Im Sommer sollen hier rundum bunte Blumen blühen: So stellt sich die Landwirtin Karin Keßler, der das Land rund um den neuen EU-Mittelpunkt gehört, die Gestaltung des Areals vor, das die Kommune auch mit Fahenmasten geschmückt hat. Foto: AFP
Von Yann Schreiber
Gadheim. Nach Jahren immer neuer Verschiebungen des Brexits können im unterfränkischen Gadheim am Freitag die Sektkorken knallen. Mit dem Abschied der Briten aus der Europäischen Union wird der Ortsteil von Veitshöchheim der neue geografische Mittelpunkt der Europäischen Union. Bürgermeister Jürgen Götz schwankt angesichts der künftigen Rolle zwischen Stolz und Verdruss – der Stolz gilt dem neuen Status, der Verdruss dem Abschied Großbritanniens.
"Dieser Punkt wird zukünftig der neue geografische Mittelpunkt der EU sein," sagt Götz und zeigt dabei auf einen rot-weißen Markierungsstab, den die Gemeinde auf einem Felsbrocken anbringen ließ. Es sei natürlich "etwas Historisches", sagt Götz. Historisch, "weil es das erste Mal ist, dass der EU-Mittelpunkt sich verändert, weil ein Land austritt", sagte Götz.
Das belgische Viroinval, Kleinmaischeid in Rheinland-Pfalz, Gelnhausen-Meerholz in Osthessen und zuletzt Westerngrund im fränkischen Landkreis Aschaffenburg: Im vergangenen Vierteljahrhundert wurden all diese Orte nur geografischer Mittelpunkt der EU, weil die Gemeinschaft immer weiter wuchs.
Dass es dieses Mal anders ist, bedauert nicht nur der Veitshöchheimer Bürgermeister. Auch Karin Keßler hat gemischte Gefühle bei der Verlegung des EU-Mittelpunkts. Ihr gehört der Acker, auf dem dieser liegt. Keßler erinnert an ihren mit 93 Jahren verstorbenen Vater, der als Soldat im Zweiten Weltkrieg kämpfen musste und deshalb die EU als Friedensbündnis schätzte – den Ausstieg der Briten habe er nie verstanden.
Landwirtin Keßler will aber nun das Beste aus der besonderen Ehre machen. "Der Mittelpunkt der EU, das ist ja schon etwas ganz Tolles." Sie verpachtet einen Teil ihres Ackers an die Gemeinde. Das Grundstück ist schon lange für Besucher hergerichtet, Fahnenmasten stehen dort.
Die Ackerfläche daneben will Keßler neu gestalten. Dort sollen Blumenwiesen entstehen. Paten können für 40 Euro je hundert Quadratmeter mieten, sie sät dort eine Saatmischung für eine Insektenwiese aus. Das wolle sie im Sinne der Insekten- und Artenvielfalt machen, die in Bayern beim Volksbegehren unter dem Motto "Rettet die Bienen" vor einem Jahr so stark diskutiert wurde.
Geht die Saat wie geplant auf, ist der neue Mittelpunkt der EU also in Zukunft umgeben von bunten Blumen und wird umschwirrt von unzähligen Insekten. Dieser lebendige Eindruck dürfte sich dann bei den vielen Touristen einprägen, die sie in Gadheim erwarten. Am bisherigen Mittelpunkt Westerngrund kamen nämlich immer wieder Touristen vorbei.