Auch Thilo Fischer, Betriebsratschef am Knorr-Standort Heilbronn, gehörte zu den Rednern bei der Abschlusskundgebung auf dem Kiliansplatz. Foto: Brigitte Fritz-Kador
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Etwa 1000 Demonstranten haben am Samstag in Heilbronn gezeigt: "Wir sind Knorr". Die von Knorr-Eigner "Unilever" angekündigten einschneidenden Sparmaßnahmen gefährden den Standort Heilbronn mit derzeit etwa 700 Beschäftigten (zur Jahrtausendwende waren es noch 1600) existenziell. Heilbronn ist aber nicht nur "irgendein Knorr-Standort", sondern "ein starkes Stück Heilbronn", wie Oberbürgermeister Harry Mergel als einer der Redner bei der Abschlusskundgebung auf dem Kiliansplatz sagte. Zuvor hatte sich der Zug der Demonstranten vom Werk in Sontheimerstraße zur Innenstadt begeben.
Vor rund 180 Jahren begann die Geschichte "Knorr" in Heilbronn – Nachkommen der Unternehmerfamilie leben immer noch hier. Dass die Rednertribüne von zwei "Knorr-Erbswürsten" eingerahmt war, hatte auch symbolische Bedeutung: Dieses Erfolgsprodukt, eines der ersten Fertigprodukte überhaupt, aus Heilbronn kommend, bewahrte tausende Soldaten vorm Hungertod. Selbst im Burenkrieg wurden damit Schlachten gewonnen, auf Knorr-Suppen und Krupp-Kanonen war immer Verlass.
Jetzt sieht es also so aus, als ziehe man ins letzte Gefecht. "Mensch vor Marge" lautete einer der Slogans bei der Demo. Adressiert vor allem an Marc Engel, Produktionschef bei Unilever. Dessen deutliche und auch unsensible Ankündigungen am 21. Oktober – "es sei ein radikaler Umbau notwendig, um auf große Kostenprobleme zu reagieren" – hatte zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, nachdem schon in den Jahren zuvor, seit 2003, die Belegschaft unter anderen durch Lohnverzicht gefordert war.
Thilo Fischer, Betriebsratschef am Knorr-Standort Heilbronn – und dies in zweiter Generation – wurde deutlich. Lohnverzicht, um den Aktionären 21 Prozent Rendite zu zahlen: "Die sollen sich schämen! Und was soll man diesem Konzern noch glauben!" Die Hiobsbotschaften hätten die Belegschaft ins Mark getroffen. Der Betriebsrat sei gesprächsbereit gewesen und es immer noch, sagte er.
Neben der Art des Umgangs der Konzernspitze mit den Mitarbeitern kritisierte Fischer auch strategische Entscheidungen wie etwa Forschung und Entwicklung zu trennen. Die in Heilbronn hergestellten Trockenprodukte verlieren immer mehr am Markt, die Einstellung der Erbswurstproduktion im letzten Jahr hatte schon eine negative Signalwirkung, den Wert einer solchen positiven bezweifelte Fischer aber auch angesichts der Tatsache, dass das ebenfalls hier ansässige Kaufland der Schwarzgruppe nun nach einem Jahr Streit wieder Unileverprodukte listete.
Man wisse ja, zu wessen Ungunsten die Margen gingen. Er forderte Produktionseinheiten zurückzuholen, die Stärken und die Exklusivität des Standortes Heilbronn zu bewahren, den die Konzernleitung "zerlegen wolle". "Wir sind Knorr" sei auch eine Kampfansage.
Zuvor hatte schon Burkhard Siebert, Regionalgeschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), scharfe Kritik geübt. Neben sachlichen Argumenten verfehlten aber vor allem auch die Appelle an die Emotionen ("Respekt und Würde") ihre Wirkung nicht. Etwa wenn NGG-Landeschef Uwe Hildebrandt sagte, Unilever leiste sich in London und Amsterdam zwei teure Zentralen, Heilbronn sei für sie nur ein kleiner Punkt auf der Landkarte.
Immer wieder spielte auch die Erfahrung mit hinein, die man 1975 beim Kampf um den Audi-Standort in Neckarsulm gemacht hatte, am Ende mit Erfolg und breiter politischer Unterstützung. Die wird jetzt auch den "Knorrianern" parteiübergreifend und sichtbar zuteil. Die Bundestagsabgeordneten Alexander Throm (CDU) und Josip Kurativoc (SPD), die Landtagsabgeordneten wie der frühere Innenminister Reinhold Gall (SPD), Susanne Bay (Grüne) und Rainer Hinderer (SPD) waren vor Ort und Mitglieder der Linken trugen das größte Protestplakat.
Schon vor der Demo hatten sich zudem 8000 Unterstützer in die Unterschriftenliste eingetragen. Und: Auf dem Markt sind Nestlé und Unilever die größten Konkurrenten. Zur Demo aber kam auch der Maggi-Betriebsratsvorsitzende aus Singen nach Heilbronn.
OB Mergel trat in seiner Rede eindeutig Spekulationen entgegen, die Stadt habe ein Interesse an der Knorr-Immobilie, die innenstadtnah liegt. Er habe nach einer "Kette von Zumutungen" Verständnis für die Wut der "Knorrianer", Heilbronn stehe fest an ihrer Seite.