Stuttgart. (dpa) Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält es nicht für möglich, noch in der laufenden Legislaturperiode 1000 Windräder in Baden-Württemberg zu bauen. "Das ist ja realistischerweise überhaupt nicht zu schaffen", sagte er am Dienstag in Stuttgart. "Jedes Jahr, wo ich nicht baue, muss ich ja im nächsten Jahr mehr bauen", fügte der Grünen-Politiker mit Blick auf lediglich 28 errichtete Anlagen im Jahr 2021 hinzu.
Kretschmann deutete aber auch an, die Regierung habe nie versprochen, 1000 Windräder bis zum Ende der Legislatur zu bauen. Mit dem derzeitigen Stand sei er "natürlich nicht zufrieden". Ziel müsse es werden, 100 Räder im Jahr aufzustellen. "Das ist, glaube ich, auch einigermaßen realistisch."
Im vor einem Jahr unterzeichneten Koalitionsvertrag heißt es unter anderem, es sollten die Voraussetzungen geschaffen werden für den Bau von bis zu 1000 neuen Windkraftanlagen. Kretschmann nannte als wesentlichen Grund für den schleppenden Ausbau der Windenergie im Südwesten die geänderten Ausschreibungsbedingungen des Bundes, durch die sich windärmere und hügeligere Bundesländer seit mehreren Jahren benachteiligt fühlten. Baden-Württemberg fordert deshalb seit längerem eine Südquote.
Baden-Württemberg und auch viele andere Bundesländer hinken nach jüngsten Zahlen weiter meilenweit hinter dem Ziel der Bundesregierung für den Ausbau der Windkraft hinterher. Der Bund will, dass zwei Prozent der Landesfläche für den Bau von Windrädern ausgewiesen werden. In Baden-Württemberg sind es bislang 0,2 Prozent.
Als ein gewichtiges Problem für den Ausbau gilt die fehlende Verfügbarkeit von Flächen. Vor allem Mindestabstände und genehmigungsrechtliche Hindernisse verkleinern das Potenzial. Baden-Württemberg will versuchen, vor allem die Planungs- und Genehmigungsdauer für Windräder um die Hälfte zu verkürzen.
Update: Dienstag, 3. Mai 2022, 14.45 Uhr
Bei der Windkraft hinkt der Südwesten hinterher
Bundeswirtschaftsminister Habeck will, dass mindestens zwei Prozent der Landesfläche für den Bau von klimafreundlichen Windrädern ausgewiesen werden. Doch so sehr alle Bundesländer Ökostrom wollen, fällt ihnen der Weg dahin oft schwer.
Stuttgart/Berlin. (dpa-lsw) Baden-Württemberg und die überwiegende Mehrheit der anderen Bundesländer hinken im Frühjahr 2022 meilenweit hinter dem Ziel der Bundesregierung für den Ausbau der Windkraft hinterher. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur gehen die zurückgemeldeten Werte weit auseinander. Der Bund will, dass zwei Prozent der Landesfläche für den Bau von Windrädern ausgewiesen werden. An dieses Ziel kommen gerade einmal drei Länder heran. Spitzenreiter ist demnach mit rund zwei Prozent Schleswig-Holstein, gefolgt von Hessen (1,9) und dem Saarland (1,82). Schlusslichter bei den Flächenländern sind Sachsen (0,3 Prozent) und Baden-Württemberg (0,2).
Die Mehrheit der Länder dümpelt zwischen den Extremwerten: Darunter sind Brandenburg (1,4 Prozent), das dicht besiedelte Nordrhein-Westfalen (1,2 Prozent), Sachsen-Anhalt (1,08 Prozent), Rheinland-Pfalz (1,01) und Thüringen (0,4). Interessant: Das flächenmäßig größte Bundesland Bayern kommt immerhin noch auf 0,69 Prozent. Der Freistaat war heftig kritisiert worden wegen seiner sogenannten 10H-Regel, die den Mindestabstand einer Windkraftanlage zur nächsten Wohnbebauung definiert. Dieser muss der zehnfachen Höhe des Rades entsprechen. Niedersachsen verwies darauf, dass bis 2030 2,1 Prozent erreicht würden.
Der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne ist eines der zentralen Ziele der Ampel-Regierung im Bund - um Klimaziele zu erreichen und weniger abhängig von fossilen Energien wie russischem Gas zu werden. Bis 2030 sollen nach Plänen von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 sollen es fast 100 Prozent sein. 2021 waren es nach Branchenangaben etwa 42 Prozent.
Als ein gewichtiges Problem für den Ausbau der Windkraft an Land sieht das Bundeswirtschaftsministerium die fehlende Verfügbarkeit von Flächen. Vor allem Mindestabstände in etlichen Bundesländern sowie genehmigungsrechtliche Hindernisse verkleinern das Potenzial. Auch wird der Bau von Windrädern vielerorts immer wieder durch Proteste und Streit zwischen Anwohnern, Umweltschützern und Investoren ausgebremst. Baden-Württemberg will mit einer im Herbst 2021 eingerichteten Task Force versuchen, vor allem die Planungs- und Genehmigungsdauer für Windräder um die Hälfte zu verkürzen. Zielvorgabe ist der Bau von bis zu 1000 neuen Windkraftanlagen.
Offen ist, wie genau das deutsche Zwei-Prozent-Ziel verankert wird. In Baden-Württemberg hat sich die grün-schwarze Koalition im Klimaschutzgesetz zum Ziel gesetzt, zwei Prozent der Landesfläche für Wind und Sonne insgesamt in den Regionalplänen zu sichern. Dabei sollte es nach dem Willen von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) auch bleiben: "Baden-Württemberg setzt sich auf allen Kanälen - also auf der Fach- und der politischen Ebene - dafür ein, dass die Bundesregelung kompatibel ist mit unserem Klimaschutzgesetz und dem dort verankerten Zwei-Prozent-Flächenziel für Windkraft und Freiflächen-PV", sagte sie nach Angaben ihrer Sprecherin der dpa.
Ebenfalls in der Debatte ist ein Verteilungsschlüssel. Ein solcher müsse die unterschiedlichen Möglichkeiten der Länder mit Blick auf die natürlichen Verhältnisse, Windstärken, das Gelände-Relief und insbesondere die Bevölkerungsdichte berücksichtigen, sagte ein Sprecher des NRW-Wirtschafts- und Energieministeriums. Auch Baden-Württemberg will sich "grundsätzlich" für Flächenziele einsetzen. Es werde davon ausgegangen, "dass die Verteilung den unterschiedlichen Möglichkeiten für die Windenergienutzung Rechnung trägt", sagte die Sprecherin Walkers. Denn anders als im flachen Niedersachsen kommt der Ausbau der Windkraft im Südwesten auch wegen der Topographie des Landes nicht richtig in Schwung.