"Dann ist der Wolf schneller tot, als man denkt"
Landtag ringt um Umgang mit dem Raubtier - Nur Grüne gegen Aufnahme ins Jagdgesetz - CDU-Abgeordneter spricht von "Wolfsverklärung"

Stuttgart. (dpa-lsw) Wie geht man mit "Problemwölfen" im Südwesten um? Wie werden Nutztierhalter vor den finanziellen Folgen von Wolfsrissen geschützt? Wie verhindert man, dass der Wolf traditionelle Weidehaltung im Schwarzwald und auf der Schwäbische Alb gefährdet? Der Landtag hat am Donnerstag in Stuttgart um den angemessenen Umgang mit dem zurückgekehrten Wolf gerungen. Dabei ging es um die Frage, ob das streng schützte Raubtier - wie der Luchs - in das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufgenommen werden sollte. Während CDU, FDP, AfD dafür plädierten, um schnell auf etwaige Probleme mit Wölfen reagieren zu können, sprachen sich die Grünen dagegen aus. Die SPD legte sich nicht fest.
Hintergrund
Soll der Wolf ins Jagdgesetz?
Eine Aufnahme des Tiers ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz würde es erleichtern, den geschützten Wolf abzuschießen. Hier die Argumente von Gegnern und Kritikern:
Kontra
> Da der Wolf
Soll der Wolf ins Jagdgesetz?
Eine Aufnahme des Tiers ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz würde es erleichtern, den geschützten Wolf abzuschießen. Hier die Argumente von Gegnern und Kritikern:
Kontra
> Da der Wolf eine laut Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Art ist, dürfen die Länder gar keine eigenen Regeln aufstellen. Eine Aufnahme ins Jagdrecht ist nicht möglich.
> Selbst wenn der Wolf in das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz des Landes aufgenommen würde, in dem die Tiere nach ihrer Schutzbedürftigkeit eingruppiert sind, käme er definitiv ins sogenannte Schutzmanagement mit Tieren, die ganzjährig nicht bejagt werden dürfen.
> Eine "jagdliche Regulierung", wie nach den ersten Wolfrissen verschiedentlich gefordert, gibt also weder das Naturschutzrecht noch das Jagdrecht her, heißt es im Umweltministerium.
> Ebenso wie ein sogenannter Problemwolf dürfte auch ein besonders kluger Wolf beseitigt werden, der trotz Herdenschutz immer wieder Nutztiere tötet. Das sieht das Bundesnaturschutzgesetz vor.
Pro
> Sollten Rudel sich als Beute auf Weidetiere und nicht mehr auf Wildtiere konzentrieren, wie es in Niedersachsen und Sachsen bereits der Fall ist, muss es auch die Möglichkeit des Abschusses geben. Dies muss im Jagdgesetz geregelt werden.
> Wenn der Wolf in Rudeln wieder in Baden-Württemberg ankommt, dann brauchen wir einen hieb- und stichfesten Managementplan, heißt es im Agrarministerium.
> Baden-Württemberg ist ein dicht besiedeltes Flächenland, in dem die Weidehaltung ein festes Element ist. Um diese auch künftig zu ermöglichen, bedarf es klarer Regeln zum Umgang mit dem Wolf.
> Die Aufnahme ins Jagdgesetz regelt das Management des Wolfes, es geht dabei nicht nur um die Möglichkeit, ihn zu bejagen. Auch Arten wie der Luchs, das Auerwild oder die Wildkatze sind im Jagdgesetz enthalten.
Im Oktober hatte ein Vorfall, bei dem ein Wolf drei Lämmer bei Widdern im Kreis Heilbronn auf einer Weide gerissen hatte, die Diskussion erneut entflammt. Die meisten Wölfe in Deutschland leben in Brandenburg und Sachsen, seit im Jahr 2000 wieder ein Wolfspaar aus Polen zuwanderte. Vorher waren die Tiere lange Zeit ausgerottet. Heute sind sie streng geschützt.
Die FDP hatte die Landtagsdebatte mit Blick auf Agrarminister Peter Hauk (CDU) und das musikalische Märchen von Sergei Prokofjew unter den Titel gestellt "Peter und der Wolf - hievt Minister Hauk Canis lupus 2018 ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz". Andreas Glück (FDP) forderte eine Regelung, Wölfe im Ernstfall ohne bürokratische Hürden abschießen zu können. Dafür müsse das Raubtier in das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufgenommen werden. Es müsse ein schneller und rechtssicher Abschuss möglich sein, etwa in Situationen wie sie das Land Brandenburg erlebe. Dort sei ein Wolf über Tage unbehelligt durch einen Kita-Garten gestreift.
Vor einer "Wolfsverklärung" warnte der CDU-Abgeordnete Manuel Hagel. "Bisweilen hat man fast den Eindruck, beim Wolf handle es sich um einen etwas größeren, unerzogenen Hund, der mit Welpenblick um die Ansiedlung in Baden-Württemberg bettelt." Diese Haltung werde sich schlagartig ändern, wenn das Tier im Vorgarten des Einfamilienhauses am Waldrand im Odenwald oder im Schwarzwald stehe "und die vierköpfige Familie mit zwei kleinen Kindern durch die Panoramascheibe im Wohnzimmer schaut, dann ändert sich die Wahrnehmung des lieben und gutmütigen Wildtiers sehr schnell, weil aus einer romantischen Erwartung plötzlich konkrete Realität wird."
Minister Hauk nahm die Halter kleiner Herden von Schafen oder Mutterkühen, die sich Schutzmaßnahmen wie Zäune und Hütehunde nicht leisten könnten, in den Blick. Er befürchte, dass sie ihre für die Kulturlandschaft wichtige Tätigkeit aus Angst vor dem Wolf aufgeben könnten. Dies wäre umso bedauerlicher, da das Land seit 1982 mit Milliarden die extensive Landwirtschaft gefördert habe. Das dürfe nicht durch Zunahme einer Art, des Wolfes, konterkariert werden. Deshalb sei ein ordentliches Wildtiermanagement notwendig. Als weitere Herausforderung nannte er die Haftpflicht für Tierhalter, die diese absichert, wenn ihre Herden wegen Wolfsangriffen auseinanderlaufen und Verkehrsunfälle verursachen.
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Der grüne Umweltstaatssekretär Andre Baumann betonte, das Bundesrecht verhindere, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Als streng geschützte Art unterliege er ausschließlich dem Artenschutzrecht des Bundesnaturschutzgesetzes. "Wir können davon gar nicht abweichen, auch nicht, wenn wir das ins Jagdrecht aufnehmen", sagte Baumann. Jedoch eröffne das Naturschutzgesetz schon jetzt die Möglichkeit, sowohl einen "Problemwolf" als auch einen, der immer wieder Nutztiere reißt, zu erschießen. Das Umweltministerium könne bei Gefahr einen Sofortvollzug anordnen: "Dann ist der Wolf schneller tot, als man denkt." Das gelte auch für im Straßenverkehr schwer verwundete Tiere.
Baumann erinnerte an das Herdenschutzprogramm des Landes, das Zäune gegen Angriffe sowohl von Wölfen als auch von wildernden Hunden fördert. Letztere seien ein viel größeres Problem für die Schäferei als einzelne Wölfe: "In jedem Jahr gibt es viele, viele Nutztierrisse durch wildernde Hunde." Minister Hauk zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition 2018 eine einvernehmliche Lösung finden werde.
Nach dem Auftreten von Wolfsrudeln in mehreren Bundesländern beschäftigt das Thema auch den Bund. Zum Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen wollte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) am Mittwoch eigentlich ein neues Konzept vorlegen - als Hilfestellung für Behörden in den Ländern. Doch daraus wurde nichts, der Termin wurde spät am Dienstagabend auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Hintergrund ist die Umweltministerkonferenz nächste Woche, bei der das Thema auf der Tagesordnung steht.