Heilbronn: Die "Stadt am Fluss" hat ein Brückenproblem
Fast die Hälfte der 160 Heilbronner Brücken muss dringend instandgesetzt oder neu gebaut werden - Beeinträchtigungen bis zur Buga

Unüberseh- und unüberhörbar hat die Stadt Heilbronn mit dem Finger auf den Bund gezeigt, den maroden Zustand der Autobahnbrücke auf der A6 angeprangert und mit Hinweis auf die Bundesgartenschau 2019 zur Eile gedrängt. Jetzt muss sie sich an die eigene Nase fassen. Heilbronn hat 160 Brücken und damit fast genauso viele wie der Stadtstaat Bremen (167) und deutlich mehr als das ganze Saarland (102). Es ist schon ein Aha-Effekt, wenn am Ende einer umfangreichen Dokumentation des Baudezernats zum Zustand der Heilbronner Brücken herauskommt, dass der Brückenzustand geradezu alarmierend schlecht ist - und das vor dem hohen Anspruch als "Stadt am Fluss" Profil zu gewinnen.
Dass viel zu viele Brücken im ganzen Land marode sind, ist nicht neu. Es muss dennoch überraschen, dass in Heilbronn nur fünf Brücken in sehr gutem, zehn in gutem Zustand sind, dagegen elf in kritischem und 47 in einem noch ausreichenden - allerdings mit dringendem Sanierungsbedarf um weitere Schäden zu vermeiden. Dazu kommt dann noch die Ansage, dass bei sieben aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur noch ein Neubau sinnvoll ist.
Zu den Brücken mit dem dringlichsten Sanierungsbedarf gehört die Peter-Bruckmann-Brücke, über die der Hauptverkehr aus dem Norden, auch von der A6 und dann vor allem zur Buga 2019 in die Stadt fließt und fließen wird. Aus diesem Grund soll sie zunächst nur saniert werden, in der mittelfristigen Brücken-Finanzplanung steht sie als größter Posten mit 18 Millionen für einen Neubau.
Innerhalb des Zeitraumes bis dahin oder kurz darüber hinaus, wird also die Stadt 23,7 Millionen Euro aufwenden müssen, um die elf sanierungsbedürftigsten Brücken instand zu setzen oder neu zu bauen. Rechnet man die Instandsetzungsarbeiten an weiteren Brücken hinzu (9,7 Millionen), ist man bei 33 Millionen Euro, davon müssen schon in den nächsten beiden Jahren zwei Drittel eingesetzt werden.
Die Erkenntnisse der letzten Brückenprüfung, zuletzt im Winter 2013 und im Sommer, bei der 28 größere Brücken einer Zustandsprüfung unterzogen wurden (auch unter Beteiligung von Sachverständigenbüros), können nicht nicht überraschen, viele Schäden sind offenkundig und sichtbar.
Da aber stellt sich die Frage: Wo haben alle hingeschaut? Fehlte es an Mut, dieses Problem zu thematisieren? Zu einem Zeitpunkt, da sich Heilbronn großen Zukunftsaufgaben zuwendet, sollten da diese Altlasten verdrängt werden? Es ist nicht viel mehr als Kanzleitrost, wenn Baubürgermeister Wilfried Hajek sagt, dass es keine Stadt gebe, in der immer alle Brücken im Top-Zustand sind und sein zuständiger Fachmann Thomas Ziegele erklärt, es gebe kein Sicherheitsproblem. Die Frage nach dem "wie lange" blieb ungestellt, so wie überhaupt die Gelassenheit der Stadträte verwundert, die über eine Kritik an einem Investitionsstau kaum hinaus ging.
Der Hinweis der Verwaltung, "dass aufgrund der angespannten Haushaltslage" für Unterhaltung, Wartung, Reinigung, Brückenprüfung und Pflege nur 650.000 Euro in den nächsten Doppelhaushalt eingestellt sind, lässt zusätzlich aufhorchen. Denn diese verhältnismäßig kleine Summe offenbart ein Problem hinter dem Problem: falsche Sparsamkeit. Jahrelang von zu niedrigen Sätzen ausgehend, hat man die Folgen der zu niedrigen Ansätze vor sich hergeschoben. Mit einer Budgeterhöhung in den nächsten zwei Jahren schafft man den Turnaround aber nicht. Auch nicht mit dem Hinweis, es liege nicht am Geld alleine, sondern auch am Fachkräftemangel.
Dass sich die Verkehrsbelastung in Heilbronn, und damit auch von wichtigen Brücken, wegen der nur noch eingeschränkt befahrbaren Autobahnbrücke "um ein Vielfaches erhöht hat, zum einen durch die Dichte des Verkehrs, zum anderen durch die Transportgewichte", wie es in dem Bericht steht, und dass sich von 2008 bis 2013 die Anträge für Schwer- und Großraumtransporte im Stadtkreis mehr als verdoppelt haben, was durch diese Höchstbelastung zu einer schnelleren Alterung der Brücken führt, ist auch ohne Nachhilfe des Baudezernats nachvollziehbar, so wie die Erkenntnis, dass von der Lkw-Maut nichts in der Stadtkasse ankommt.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen bei Brücken legt für solche mit Stahlüberbau 80 Jahre fest, für Beton 70 Jahren - Spannbetonbrücken sind aber oft schon nach 40 bis 50 Jahren baufällig. Just diese Zeiträume erfüllen sich jetzt. Heilbronn hat keine historischen Brücken, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war keine der großen Brücken mehr intakt, doch schon wenige Jahre danach waren die meisten wieder aufgebaut. Nicht nur, was Brücken angeht, befindet sich Heilbronn in seiner zweiten Wiederaufbauphase, die es zu meistern gilt.