SWEG übernimmt Abellio samt Mitarbeiter (Update)
Die landeseigene Südwestdeutsche Landesverkehrs-AG (SWEG) habe ein Kaufangebot samt Werkstatt abgegeben.

Von Theo Westermann
Stuttgart. Der Züge des insolventen Verkehrsunternehmens Abellio im Baden-Württemberg können auch nach dem Jahreswechsel weiterfahren. Das Landeskabinett segnete bei seiner Sitzung am Dienstagmorgen die Lösung ab, die das Verkehrsministerium in langen Verhandlungsrunden mit dem Insolvenzverwalter und im Hintergrund die Abellio-Gläubiger getroffen hat.
Die Lösung sieht so aus: Die landeseigene SWEG übernimmt Abellio mitsamt seinen rund 350 Beschäftigten zumindest für die kommenden beiden zwei Jahre. Die SWEG stellt dafür die zusätzlichen und zu belegenden Kosten dem Land in Rechnung. Der Name Abellio bleibt zunächst erhalten, sprich, die Züge fahren unter dem Markennamen weiter. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zeigte sich erleichtert über die nun gefundene Lösung nach intensiven Verhandlungsrunden. In zwei Jahren soll es dann wieder eine Ausschreibung geben.
Welche zusätzlichen Kosten damit auf das Land zukommen, lässt sich laut Hermann noch nicht sagen. Im Lauf der Verhandlungen lagen diverse Optionen auf dem Tisch. Eine Zerschlagung des Unternehmens sei für das Land aber nicht in Frage gekommen, so Hermann. Damit ist auch klar, dass der wichtige und auch für andere Unternehmen attraktive neue Betriebshof von Abellio in Pforzheim bei dem Unternehmen verbleibt, sprich die SWEG übernimmt dort künftig die Regie – "aber mit den Beschäftigten von Abellio", so der Verkehrsminister.
Zwischen Land und SWEG soll nun eine Rahmenvereinbarung geschlossen werden, in der die notwendigen Regelungen getroffen werden, teilte das Ministerium mit. Sobald diese ausgearbeitet ist und der Interims-Verkehrsvertrag vorliegt, kann der SWEG-Aufsichtsrat darüber entscheiden. Dann folgt der Abschluss der Investorenvereinbarung. Anschließend muss die Gläubigerversammlung über den Insolvenzplan entscheiden. Dann kann das Insolvenzgericht den Beschluss hierüber fassen. Sofern bis Ablauf einer zweiwöchigen Frist keine Beschwerden eingelegt werden, wird der Planbestätigungsbeschluss rechtskräftig. Danach gehen die Gesellschaftsanteile an die SWEG über.
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Ebenfalls unklar ist noch der Kaufpreis, den die SWEG für die Abellio Rail Baden-Württemberg zahlt. Allerdings sei dies kein sehr großer Betrag, machte Hermann klar. Die nun gefundene Lösung ist somit kein sogenannter Auferlegungsvertrag, mit dem das Land entweder Abellio selbst oder einem anderen Verkehrsunternehmen die ursprünglich zu leistenden Verkehre "auferlegt" hätte.
Eine derartige Lösung ist zwar vertraglich vorgesehen für den Notfall, wäre aber ein "hoheitlicher Akt" gewesen, machte Hermann den Unterstieg zum nun vorgesehenen Einstieg der SWEG deutlich. Der Verkehrsminister dankte dem Betriebsrat des Unternehmens Abellio Baden-Württemberg und ausdrücklich den Beschäftigten, "dass sie nicht davon gelaufen sind und dass sie uns vertraut haben, dass wir eine Lösung finden".
Update: Dienstag, 26. Oktober 2021, 13.01 Uhr
Hauptverfahren in Eigenverwaltung planmäßig eröffnet
Berlin. (RNZ/rl) Im Rahmen des Sanierungsverfahrens ist Abellio am 1. Oktober 2021 vom vorläufigen Schutzschirmverfahren in das Hauptverfahren gewechselt. Nach Ablauf der gesetzlich für das vorläufige Verfahren vorgesehenen Dauer von drei Monaten hat das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg das Hauptverfahren eröffnet. Damit geht Abellio einen wichtigen Schritt mit Blick auf die Sanierung und die langfristig erfolgreiche Neuaufstellung des Unternehmens.
Die unternehmerische Verantwortung bleibt in den Händen der Abellio-Geschäftsführung um Deutschland-CEO Michiel Noy. Sie wird dabei – wie auch bereits im vorläufigen Schutzschirmverfahren – von dem erfahrenen Restrukturierungsexperten Lucas Flöther in der Rolle des Generalbevollmächtigten unterstützt.
Als Sachwalter wurden Rainer Eckert für die operativ tätigen Gesellschaften in den Regionen, Stefanie Zulauf für die PTS GmbH und Stephan Poppe für die Holding Abellio GmbH aus der Kanzlei Eckert Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft bestätigt. Zuvor hatten sie gutachterlich die Erfolgsaussichten der Sanierung im nun anstehenden Hauptverfahren bekräftigt.
Mit dem planmäßigen Wechsel in das Hauptverfahren ändert sich nichts für die Fahrgäste: Der Zugbetrieb wird wie gewohnt weitergeführt. Grundlage hierfür sind Vereinbarungen zwischen Abellio und den regionalen Aufgabenträgern.
So wurden in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Fortführungsvereinbarungen zur Sicherung des Betriebes bis Ende Dezember 2021 bzw. Ende Januar 2022 geschlossen, um in den kommenden Monaten eine langfristig ausgerichtete Einigung im Sinne der Fahrgäste und der Beschäftigten zu erzielen.
Zu diesem Zwecke hat sich der Gesellschafter von Abellio Deutschland nochmals bereiterklärt, weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.
Auch für den Betrieb der "WestfalenBahn" wurde eine entsprechende Fortführungsvereinbarung bis Ende März 2022 unterzeichnet. In Mitteldeutschland konnte bereits eine langfristige Lösung zum Weiterbetrieb der beiden Abellio-Netze Dieselnetz Sachsen-Anhalt (DISA) bis Dezember 2023 und Saale-Thüringen-Südharz-Netz (STS) bis zum Ende der Vertragslaufzeit im Dezember 2030 erzielt werden.
Ab 1. Oktober übernimmt Abellio wieder selbst die Lohn- und Gehaltszahlungen der 3100 Mitarbeiter in Deutschland, nachdem diese während des vorläufigen Schutzschirmverfahrens von der Bundesagentur für Arbeit übernommen wurden. In den kommenden Wochen wird die Sanierung von Abellio weiter voranschreiten. Insbesondere wird das Restrukturierungsteam Sanierungspläne erarbeiten und finalisieren, welche die Grundlage für eine wirtschaftlich nachhaltige Zukunft des Unternehmens bilden. Ziel – nach jetzigem Stand der Entwicklungen – ist es, das Sanierungsverfahren im Laufe des Frühjahrs 2022 erfolgreich zu beenden.
Das Schutzschirmverfahren wurde notwendig, nachdem Abellio als eine der führenden Wettbewerbsbahnen in Deutschland angesichts struktureller Probleme im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) unter wirtschaftlichen Druck geriet. Wie andere Eisenbahnverkehrsunternehmen auch, leidet Abellio unter massiven Kostenentwicklungen, die nicht ausreichend von den einzelnen Verkehrsverträgen gedeckt sind. Im Rahmen des Verfahrens können die aufgrund externer Kostensteigerungen notwendig gewordenen Restrukturierungsmaßnahmen eigenverantwortlich angegangen werden.
Update: Freitag, 1. Oktober 2021, 14.52 Uhr
Abellio fährt bis Jahresende weiter
Stuttgart. (tw) Der Bahnkonzern Abellio und das Land haben sich auf eine Fortführung des von Abellio betriebenen Bahnverkehrs in Baden-Württemberg geeinigt und damit eine drohende Einstellung des Betriebs zum 1. Oktober verhindert. Allerdings ist dies nur eine kurzfristige Lösung. Der Bahnbetrieb ist damit mindestens bis Ende Dezember 2021 gesichert. Was danach passiert ist unklar.
Das Unternehmen hatte für seine deutschen Regionalgesellschaften im Juni Insolvenz erklärt. Abellio betreibt zahlreiche Linien zwischen Stuttgart, Karlsruhe, Bruchsal, Tübingen und Heidelberg/Mannheim. Sollte bis Jahresende keine grundsätzliche Lösung erfolgen, müsste ab Januar 2022 ein anderes Verkehrsunternehmen die Linien übernehmen.
Das Verkehrsministerium und Abellio wollen nun zur Absicherung des Betreibers bis zum Jahresende eine langfristige Lösung über das Jahresende hinaus erarbeiten, kündigte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Freitag an. "Das Land ist als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr Abellio entgegengekommen, damit nun sorgfältig die beste Variante für einen künftigen stabilen Betrieb der Strecken ausgewählt werden kann und die notwendigen Schritte vorbereitet werden können." Man bedaure, dass dieses Verfahren notwendig geworden sei, weil Abellio sich nicht mehr in der Lage sehe, den Verkehrsvertrag zu den bestehenden Konditionen zu erfüllen.
Über die finanzielle Seite wurde gestern nichts öffentlich gemacht. Nach Informationen unserer Zeitung engagieren sich beide Seiten finanziell bei der Übernahme des Defizits für die kommenden Monate bis Jahresende.
"Ich bin im Interesse unserer Fahrgäste und natürlich auch unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter froh, dass wir nun dieses erste Zwischenergebnis bis Jahresende erreicht haben", sagte der Vorsitzende der baden-württembergischen Abellio-Geschäftsführung Rolf Schafferath.
Von der FDP kam prompt Kritik. Der Minister agiere völlig intransparent, so der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung (Bretten). "Bisher hat es Verkehrsminister Hermann nicht geschafft, die Oppositionsparteien und mich als verkehrspolitischen Sprecher über die Abellio-Vereinbarungen in Kenntnis zu setzen." Es sei völlig unklar, in welcher Höhe der Steuerzahler beteiligt sei. Er sei über die Arbeit Hermanns "nicht amüsiert", so Jung.
Hintergrund
Abellio in Baden-Württemberg
2016 entschied das Land in einem Vergabeverfahren, dass die privaten Bahn-Konkurrenten Abellio und Go-Ahead das sogenannte Stuttgarter Netz von 2019 an übernehmen. Es umfasst ein Viertel der landesweit zu
Abellio in Baden-Württemberg
2016 entschied das Land in einem Vergabeverfahren, dass die privaten Bahn-Konkurrenten Abellio und Go-Ahead das sogenannte Stuttgarter Netz von 2019 an übernehmen. Es umfasst ein Viertel der landesweit zu vergebenden Nahverkehrsstrecken.
Abellio Deutschland ist in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aktiv. Den Fahrbetrieb im Land beziffert Abellio mit jährlich 7,3 Millionen Zugkilometern auf einem Liniennetz von 615 Kilometern. Es betreibt inzwischen Züge von Stuttgart aus nach Tübingen, Mannheim, Osterburken, Mühlacker, Pforzheim, Bretten, Karlsruhe, Bruchsal und Heidelberg. In Pforzheim baute Abellio einen größeren Bahnbetriebshof.



