Stuttgart

Baden-Württemberg ist "sehr wohl ein Windland"

Umweltministerium verweist auf Jahreserträge der Anlagen - Förderung müsse angepasst werden

11.10.2018 UPDATE: 12.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden

Windenergieanlagen in Baden-Württemberg - hier auf dem Schauinsland bei Freiburg - sind zunehmend konkurrenzfähig. Allerdings sind die Baukosten zu hoch. Foto: dpa

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Neue Technik macht Windkraft aus Baden-Württemberg zunehmend konkurrenzfähig - wenn man von den Baukosten absieht. Das geht aus den Antworten auf eine Landtagsanfrage hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Nutzungsgrad und Erträge sind demnach in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das Umweltministerium beklagt aber eine Benachteiligung durch den Bund.

Entgegen landläufiger Kritik sei Baden-Württemberg "sehr wohl ein Windland‘", schreibt Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann (Grüne) in seiner Reaktion auf die Anfrage seiner Parteifreundin Jutta Niemann. Durch den Einsatz moderner, fürs Binnenland optimierter Schwachwindanlagen seit 2013 seien Jahreserträge und Volllaststunden inzwischen mit denjenigen anderer, auch nördlicher Bundesländer vergleichbar.

Das Ministerium von Franz Untersteller (Grüne) unterfüttert seine Darstellung mit Zahlen der Landesanstalt für Umwelt (LUBW), des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) und des Erneuerbare-Energien-Berichts 2017.

Demnach waren Ende des ersten Halbjahrs 2018 in Baden-Württemberg 711 Windenergieanlagen in Betrieb. Seit 2013 sind Nabenhöhen und Rotordurchmesser neuer Projekte deutlich gestiegen. Im Jahr 2016 lagen Anlagen, die 2012 in Betrieb gegangen waren, im Vergleich aller Bundesländer (ohne Stadtstaaten) bei den mittleren Jahreserträgen mit 3,45 Gigawattstunden (GWh) auf dem letzten Platz. Anlagen, die 2015 ans Netz gegangen waren, erwirtschafteten im gleichen Zeitraum dagegen mit 5,13 GWh mehr Durchschnittsleistung als solche in Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Mit 1858 Volllaststunden erzielten sie einen ähnlichen Mittelwert wie diejenigen in Mecklenburg-Vorpommern (1879).

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Im Detail schwanken die Zahlen. Insgesamt kommt das Umweltministerium jedoch zu der Erkenntnis, dass "auch in Baden-Württemberg die modernen Windenergieanlagen ähnlich ausgelastet sind und ähnliche Erträge erwirtschaften wie in anderen Teilen Deutschlands".

Nach einer längeren Phase der Stagnation haben die Erträge sich im Südwesten zwischen Anfang 2015 und Ende 2017 fast verdreifacht: von 679 auf 2010 Gigawattstunden (GWh). Allein im Jahr 2017 wurde ein Zuwachs von 775 GWh erzielt.

Umso mehr stören sich Untersteller und sein Ministerium daran, dass die Zahl der Inbetriebnahmen 2018 einen herben Einbruch erlitt. Während 2016 und 2017 jeweils rund 120 Anlagen neu ans Netz gingen, waren es im ersten Halbjahr 2018 lediglich 27. Neu genehmigt wurde im gesamten Jahr 2017 gerade mal ein Projekt.

Die Landesregierung führt das auf Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Bund zurück. Seit 2017 werden Subventionen für die Windstrom-Erzeugung bundesweit im Auktionsverfahren vergeben. Der Zuschlag geht seither an die genügsamsten Antragsteller. Da gute Standorte in den süddeutschen Bergen meist teurer zu erschließen sind als im norddeutschen Tiefland, haben Investoren in Baden-Württemberg oft schlechte Ausgangsbedingungen.

Minister Untersteller möchte erreichen, dass die geplante EEG-Novelle eine Regionalisierungsquote enthält, die dem Süden entsprechende Anteile am Windkraftausbau garantieren würde. "Vor der Ausschreibung haben wir südlich der Main-Linie 18,8 Prozent der realisierten Windkraft-Projekte gehabt", sagte er dieser Zeitung im Juni. "Mein Ziel ist jetzt, dass wir möglichst wieder da hinkommen."

In seiner Antwort auf die Landtagsanfrage erwähnt das Ministerium noch ein zweites Ziel: In der EEG-Novelle sollen Projekte mit schlechterer Windhöffigkeit stärker gefördert werden. Standorte mit weniger Ertrag können bei gleichem Gebotswerte heute schon eine höhere Vergütung erhalten. Allerdings ist der Korrekturfaktor an einen Referenzertrag gekoppelt, und unterhalb von 70 Prozent dieses Werts steigt die Vergütung nicht weiter.

"Da es in Baden-Württemberg auch sinnvoll und notwendig ist, Standorte mit weniger als 70 Prozent des Referenzertrags zu erschließen, haben diese Standorte im Bieterverfahren einen klaren Nachteil", schreibt Staatssekretär Baumann. Neben dem Ausbau der Übertragungsnetze aus dem Norden ist die Versorgungsstabilität südlich der Main-Linie auf einen überproportional hohen Ausbau erneuerbarer Energien angewiesen. Die Landesregierung will deshalb für den Süden in Berlin auch eine Erhöhung des Korrekturfaktors für Standorte durchsetzen, die weniger als 70 Prozent des Referenzertrages erreichen.

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