Die Glocken der Kreuzkirche haben in der Kilianskirche ein vorübergehendes Domizil gefunden – für wie lange, das ist ungewiss. Foto: Brigitte Fritz-Kador
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Eine "große Aufgabe" nennt es Dekan Christoph Baisch, was da auf die Gesamtkirchengemeinde in Heilbronn zukommt. Nein, es ist nicht die Rede von notgedrungen weiteren Absagen von Gottesdiensten, sondern eher ein "Luxusproblem" – auch wenn der Hintergrund eher traurig stimmen kann.
Im Sommer wurde die 1964 erbaute Kreuzkirche an eine Freikirche verkauft. Dass zwei Gemeinden zusammengelegt werden müssen – und in diesem Fall auch eine Kirche sozusagen übrig bleibt–, das ist eine Zeiterscheinung, die auch vor Heilbronn nicht haltmacht. Nicht im Verkauf eingeschlossen waren jedoch die Orgel und das Geläut der Kirche. Und dieses ist etwas Besonderes. Die sechs Glocken stammen aus der Glockengießerei Bachert, die man hierzulande bestens kennt: Landauf, landab hängen diese Glocken in den Kirchen beider Konfessionen, auch in der Frauenkirche in Dresden; viele von ihnen sind an einem der Bachert-Standort, in Bad Friedrichshall gegossen worden. Die 1726 gegründet Glockengießerei, immer im Familienbesitz, hat bewegte Zeiten hinter sich und dabei auch öfter den Standort gewechselt.
Die Glocken in der Kilianskirche. Foto: Fritz-KadorUnd nun? Kirchenglocken hört man – aber wann kann man sie, noch dazu ganz aus der Nähe, auch sehen? Diese einmalige Gelegenheit bietet sich jetzt in der Heilbronner Kilianskirche, denn hier haben die Glocken der Kreuzkirche ein vorübergehendes Domizil gefunden – für wie lange, das ist noch ungewiss. Ein letztes Mal läuteten sie am Nikolaustag beim Abschiedsgottesdienst von der Kirche. Als sie 1964 bei einem Festumzug Einzug hielten, hatten Kinder bunte Fähnchen geschwenkt – der Transport in die Kilianskirche verlief dagegen leise, wenn man davon absieht, dass dafür ein großer Teleskop-Kran benötigt wurde. Zusammen wiegen sie 2026 Tonnen.
Die Frage, was mit den Glocken geschehen soll und wird, ist offen. Nachdem aber zwischendurch schon der Eindruck aufkam, als wären die Glocken nun zu haben, hat Dekan Christoph Baisch, Erster Pfarrer an der Kilianskirche, klar erklärt: Auf den freien Markt kommen sie nicht. Man werde versuchen, innerhalb der Gesamtkirchengemeinde zu einer Lösung zu kommen. Inzwischen sind die sechs Glocken also unter hohem logistischen Aufwand in die Kilianskirche gebracht worden und stehen hier, fast wie in einem Museum.
Glocken haben in Heilbronn eine große Geschichte, auch wenn die meisten von ihnen den Bombenangriff, der die Stadt am 4. Dezember 1944 zerstörte, nicht überlebten, so wie auch die Glocken der Kilianskirche. Die meisten der "Nachkriegsglocken", auch die der Kilianskirche, stammen von Bachert. Als dort dann auch die Glocken für die Kreuzkirche gegossen wurden, wurden sie im Klang, in der Stimmung und in der Klangfolge auf das Geläut der Kilianskirche abgestimmt. Nun regt sich bei vielen der Wunsch, sie in deren Geläut einzubeziehen – auch weil man die Mittel dafür hat. Der "Freudenkreis der Kilianskirche" verfügt darüber, nachdem der vor Jahren von ihm geplante und auch großzügig gesponserte Einbau moderner Glaskunst in der Kilianskirche nach einem teils skandalträchtigen Streit scheiterte. Von der Idee oder einer Notwenigkeit, das Geläut in der Kilianskirche unterzubringen, wofür unter anderem ein neuer Glockenstuhl mit aufwendiger Konstruktion notwendig wäre, ist der Dekan noch nicht unbedingt überzeugt. Ein Gutachten soll noch mehr Klarheit bringen. Aber einen würdigen Ort für sie, so sagt er, wird es geben.
Glockenkenner wissen, dass Bachert-Glocken einen besonders weichen und harmonischen Klang haben. Dieser ist der speziellen "Bachert-Rippe" zu verdanken; sie ist das "Herzstück" in dem seit Jahrhunderten unverändert gebliebenen Prozess des Gießens. Immer noch findet jeder Guss um 15 Uhr statt, zur Sterbestunde Jesu, begleitet von Gebeten und einer Andacht. Christiane Bachert sagte damals, als die Glocken für die Frauenkirche gegossen wurden, ohne Glauben könne man nicht Glockengießer sein.
Die sechs Glocken, die jetzt in der Kilianskirche stehen, tragen eine schöne Krone, eine schöne Zier und jede einen zu ihrer Bestimmung passenden Bibelvers. Die größte, die "Dominika" steht im Eingangsbereich, sie hat einen Durchmesser von 105 Zentimeter, wiegt 800 Kilo, ihre Inschrift lautet: "Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige". Die anderen Glocken sind im Chorraum der Kilianskirche platziert, die etwas kleinere Betglocke wiegt immer noch 387 Kilo, die Taufglocke mit "Fürchte Dich nicht, Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein".
Wer sich für die Geschichte der Heilbronner Glocken interessiert, erfährt noch sehr viel mehr über sie, zurückgehend bis ins Mittelalter: Norbert Jung hat für das Stadtarchiv Heilbronn schon 1998 das Buch "Ein Streifzug durch die Heilbronner Glockenlandschaft" geschrieben und dafür akribisch recherchiert.