Ungeimpften drohen Einschränkungen - schon Anfang September? (Update)
Das Land bereitet bereits eine entsprechende Verordnung vor. Die Inzidenz in dieser Gruppe liegt bei 147. Es ist unklar, wie Kinder geschützt werden.

Von Sören S. Sgries
Stuttgart/Heidelberg. Angesichts kontinuierlich steigender Infektionszahlen auch in Baden-Württemberg bereitet die Landesregierung bereits Gegenmaßnahmen vor – die allerdings vor allem Ungeimpfte betreffen sollen. Das geht aus schriftlichen Antworten des Sozialministeriums auf eine RNZ-Anfrage hervor.
"Die Landesregierung bereitet für den Eingriffs-Fall bereits jetzt eine entsprechende Corona-Verordnung vor, die unmittelbar in Kraft treten kann", heißt es dazu. "Diese wird insbesondere Restriktionen für Ungeimpfte beinhalten, da das Infektionsgeschehen und die damit verbundene Auslastung der Intensivstationen maßgeblich durch diese Gruppe bestimmt wird." Geplant sei zudem, dass die Einschränkungen dann landesweit gelten – die konkrete Lage auf Kreisebene soll keine Rolle spielen.
Tatsächlich sind die Unterschiede bei den Infektionen zwischen Geimpften und Ungeimpften überdeutlich. So verweist das Landesgesundheitsamt auf RNZ-Anfrage darauf, dass die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Ungeimpften bei 147 Fällen pro 100.000 Einwohner liege. In der vollständig geimpften Bevölkerung – also mit zwei Impfungen – liegt die Inzidenz lediglich bei 13. Landesweit liegt die Inzidenz über beide Gruppen hinweg bei 68. Alle Zahlen beziehen sich auf den Stand am Donnerstag, 16 Uhr.
Wegen Meldeverzögerungen bei den Daten könnten die tatsächlichen Zahlen abweichen, sagt das Landesgesundheitsamt zwar. Die Tendenz ist aber eindeutig – zumal das Sozialministerium passende Beobachtungen auch in den Kliniken macht: "Auf den Intensivstationen in Baden-Württemberg liegen derzeit überwiegend Corona-Patientinnen und Patienten, die keinen Impfschutz haben."
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Welche Richtwerte entscheidend sein werden, damit das Land sich gezwungen sieht, die "Notbremse" zu ziehen, das ist offenbar noch unklar. "Hier ist derzeit politisch sehr viel in Bewegung", verweist das Ministerium auf aktuell laufende Diskussionen zwischen Bund und Ländern über mögliche neue Grenzwerte und Indikatoren. In Baden-Württemberg spielten in der derzeitigen Risikobewertung neben der Inzidenz auch Faktoren wie die Impfquote, "altersspezifische Hospitalisierungsinzidenzen", die Auslastung der Intensivstationen und der Anteil der Covid-Patienten dort eine Rolle.
"Es wird künftig Warn- / Alarmwerte geben, ab denen eingegriffen wird", so die Ankündigung. Diese müsste aber einige Zeit "stabil hoch" sein. "Eine kurzfristige Überschreitung solcher Werte führt nicht automatisch zu Einschränkungen."
Ein Knackpunkt in diesem Herbst dürfte sein, wie die Landesregierung den Schutz von Kindern gewährleisten möchte, wenn es am 13. September zurück in die Schulen geht. Denn zumindest für Grundschüler gibt es keinen zugelassenen Impfstoff. Droht also die "Durchseuchung", ein "zynisches Experiment", wie es SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kürzlich nannte?
Man weise diesen Vorwurf an die Politik "entschieden zurück", heißt es dazu auf RNZ-Anfrage aus dem Sozialministerium. Ziel bleibt aber: "Die Schließung von Schulen und Kitas muss mit allen Kräften verhindert werden, die Folgeschäden wären fatal." Verwiesen wird auf verschiedene "Bausteine" bei den Schutzmaßnahmen an Schulen: regelmäßige Tests, Maskenpflicht nach den Sommerferien, Luftfilter, Hygienekonzepte. "Jeder dieser Bausteine bringt für sich genommen keinen umfassenden Schutz, zusammengenommen erhöhen sie aber die Sicherheit deutlich", heißt es.
Hinzu kommt ein Appell an all diejenigen, die sich impfen lassen können: Sie sollten die Gelegenheit nutzen, um sich selbst zu schützen und so auch das Infektionsgeschehen insgesamt einzudämmen. "Davon profitieren dann auch Kinder unter 12 Jahren." Ebenso von der 3G-Regel und regelmäßigen Tests.
Abschließend heißt es: "Infektionen lassen sich aber leider nie zu 100 Prozent ausschließen, wenn Menschen sich begegnen."
Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte womöglich schon Anfang September
Stuttgart. (dpa/lsw) In Baden-Württemberg drohen ungeimpften Erwachsenen schon Anfang September neue Kontaktbeschränkungen. Das Sozialministerium in Stuttgart will schnell gegensteuern, wenn - wie derzeit erwartet - immer mehr Covid-19-Patienten in Kliniken auf die Intensivstationen müssen. Uwe Lahl, Amtschef im Ministerium, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wenn 200 bis 250 Intensivbetten belegt sind, erwägen wir erste Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Erwachsene zu erlassen." Nach Prognosen des Landesgesundheitsamts könnten diese Grenzwerte schon Ende kommender Woche überschritten werden.
Zu den geplanten Eingriffen sagte Lahl: "Das sind Maßnahmen, die man schon aus den Lockdowns der zweiten und dritten Welle kennt, etwa dass sich nur zwei Familien treffen dürfen." Das Ministerium rechnet damit, dass ungefähr drei Millionen ungeimpfte Erwachsene im Land von diesen Einschränkungen betroffen wären. "In dieser Situation muss man als Landesregierung etwas machen. Ich sehe keine Alternative." Das Konzept müsse aber noch in der grün-schwarzen Regierung abgestimmt werden.
Vor allem wegen der Reiserückkehrer aus dem Ausland rechnet das Land mit stark steigenden Inzidenzen und deutlich mehr Intensivpatienten bis Mitte September, wenn die Schulferien enden. "Wenn die Zahl von 300 Intensivbetten überschritten ist, könnten wir, so unsere Überlegungen, für einige Zeit 2G für Ungeimpfte einführen. Das würde bedeuten, dass nur noch Geimpfte oder Genesene ins Restaurant oder ins Konzert dürfen", erläuterte der Ministerialdirektor.
Update: Samstag, 28. August 2021, 11.26 Uhr