Grün-Rot rüstet gegen Extremisten auf

Über 100 neue Stellen für den Kampf gegen den Terror - Auch der Verfassungsschutz profitiert - "Hohe abstrakte Gefahr"

04.02.2015 UPDATE: 05.02.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 48 Sekunden

Nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" kontrollieren deutsche Polizeibeamte in Kehl an der Europabrücke die aus Frankreich kommenden Reisenden. Foto: Winfried Rothermel

Von Andreas Böhme, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Mit einem Sonderprogramm reagiert die Landesregierung auf die gewachsene Bedrohung durch islamistische Terroristen. Bei der Polizei, der Justiz und dem Verfassungsschutz werden 131 neue Stellen geschaffen, auch die Technik wird aufgerüstet.

Ministerpräsident Winfried Kretsch᠆mann wirkt besonders ernst in einer frühen, improvisierten Pressekonferenz im Marmorsaal des Neuen Schlosses: "Es besteht eine hohe abstrakte Gefährdungslage", sagt er. Bislang unentschlossene Nachahmungstäter könnten die Mordserie in Paris als Initialzündung für eigene Taten verstehen. Auf einer auswärtigen Kabinettsitzung tags zuvor in Brüssel habe man sich auf Details des Maßnahmenpakets geeinigt. Auch die Opposition sei einbezogen worden.

Allein bei der Polizei werden 105 neue Stellen geschaffen und, soweit das auf die Schnelle möglich ist, mit Spezialisten aus den eigenen Reihen umbesetzt. Gezielt verstärkt werden die Staatsschutzermittler und Fahnder in Polizeipräsidien und Mobilen Einsatzkommandos. Auch das Internet wird stärker überwacht - vier IT-Spezialisten sollen Fortbildungen in Sachen Analyse und Sicherung digitaler Spuren leiten. "Eine schnelle Reaktion erfordert, in einem ersten Schritt erfahrene Polizisten mit den neuen Aufgaben zu betrauen", so Kretschmann. Wo die Versetzten Lücken hinterlassen, würden neue Kräfte eingestellt. Parallel werden einzelne Stellen für Spezialisten ausgeschrieben und dann zügig besetzt, wenn sie im Nachtragshaushalt verankert sind, der in rund zwei Monaten vorgelegt werden soll.

"Wir sind sehr optimistisch, Computer- und Islam-Spezialisten sowie sprachkundige Mitarbeiter relativ schnell einstellen zu können", versichert Innenminister Reinhold Gall (SPD). Wichtig sei, bereits im Vorfeld über den Staatsschutz Informationen zu gewinnen: "Wir werden dafür aufrüsten", nicht zuletzt an der Technik, für die im Doppelhaushalt 2015/2016 zusätzliche 11,5 Millionen Euro bereitgestellt werden. Bis zum Sommer will die Landesregierung möglichst viele Positionen des Terrorabwehrprogrammes umgesetzt haben.

Auch der bei den Grünen eher ungeliebte Verfassungsschutz bekommt zusätzliches Personal in der Abteilung II, die sich um internationalen Extremismus und Terrorismus kümmert. Ungeachtet der Stellenstreichungen in der Behörde in anderen Abteilungen werden hier 15 neue Jobs geschaffen. Der Konsens innerhalb seiner Fraktion sei rasch hergestellt worden, so Kretschmann. Prompt erklärte deren Chefin Edith Sitzmann "auch die langfristige Beobachtung beim Verfassungsschutz" müsse gestärkt werden.

Bleibt die Justiz: Damit sie nicht zum Nadelöhr wird, kommen elf neue Stellen hinzu. Am OLG Stuttgart soll sich ein zusätzlicher Senat, an den Landgerichten Karlsruhe und Stuttgart je eine eigene Kammer mit Staatsschutzdelikten befassen. Die Staatsanwaltschaften an beiden an beiden Standorten erhalten ebenfalls Verstärkung.

Der Südwesten, lobt Gall, sei eines der ersten Bundesländer, das präventiv auf die islamistische Bedrohung reagiere. Auf Bundesebene sei man gut vernetzt: durch Verbindungsleute im Berliner Terrorabwehrzentrum und der eigenen Analysestelle im Land. Deren täglicher Informationsaustausch sei eine der Lehren, die aus der NSU-Mordserie gezogen worden sei.

Der Verfassungsschutzexperte der CDU, Karl Zimmermann, lobte das Programm als ersten Schritt, der aber noch nicht ausreiche. Vor allem der Verfassungsschutz sei ein unverzichtbares Frühwarnsystem, die unverändert geplanten Streichungen gehörten vom Tisch.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.