Die junge Bürgerbewegung Volt tritt bei der Landtagswahl an
Mit Hochspannung in den Landtag - Europäisch gedachte Themen sollen im Vordergrund stehen

Von Benjamin Auber
Heidelberg. Rückzug in den Nationalismus, Leugner des Klimawandels oder Verachtung gegenüber der Wissenschaft. Das bringt die Bürgerbewegung Volt Europa auf die Palme. "Wir müssen für Transparenz kämpfen, wissenschaftsbasierte Politik verfolgen und alle gesellschaftlichen Gruppen einbinden. Und das gemeinsam auf europäischer Ebene", fordert Volt-Wahlkämpfer Yannick Lorenz, der seine Partei im Landtag von Baden-Württemberg sehen will.

Ist das aber für eine Partei, die Anfang 2017 gegründet wurde, realistisch? Die Initialzündung, die eine Partei in den Anfängen braucht, kam bei der Europawahl 2019: Unter den 16- bis 24-Jährigen holte Volt elf und mit 0,7 Prozent Anteil am gesamtdeutschen Ergebnis kann die Partei mit Damian Boeselager einen Abgeordneter im EU-Parlament stellen. "Das hat uns einen Schub gegeben", sagt die Volt-Landesvorsitzende Chantal Graßelt. Die 22-jährige Heidelberger Studentin erarbeitet bei wöchentlichen Treffen eine Strategie und will selbst als Landtagskandidatin für Heidelberg ins Rennen gehen.
In den Südweststädten machten viele junge Wähler ihr Kreuz bei Volt: Freiburg 1,4 Prozent, Karlsruhe 2,2 und in Heidelberg gar 2,9 sind Werte, die auch für die baden-württembergische Landtagswahl im März 2021 in Angriff genommen werden sollen. Damit würde Volt mehr als nur ein Achtungserfolg erringen. Das wiederum könnte den Grünen schwer zu schaffen machen, wenn entscheidende Prozentpunkte im Kampf um die Villa Reitzenstein fehlen könnten.

Eine echte Herausforderung wird es für Volt, wenn es nicht gelingt für jeden Wahlkreise einen Kandidaten aufzustellen. Denn dort würden die Stimmen für das Gesamtergebnis fehlen. Momentan laufen die Aufstellungsversammlungen. Weinheim, Wiesloch, Bruchsal, Neckarsulm sind schon soweit, Heidelberg und Mannheim sollen im Oktober folgen, so Graßelt.
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Offen für neue Wege und vor allem europäisch verankert – so will Volt auch ältere Wähler für sich begeistern. "In der Fläche müssen wir noch zulegen, das ist klar. Ich bin überzeugt, dass wir auch ältere Menschen ansprechen, wenn wir als einzige echte Europa-Partei antreten", sagt der 22-jährige Lorenz. Mit sogenannten "Best-Practice-Beispielen" möchte Volt ideologiefrei agieren. Gut funktionierende Projekte in anderen Ländern sollen auch für Deutschland offen diskutiert werden. Deutlich niedrigere Mieten ist ein Thema, wie beispielsweise in Wien.
Vor allem in den Städten sind die Volt-Anhänger ständig unter Hochspannung. Sie kommen mit Bürgern ins Gespräch, stecken virtuell ihre Köpfe in zahlreichen Online-Meetings zusammen, werben für Sicherheitsabstände, um auf die Corona-Regeln aufmerksam zu machen oder organisieren Hilfe für die Flüchtlinge, die in Moria auf Asyl hoffen.
EU-Abgeordneter Boeselager bezeichnet sich gern als "Europäer aus Deutschland", und setzt sich für pragmatische Lösungen in Europa ein. So verstehen sich auch Graßelt und Lorenz, die als "europäische Südwestler" das Land weiterentwickeln wollen – vielleicht sogar vom Stuttgarter Landtag aus.