Doppelhaushalt 2018/19

Der große Finanzpoker

SPD und FDP werfen Koalition Regelverstoß vor - Es geht um mehr

08.11.2018 UPDATE: 09.11.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 18 Sekunden

Der Euro. Foto: dpa

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Stuttgart. In einer gemeinsamen Aktion haben die Chefs der Oppositionsfraktionen von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, der Landesregierung einen Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung vorgeworfen. Grün-Schwarz habe im Haushaltsjahr 2017 mindestens 643 Millionen Euro zu wenig in die Schuldentilgung gesteckt habe. "Die Regierung bricht Recht - in 2017 ist das sehr deutlich", sagte Stoch. Die 643 Millionen Euro seien die "Glaubwürdigkeitslücke" der Koalition.

Die beiden Fraktionen fordern, dass die Regierung die alte Tilgungsverpflichtung im Rahmen des Nachtrags zum Doppelhaushalt 2018/19 nachholt, der im Dezember beschlossen werden soll. "Wir wollen eine vernünftige Abschlussbilanz für 2017", sagte Rülke. Die FDP dringt dabei darauf, die Summe vollständig in alte Kreditmarktschulden zu stecken. Die SPD will eine Hälfte für eine gemeinnützigen Landesentwicklungsgesellschaft nutzen, die einen Bestand an bezahlbaren Wohnungen aufbauen soll.

Das Finanzministerium wies die Vorwürfe zurück. "Das Finanzministerium hält sich selbstverständlich an die Landeshaushaltsordnung", sagte ein Sprecher von Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne). Der Rechnungshof habe die Schuldentilgung überprüft und keinen Verstoß festgestellt.

Der Rechnungshof als politisch neutrale Behörde machte sich den Vorwurf der Opposition am Donnerstag nicht zueigen. Dennoch riet er der Landesregierung, bis 2019 das sogenannte Schuldenkontrollkonto aus dem Haushaltsjahr 2017 auszugleichen. Dies sei "haushaltspolitisch sinnvoll", so die Behörde auf Anfrage dieser Zeitung.

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Der Vorwurf an die Regierung ist auch ein Mittel im Poker um die Finanzpolitik der Zukunft. Hinter den Kulissen verhandelt Sitzmann seit Monaten mit der Opposition darüber, wie die Schuldenbremse ausgestaltet wird. Diese Regel im Grundgesetz besagt, dass die Länder ab 2020 grundsätzlich keine neuen Kredite mehr aufnehmen dürfen. Sie können jedoch in ihrer Verfassung Sonderregelungen treffen. Dabei geht es etwa um die Fragen, ob Baden-Württemberg bei einer Wirtschaftskrise doch Schulden machen darf, welche Mehrheiten eine solche Ausnahmesituation beschließen können und in welchem Zeitraum diese Kredite zurückgezahlt werden müssten. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Landtag notwendig. Das gibt SPD und FDP einen Hebel, den Stoch und Rülke nun nutzen wollen. "Die 643 Millionen Euro müssen fließen, wenn man unsere Zustimmung zur Verfassungsänderung will", so Rülke.

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