Die "Sommerwelle" rollt über das Land
Ansteckungszahlen bei Corona steigen wieder deutlich. Die Süd-Bundesländer planen einen neuen Anlauf für Impfpflicht ab 60.

Von Gernot Heller, RNZ Berlin
Berlin/Stuttgart. Es ist so weit: "Die angekündigte Sommerwelle ist leider Realität geworden", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), was die Zahlen deutlich zeigen. Über 92.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden, 112 Todesfälle an einem Tag und eine Sieben-Tages-Inzidenz von 472,4 Fälle je 100.000 Einwohner – Ende Mai lag die noch nahe der 200er Marke. Die Corona-Pandemie zeigt sich trotz günstigerer Wetter-Bedingungen im Sommer vitaler als von vielen erwartet.
Hinter der aktuell ungünstigeren Entwicklung stehen offensichtlich die neuen Abkömmlinge der Omikron-Virusvariante, BA.4 und BA.5, die nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender als ihre Vorgänger sind – wenn auch offenbar hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen nicht gefährlicher. Schon im letzten Wochenbericht hatte das Robert Koch-Institut (RKI) gewarnt, mit der absehbar wachsenden Verbreitung dieser Varianten werde es zu einem Anstieg der Infektionszahlen "und einem erneuten verstärkten Infektionsdruck auf vulnerable Personengruppen schon im Sommer kommen".
Bisher hatte die Politik vor allem den Herbst im Blick gehabt. Darauf zielt auch ein neuer Versuch, eine Impfpflicht einzuführen. Baden-Württemberg will zusammen mit Hessen und Bayern einen neuen Anlauf starten, im Visier sind Menschen ab 60 Jahren. Schon vor einem Monat hatte der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha gesagt: "Es ist wichtig, dass wir die Debatte zu diesem Thema nicht aufgeben." Jetzt erinnerte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) daran, dass auf der Gesundheitsministerkonferenz kommende Woche ein entsprechender Beschluss getroffen werden sollte. "Ich bedaure immer noch, dass sich der Bundestag nicht auf eine Impfpflicht einigen konnte", sagte Holetschek. Appelle zum Impfen seien zwar wichtig. "Aber letztlich ist eine Impfpflicht der schnellere Weg aus der Pandemie." Auch ein Impfregister sei dringend nötig.
Im Herbst könnte dann auch ein auf die Virusvarianten angepasster Impfstoff vorliegen. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hat bereits das schnelle Prüfverfahren für einen angepassten Corona-Impfstoff der Hersteller Pfizer und Biontech eingeleitet.
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Bundesgesundheitsminister Lauterbach empfiehlt schon jetzt Angehörigen von Risikogruppen, wie älteren Menschen und Vorerkrankten, sich noch einmal zur Auffrischung impfen zu lassen. Zudem rät er den Bürgerinnen und Bürgern generell zu mehr Vorsicht. Jede und jeder einzelne habe es selbst in der Hand, mit dem freiwilligen Tragen von medizinischen Masken in Innenräumen oder auch mit Zurückhaltung von Kontakten sein Erkrankungsrisiko zu mindern. Von irgendwelchen verordneten Beschränkungen ist bislang nicht die Rede.
Auch das RKI empfiehlt den Bürgerinnen und Bürger, in den Sommermonaten weiterhin die bekannten Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, wie Abstand halten, Hygieneregeln einhalten, Masken in Innenräumen tragen und häufig zu lüften. Tests und ein vollständiger Impfschutz seien ebenfalls wichtig.
Wie es mit den kostenlosen Bürgertests weitergeht, die Ende des Monats auslaufen, ist noch nicht ganz klar. Lauterbachs Ministerium signalisierte aber, dass es deren Fortbestand anstrebt. Diese Tests seien eine gute Möglichkeit, zeitnahe die Entwicklung zu verfolgen und Menschen die Chance zu geben, gegebenenfalls rasch zu handeln, hieß es dazu.