.

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