Industrie der Region sorgt sich um Arbeitsplätze
Unternehmen bauen stellen ab. Die Ludwigshafener bleiben dennoch mit Abstand größter Arbeitgeber.

Von Matthias Kros
Walldorf/Ludwigshafen/Mannheim. Seit der Ukraine-Krieg die Energiekrise in Deutschland verursacht hat, befürchten viele Menschen ein Industriesterben. Hohe Preise für Gas und Strom könnten große Unternehmen aus dem Land treiben. Hinzu kommen Zweifel, dass die Energiewende hierzulande schnell genug gelingt und die Wirtschaft nicht kostenmäßig zu sehr belastet. Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar, beispielsweise hat bereits mehrfach seine Sorge geäußert, dass es zu einem "schleichenden" Verlust von Industriearbeitsplätzen kommen könnte.

Bei Standortinvestitionen müssten Unternehmen genau rechnen und würden in Zukunft womöglich eher Ländern mit günstigeren Energiepreisen den Vorzug geben. In vorderster Reihe klagt derzeit die Chemiebranche: Viele Unternehmen schrieben Verluste und erwägten, mindestens Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern, berichten der Verband der chemischen Industrie (VCI) aus Umfragen. Der Bund müsse dringend gegensteuern.
Auch in der traditionell starken Industrie-Landschaft der Rhein-Neckar-Region, die schon vielen Krisen getrotzt hat, stehen im laufenden Jahr schmerzliche Sparprogramme an. Am härtesten trifft es wohl die Belegschaft des Chemiekonzerns BASF. Angesichts schrumpfender Gewinne und steigender Energiekosten sollen weltweit rund 4200 Stellen wegfallen, hatte Arbeitsdirektorin Melanie Mass-Brunner Ende Februar in Ludwigshafen angekündigt. Allein am Stammsitz in Ludwigshafen sollen 2500 Stellen gestrichen werden, 700 davon in der Produktion.
So schließt der Konzern unter anderem eine der beiden Ammoniak-Anlagen und die Fabrik für das Kunststoff-Vorprodukt TDI. Sie war erst 2018 nach vielen Verzögerungen voll in Betrieb genommen worden und war mit Kosten von einer Milliarde Euro die bislang größte Einzelinvestition der BASF in Ludwigshafen überhaupt. Einziger Trost ist, dass betriebsbedingte Kündigungen in Ludwigshafen laut der laufenden Standortvereinbarung bis Ende 2025 ausgeschlossen sind. Und an diesem Pakt wird auch nicht gerüttelt.
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Klar ist darüber hinaus, dass die BASF auch nach dem Stellenabbau der mit Abstand größte Arbeitgeber der Region bleiben wird. Die Nummer 2, der Softwarekonzern SAP holt zwar beständig auf. Der Abstand zwischen beiden ist aber nach wie vor riesig. Zudem haben aktuell auch die Walldorfer einen Stellenabbau angekündigt.
Weltweit werden 3000 Arbeitsplätze verschwinden, die deutschen Standorte, wo weniger als 200 Kollegen gehen sollen, kommen allerdings vergleichsweise glimpflich davon. Unter dem Strich dürfte deshalb am Jahresende wieder ein Plus bei der Belegschaft in Deutschland stehen, wenn auch nicht so üppig wie in den Vorjahren.

In der Rangfolge der größten Arbeitgeber der Region hat sich auf den ersten fünf Plätzen übrigens nichts getan. Die letzte Veränderung war hier vor etwa zwei Jahren, als der Pharmakonzern Roche an Daimler Truck vorbeizog und zu Mannheims größtem Arbeitgeber avancierte. Der Abstand zwischen beiden dürfte in diesem Jahr sogar noch etwas größer werden. Anfang März hatte die Daimler-Truck-Tochter Evobus angekündigt, einen Teil der Produktion ins Ausland zu verlagern und deshalb 650 Arbeitsplätze in Mannheim zu streichen. Und auch im Mannheimer Lkw-Bereich, der auf den Bau von konventionellen Verbrennermotoren ausgerichtet ist, dürfte es in den kommenden Jahren nicht unbedingt zu einem Stellenaufbau kommen.
Der Abstand zum Sechstplatzierten in der Rangliste, der Weinheimer Unternehmensgruppe Freudenberg, dürfte also weiter sinken. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Beschäftigten am Stammsitz wieder über 4000 an, in der gesamten Rhein-Neckar-Region sind es rund 5300. Die Zuwächse sind allerdings zum einem großen Teil Übernahmen zu verdanken. Zuletzt kam beispielsweise das Spezialchemieunternehmen Surtec International GmbH aus Bensheim neu hinzu.
Auf dem siebten Platz findet sich die traditionsreiche Heidelberger Druckmaschinen AG wieder, die seit Jahren Personal abbaut – und zwar in der Region und weltweit gleichermaßen. Insgesamt liegt die Zahl der Beschäftigten inzwischen bei weniger als 10.000. Vor gut zehn Jahren waren es noch mehr als 15.000. Allein beim jüngsten Sparprogramm, das Ende 2020 verkündet worden war, gingen weltweit etwa 1600 Arbeitsplätze verloren. Inzwischen scheint bei Heideldruck aber der Boden erreicht. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, in manchen Bereichen stellt das Unternehmen sogar wieder ein. Neue Standbeine wie die Produktion von Heimladestationen für Elektroautos (Wallboxen) sind gefunden.
An Bedeutung verloren hat als Arbeitgeber in der Region auch der Technologiekonzern ABB. Mit der Schließung von Ladenburg sank zuletzt sogar die Zahl der Standorte. In Mannheim und Heidelberg kommt ABB noch auf etwa 3000 Beschäftigte. Seit der Fusion vor mehr als 30 Jahren von BBC und Asea zur heutigen ABB sank die Beschäftigtenzahl in Deutschland von 36.000 auf weniger als 10.000. Das größte Produktionswerk der ABB in Deutschland findet sich übrigens in Heidelberg (Stotz). Hier ging die Mitarbeiterzahl zuletzt sogar etwas in die Höhe