Curevac

Warum Dietmar Hopp die Hoffnung nicht aufgibt (Update)

In dem Corona-Impfstoffkandidaten der Tübinger Pharmafirma Curevac lag viel Hoffnung. Neueste Daten zur Wirksamkeit sind enttäuschend. Anleger an der Börse reagieren deutlich. SAP-Mitgründer Hopp glaubt weiter an Curevac

17.06.2021 UPDATE: 17.06.2021 13:36 Uhr 6 Minuten, 43 Sekunden
Dietmar Hopp ist Hauptaktionär von Curevac. Foto: dpa

Von Matthias Kros, Sebastian Schlenker und Michel Winde

Heidelberg/Tübingen. Trotz des empfindlichen Rückschlags bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs will sich SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, Hauptaktionär von Curevac, nicht entmutigen lassen. "Ich bin zuversichtlich, dass Curevac erfolgreich sein wird", sagte er der RNZ und schloss sich einer Einschätzung von Friedrich von Bohlen, Geschäftsführer der Heidelberger Dievini Hopp Biotech Holding, in der er seine Biotechnologie-Beteiligungen gebündelt hat, "voll und ganz" an. "Die gestern bekannt gegebenen Interimsdaten sind für uns alle noch nicht zufriedenstellend", hatte dieser zwar gegenüber der RNZ eingeräumt. "Sie zeigen jedoch, dass auch Curevacs mRNA-Impfstoff wirkt".

Die Daten seien allerdings in den letzten Monaten in einem "massiv veränderten pandemischen Geschehen erhoben" worden, das durch eine große Vielzahl zunehmender Varianten dominiert werde, so der Geschäftsführer. "Gegen alle diese Varianten zu schützen, stellt eine große Herausforderung dar", sagte er. Curevac wird nun wie geplant die Studie fortführen und damit weitere Daten für die finale Analyse erhalten und auswerten. "Wir sind zuversichtlich, dass auch Curevacs mRNA-Impfstoff einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Eindämmung und Bekämpfung der Pandemie leisten wird".

Hopp hält über Dievini knapp die Hälfte der Curevac-Anteile. Er war bei der Impfstoff-Entwicklung von Curevac zunächst sehr optimistisch gewesen und hatte eine Zulassung sogar bereits im Herbst 2020 für möglich gehalten. Als das nicht zu halten war, sagte er, dass Curevac vielleicht nicht am schnellsten sei, aber doch den besten Impfstoff liefern werde.

Am Dienstagabend war bekanntgeworden, dass die Wirksamkeit des Curevac-Impfstoffkandidaten CVnCoV einer Zwischenanalyse zufolge deutlich geringer ausfällt als bei anderen bereits zugelassenen Corona-Impfstoffen. Wie das Unternehmen in einer Pflichtbörsenmitteilung bekanntgab, zeigt der Impfstoff eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung "jeglichen Schweregrades". Damit habe er die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erfüllt.Für die anderen in der EU verwendeten Impfstoffe sieht der Wert weitaus besser aus. Beim Präparat von Biontech/Pfizer zum Beispiel zeigten Daten aus Israel, dass Menschen mit vollem Impfschutz verglichen mit Ungeimpften eine um mehr als 90 Prozent verringerte Wahrscheinlichkeit für symptomatische Verläufe, also eine Covid-19-Erkrankung, haben.

Auch interessant
RNZ-Corona-Podcast: Die Lehren aus zwei Jahren Corona-Pandemie und ein Ausblick auf den Herbst (Folge 101)

Der Curevac-Impfstoffkandidat ist schon seit Dezember in der finalen und zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Während mehrere Konkurrenten ihre Vakzine auf den Markt gebracht haben, sammelt Curevac nach wie vor Daten. Wann und ob mit der nun bekanntgegebenen Wirksamkeit eine Zulassung des Impfstoffs möglich sein wird, ist unklar.

Die enttäuschenden Zwischenergebnisse zur Wirksamkeit des Curevac-Impfstoffes haben vorerst keine Folgen für das Prüfverfahren bei der Europäischen Arzneimittelbehörde. Es gebe keine harte Mindestgrenze bei der Wirksamkeit, erklärte die EMA am Donnerstag in Amsterdam. Vor einer Bewertung müssten alle Ergebnisse vorliegen.

Das Curevac-Präparat ist Teil der EU-Impfstoffstrategie, über die auch Deutschland seine Dosen bezieht. Die Bundesregierung sieht die deutsche Impfkampagne dennoch nicht gefährdet. "Eine Auswirkung auf das Tempo unserer Impfkampagne hat diese Mitteilung nicht", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Auch die EU-Kommission geht weiter davon aus, dass bis Ende Juli genügend Impfdosen geliefert werden könnten, um den EU-Staaten die Impfung von 70 Prozent ihrer erwachsenen Bevölkerung zu ermöglichen.

Das Gesundheitsministerium rechnet derzeit nicht mehr mit Lieferungen von Curevac. Ursprünglich hatte der Bund allerdings auch diesen Impfstoff eingeplant. Nach Lieferprognosen vom März erwartete das Gesundheitsressort für das gesamte Jahr 323,7 Millionen Impfdosen – 24,5 Millionen davon sollten von Curevac kommen.

Anfang des Jahres hatte sich das Tübinger Unternehmen für die Produktion ein Partnernetzwerk aufgebaut, dem unter anderem Bayer und Glaxo Smith Kline angehören. Zu den Partnern, die wichtige Fertigungsschritte für den Impfstoff abdecken sollen, gehören unter anderem Wacker Chemie, Novartis und die Celonic Group.

Letztere hatte Ende März angekündigt, mehr als 100 Millionen Corona-Impfdosen in Heidelberg herstellen lassen zu wollen, davon mehr als 50 Millionen noch dieses Jahr. Das Unternehmen mit Sitz in Basel hat einen Standort in Heidelberg. Dort sollte noch im zweiten Quartal eine seit 2018 geplante, 4500 Quadratmeter große Erweiterung der Produktionsfläche in Betrieb gehen. Die Anlage werde mit großem Aufwand für die Vakzinproduktion umgebaut, hatte das Unternehmen erklärt, seither aber keinerlei weitere Details preisgegeben.

Welche Auswirkungen die schlechten Curevac-Testergebnisse auf die Celonic-Pläne in Heidelberg haben, blieb am Donnerstag offen. Er werde sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu dem Thema äußern, sagte Konstantin Matentzoglu, CEO von Celonic, auf RNZ-Anfrage.

Der Bund hält auch nach dem Rückschlag an seiner Beteiligung an dem Unternehmen fest. "Mit der Beteiligung an Curevac verfolgte und verfolgt die Bundesregierung gesundheits- und industriepolitische Ziele", erklärte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag. Es gehe nicht nur darum, mehr Impfstoffproduktion in Deutschland und Europa anzusiedeln, sondern auch um Forschungsaktivitäten.

Für die mRNA-Technologie, die auch bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna zum Einsatz kommt, gebe es vielfältige Anwendungsbereiche, etwa in der Krebsbekämpfung, betonte eine Sprecherin.

Curevac sieht trotz enttäuschender Zahlen gute Chancen auf Zulassung

Trotz enttäuschender Zahlen zur Wirksamkeit seines Corona-Impfstoffs sieht der Tübinger Hersteller Curevac gute Chancen auf eine Zulassung. Vorstandschef Franz-Werner Haas zeigte sich am Freitag überzeugt, den Impfstoff auch bei geringer Wirksamkeit zur Zulassung bringen zu können. Der Leiter der Impfstoff-Studie, Peter Kremsner, betonte, er sehe Curevac weiter in der Spitzengruppe der Covid-Vakzin-Hersteller. Investor Dietmar Hopp und der Bund als Anteilseigner kündigten an, an dem Unternehmen festhalten zu wollen.

Curevac-Studienleiter Kremsner zeigte sich am Freitag optimistisch, den Impfstoff trotz der enttäuschenden Ergebnisse einer Zwischenanalyse zur Einsatzreife bringen zu können. "Aus meiner Sicht wird das nicht in den nächsten Wochen gelingen", sagte Kremsner dem Radiosender Bayern 2. "Aber es wird möglich sein, den Impfstoff so aufzubereiten, dass er sehr wirksam sein kann."

Der Impfstoff stehe zu Unrecht in der Kritik, sagte Vorstandschef Haas. Kein anderes Vakzin sei an so vielen Virusvarianten getestet worden. Es sei daher "faktisch eigentlich nicht korrekt", die Zahl vom Mittwoch mit denen zur Wirksamkeit anderer Impfstoffe zu vergleichen, sagte Haas. "Die Zahlen zur Wirksamkeit der anderen Impfstoffe sähen vermutlich anders aus, wenn man deren Studien zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt hätte."

Auch eine relativ geringe Wirksamkeit solle aber einer Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA nicht im Wege stehen, betonte Vorstandschef Haas am Freitag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Angesichts der Pandemie kann es nur heißen: Wenn es einen wirksamen Impfstoff gibt, sollte dieser auch zum Einsatz kommen", sagte Haas. Er verwies dabei auch auf viele Entwicklungsländer, in denen bislang kaum oder gar keine Corona-Impfstoffe verfügbar sind. Nach Angaben der EMA gibt es bei der Zulassung keine harte Mindestgrenze bezüglich der Wirksamkeit.

Curevac hatte am Mittwochabend mitgeteilt, dass sein Vakzin nur eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung "jeglichen Schweregrades" zeigt. Damit habe es die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erfüllt. Diese Mitteilung hatte einen drastischen Sturz des Börsenkurses von Curevac ausgelöst.

Aus finanzieller Sicht habe sich im operativen Geschäft und bei der Liquidität aber "seit Mittwoch nichts geändert", sagte Vorstandschef Haas am Freitag. Curevac-Investor Dietmar Hopp und der Bund als Anteilseigner kündigten trotz der enttäuschenden Zahlen an, an dem Unternehmen festhalten zu wollen. "Ich bin zuversichtlich, dass Curevac erfolgreich sein wird", sagte Hopp der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Freitag). Dem Portal merkur.de sagte er, er bleibe "auf alle Fälle als Investor erhalten". Er glaube "felsenfest an das Unternehmen".

Das Tübinger Unternehmen möchte in den kommenden zwei bis drei Wochen die Analyse der Daten aus der finalen Studienphase abschließen. Dabei werde sich die Wirksamkeit des Impfstoffs nochmals verändern, zeigte sich Haas überzeugt. Sobald dies abgeschlossen sei, werde Curevac mit der EMA beraten, ob weitere Daten nötig seien.

Update: Freitag, 18. Juni 2021, 13.36 Uhr


Curevac enttäuscht mit geringer Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs

Tübingen. (dpa) Das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac hat bei der Entwicklung seines Corona-Impfstoffs einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten CVnCoV fällt einer Zwischenanalyse zufolge deutlich geringer aus als bei anderen bereits zugelassenen Corona-Impfstoffen. Der Bund sieht deshalb jedoch keine Auswirkungen auf die deutsche Impfkampagne.

Wie das Unternehmen am Mittwochabend in einer Pflichtbörsenmitteilung bekanntgab, zeigt der Impfstoff eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung "jeglichen Schweregrades". Damit habe er die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erfüllt.

Für die anderen in der EU verwendeten Impfstoffe sieht der Wert weitaus besser aus. Beim Präparat von Biontech/Pfizer zum Beispiel zeigten Daten aus Israel, dass Menschen mit vollem Impfschutz verglichen mit Ungeimpften eine um mehr als 90 Prozent verringerte Wahrscheinlichkeit für symptomatische Verläufe, also eine Covid-19-Erkrankung, haben.

Der Curevac-Impfstoffkandidat ist schon seit Dezember in der finalen und zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Während mehrere Konkurrenten ihre Vakzine auf den Markt gebracht haben, sammelt Curevac nach wie vor Daten. Wann und ob mit der nun bekanntgegebenen Wirksamkeit eine Zulassung des Impfstoffs möglich sein wird, ist unklar.

Die Bundesregierung hatte den Curevac-Impfstoff ursprünglich in der Impfkampagne eingeplant, auf der jüngst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste der Lieferplanungen war das Präparat aber nicht aufgeführt. Ein Sprecher des Ministeriums teilte am Donnerstag mit, die Curevac-Mitteilung habe keine Auswirkung auf das Tempo der deutschen Impfkampagne. Zuletzt hatte die Plattform "Business Insider" berichtet, in internen Lieferprognosen der Bundesregierung habe es noch Ende Mai geheißen, dass von Curevac bis Jahresende eine zweistellige Millionenmenge an Impfstoffdosen erwartet werde.

Der Börsenwert von Curevac hat sich am Donnerstag mehr als halbiert. Vorbörslich brachen die Titel beim Broker Lang & Schwarz um 56 Prozent ein auf 34,75 Euro. Zuletzt hatte die Firma ihre Aktionäre angesichts der massiven Zeitverzögerung immer wieder vertröstet. Bis Anfang Juni hatte es geheißen, das Unternehmen erwarte - abhängig von den klinischen Studiendaten - die Zulassung seines Impfstoffs in der EU zumindest noch bis Ende Juni. Doch kurz darauf wurde bekannt, dass sich das Verfahren weiter verzögern werde. Im Frühjahr 2020 war ein Chefentwickler für den Corona-Impfstoff für längere Zeit ausgefallen.

An Curevac ist auch der Bund indirekt über die KfW zu 16 Prozent beteiligt, wie die Förderbank mitteilte. Auf diese Weise wollte Berlin das Unternehmen gegen eine mögliche Übernahme aus dem Ausland absichern. Den größten Anteil am Unternehmen hält der SAP-Mitbegründer und Investor Dietmar Hopp.

Zur Frage, wie es mit dem bisherigen Impfstoffkandidaten nun weitergehen soll, äußerte sich Curevac in der Mitteilung nicht im Detail. Allerdings lud das Unternehmen "interessierte Parteien" für Donnerstag (14.00 Uhr) zu einer Telefonkonferenz ein.

Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas teilte mit, man habe auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft. Man wolle die laufende Studie aber dennoch bis zur finalen Analyse fortsetzen. "Die endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern."

Das Präparat des Tübinger Unternehmens Curevac, das mit dem Pharmakonzern Bayer kooperiert, ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff - wie die von Biontech/Pfizer (Deutschland/USA) und Moderna (USA).

Curevac arbeitet bereits in Zusammenarbeit mit dem britischen Pharmaunternehmen Glaxosmithkline an einer zweiten Generation seines Impfstoffs. Diese soll besser vor Virusvarianten schützen und ab dem dritten Quartal 2021 in ersten klinischen Studien getestet werden.

Update: Donnerstag, 17. Juni 2021, 15.46 Uhr