Heilbronn

Von der Wohnung bis zu Behördengängen

Große Hilfsbereitschaft für eine ukrainische Flüchtlingsfamilie mit kleinen Mädchen.

22.03.2022 UPDATE: 23.03.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Seit gut einer Woche leben Valentin und seine Familie jetzt schon in Heilbronn. Der Journalist und Pfarrer möchte so schnell wie möglich Deutsch lernen und Arbeiten. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Margarita und Valentin sind seit 2015 verheiratet, Valentin schreibt in einer Mail über seine Familie: "Wir haben drei wunderschöne Töchter, Eva, Lisa und Jana. Lisa hat gesundheitliche Probleme. Sie ist geistig behindert und hat Elemente von Autismus. Ursprünglich sollten wir Zwillinge bekommen, aber ein Fötus erfror, und nur Lisa wurde geboren." Die drei Mädchen, noch im Kita-Alter, haben stramm geflochtene Zöpfe mit Spänglein von Blumen und Schmetterlingen, sie sind aufgeweckt und lebhaft.

Ihre Eltern sind mit ihnen aus der Ukraine geflohen und leben nun seit gut einer Woche in Heilbronn. Sie hatten immer noch auf Frieden gehofft, bis sie den ersten Bombeneinschlag hörten und sich danach zur Flucht entschlossen. Dabei wurde auch auf ihr Auto geschossen. Mehr wollen sie, so wie viele ihrer geflüchteten Landsleute auch, nicht erzählen. Das liegt nicht nur daran, dass sie kein Deutsch und nur ein paar Brocken Englisch sprechen. Das häufigste Wort von Valentin und Margarita ist "spasibo" – danke. Das versteht man auch hier, sie haben es inzwischen zu vielen Heilbronnern gesagt.

In Deutschland landete die Familie schließlich in Öhringen, von hier hat sie Xenia, die ehrenamtlich in der katholischen Kirche mithilft, an eine Mitarbeiterin von St. Maria Immaculata in Heilbronn "weitergereicht". Diese ist wiederum Mitarbeiterin von Ulrike D. "Ich bin zu dieser Familie gekommen wie die Jungfrau zum Kind", sagt dann auch D. Die Heilbronnerin hat über Whatsapp in kürzester Zeit eine Helfer-Community aufgebaut. Die Helfenden möchten alle nicht ihren vollen Namen nennen, denn sie möchten nicht im Mittelpunkt stehen. Unter ihnen ist auch Khan, der aus Vietnam kommt und selber geflohen ist. Eben darum hilft er.

Hintergrund

Zum Wochenanfang waren in Heilbronn offiziell 280 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. Die Homepage der Stadt listet alle Informationen zu ihren Hilfen auf, auch in Russisch und Ukrainisch nachlesbar. Darüber hinaus gibt es alle Infos zu weiteren Hilfsangeboten.

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Zum Wochenanfang waren in Heilbronn offiziell 280 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. Die Homepage der Stadt listet alle Informationen zu ihren Hilfen auf, auch in Russisch und Ukrainisch nachlesbar. Darüber hinaus gibt es alle Infos zu weiteren Hilfsangeboten. Wohnangebote wurden schon in den ersten Kriegstagen erbeten, und die städtischen Angebote sollen ausgebaut werden. Nachzulesen sind dort auch die Anschriften der Stellen für die Annahme von Spenden.

Außerdem plant die Stadt, Mutter-Kind-Spielkreise und Begegnungsorte einzurichten. Dafür werden noch Helfende gesucht, die, wenn möglich, Sprachkenntnisse besitzen, was aber nicht Bedingung ist. Dafür können auch Aufwandsentschädigungen bezahlt werden. Auskünfte erteilt Karin Idler vom Amt für Familie unter Telefon 07131 / 563586. Die "ARGE Flüchtlingsarbeit Heilbronn" der Kirchen und Wohlfahrtsverbände koordiniert das ehrenamtliche Engagement in der Geflüchtetenarbeit, auch sie sucht fortlaufend Ehrenamtliche. Infos unter www.arge-hn.de

Für die Aufnahme von geflüchteten Menschen, die zum Beispiel per Bus von den Grenzen nach Heilbronn gebracht werden, funktioniert die Stadt aktuell zwei Hallen um. Im Augärtle stehen derzeit 80 Plätze, in der Alten Turnhalle 50 Plätze bereit, dazu werden noch Ausweichquartiere gesucht. Angestrebt ist die Bereitstellung von 350 Plätzen für die Erstaufnahme. (bfk)

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Er hat der Familie sofort seine große, leerstehende Eigentumswohnung in bester Heilbronner Wohnlage zur Verfügung gestellt und zusammen mit D. ein Netzwerk von Hilfe und Helfern innerhalb weniger Tage aufgebaut. Der Neffe von D. organisierte sofort Matratzen und alles weitere Nötige, bis hin zu Waschmaschine, Staubsauger und Fernseher. Dabei hätten auch die Besitzer von Geschäften mitgeholfen, erzählt die Heilbronnerin. Für die Kinder, die auf der Flucht besonders unter Kälte gelitten hatten, organisierte sie auf der Stelle zwei Kinderwagen und kaufte Medikamente. Inzwischen braucht sie ihre Garage für die Sachspenden, und das schöne Friseurgeschäft von Khan sieht teilweise aus wie ein kleines Warenlager. Valentin spricht von ihm als seinem "Schutzengel". Auch weil er sich Zeit nimmt für sie und den Umgang mit Behörden, denn der nächste Termin steht schon fest.

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Am Montag hat sich D. den Nachmittag und Abend freigemacht für eine ausführlich Begegnung, für Erzählen, Fotos zeigen, Pizza-Essen in der "neuen Wohnung" und auch um zu erfahren, wie man noch besser helfen kann. Bei diesem Treffen wurde viel gelacht und wahrscheinlich ebenso viel geweint. Und dann ist da auch noch die Bewunderung, wie Margarita und Valentin ihr Schicksal tragen. D. sagt: "Man kann es nicht beschreiben, was man in den Augen dieser Menschen sieht."

Valentin und seine Frau beschreiben ihrerseits immer wieder per Handy-Übersetzungen wie bewegt und dankbar sie sind für die Hilfe, die sie erhalten, und auch schon auf der Flucht erhielten, es sei immer die von Christen gewesen. Dass sie ihr Schicksal mit einer so ruhigen und bewundernswerten Haltung tragen, hat eben auch diesen Grund: Sie sind tiefgläubige Menschen. Valentin, er hat unter anderem viele Jahre in Odessa gelebt, hat als Journalist gearbeitet und bezeichnet sich auch als Pfarrer. Daher hat er inzwischen in Heilbronn schon eine Andacht gehalten. Er durfte ausreisen, weil er kleine Kinder hat. Margarita ist Erzieherin, ihre Eltern blieben in der Ukraine, weil die Oma nicht mehr laufen kann, Valentin hat keine Eltern mehr. Beide wollen so schnell wie möglich Deutsch lernen und arbeiten. Valentin zeigt dabei auch auf seine Hände. Von seiner Frau sagt er: "Dies ist ihr zweiter Krieg, der erste war 2014, als Russland Kriminelle einsetzte, um die Stadt (Donezk) zu übernehmen. Und glauben Sie mir, alle Volksabstimmungen waren nur ein Schwindel, den niemand wollte."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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