Thekla Walker im RNZ-Interview

"Die Heizungsgesetz-Debatte wurde fast wie ein Kulturkampf geführt"

Bei dem Gesetz wurde vieles falsch gemacht, sagt auch die Umweltministerin. Jedoch sei das Ergebnis nun eine "gute Lösung". Der Südwesten soll von seiner Vorreiter-Rolle profitieren.

08.09.2023 UPDATE: 08.09.2023 06:00 Uhr 6 Minuten, 56 Sekunden
Gasgipfel im Neuen Schloss: Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz als Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, Innenminister Thomas Strobl (CDU), Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Umweltministerin Thekla Walker (beide Grüne), EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux, IHK-Vizepräsident Christian Erbe und Handwerkspräsident Rainer Reichhold. Foto: Murat
Interview
Interview
Thekla Walker
Umweltministerin von Baden-Württemberg (Grüne)

Von Sören S. Sgries

Heidelberg. Auch für Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) ist der Urlaub vorbei – dafür führt sie ihre Sommertour jetzt durch den ganzen Südwesten. Zwischen Buga-Besuch und Agrivoltaik-Modellprojekten steht auch ein Redaktionsbesuch in der Rhein-Neckar-Zeitung im Terminkalender der 54-jährigen Umweltpolitikerin.

Frau Walker, der Sommer im Südwesten war gut durchmischt: mal heiß und trocken, dann wieder verregnet. Ein Sommer, der für die Notwendigkeit von Klimaschutz sensibilisiert, war es eher nicht, oder?

Mein Eindruck ist, dass bei den Menschen ankommt: Das Wetter hat sich verändert. Wir haben es mit Wetterextremen zu tun. Und da reden wir nicht nur von einem "heißen" Sommer, sondern es kann sehr wechselhaft sein, auch mal mit sehr viel Regen an wenigen Tagen. Es gibt nicht das Wetter schlechthin, an dem man erkennen kann, dass wir die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen.

Wobei der Südwesten von ganz extremen Lagen glücklicherweise bisher verschont bliebt.

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Ja. Aber wer in den Sommerferien in Griechenland, in Spanien oder Italien war, hat natürlich mitbekommen, wie man dort unter den Wetterextremen zu leiden hat. Aktuell fällt in Teilen Griechenlands Starkregen, der Autos ins Meer spült. Ich denke, dass bei der Mehrheit der Bevölkerung angekommen ist, dass wir es nicht mehr mit dem üblichen Auf und Ab von heißen und verregneten Sommern zu tun haben.

Als Sie vor zweieinhalb Jahren Umweltministerin wurden, ist diese Regierung mit der Ansage gestartet: Klimapolitik wird auch Zumutungen verlangen. Gibt es die Akzeptanz in der Gesellschaft noch, das auf sich zu nehmen?

Richtig, wir hatten damals ein sehr hohes Verständnis dafür, dass etwas geschehen soll. Jetzt sickert diese Weichenstellung, die man insgesamt vorgenommen hat, durch bis zu jedem einzelnen Bürger. Wir reden aktuell ja nicht mehr allein über den Ausbau der erneuerbaren Energien oder den Umbau der Strukturen, sondern über Neuerungen, die jeden Einzelnen betreffen. Hier sieht man, dass die Akzeptanz Schwankungen unterworfen ist.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das diesen Freitag im Bundestag beschlossen werden soll, hat da sicherlich an einen Tiefpunkt geführt. Wurde in der Debatte einfach zu viel falsch gemacht?

Eigentlich ist es gut, dass man mal eine Debatte führt. Damit klar wird, dass nicht nur große Konzerne reagieren müssen, dass nicht nur große Infrastrukturen umgebaut werden müssen, sondern dass es jeden einzelnen auch dort betrifft, wo er lebt und wohnt. Ich glaube aber, dass da in den ersten Monaten vieles falsch gemacht wurde. Diese Debatte wurde ja fast wie ein Kulturkampf geführt – als sei das Verbrennen von Öl und Gas ein Kulturgut, das man unbedingt verteidigen muss. Das war sicherlich nicht zuträglich. Jetzt sollten wir über die Fakten reden, über die Kosten – und darüber, wie wir diejenigen unterstützen, die sich schwerer tun.

Halten Sie das Gesetz, wie es jetzt kommen soll, denn für gut?

Die Verbindung mit der Wärmeplanung vor Ort halte ich für eine gute Lösung. Hausbesitzer wissen dann, wenn eine Heizung ersetzt werden muss, ob und wann in ihrer Kommune zum Beispiel ein Wärmenetz geplant ist, an das sie sich anschließen können. Dadurch haben sie mehr Optionen und Planungssicherheit. Klar ist aber auch: Wenn man neu baut, sollte man auf neue Technologien, auf erneuerbare Energien setzen. Das ist einfach der ökologisch und ökonomisch vernünftige Weg. Das spart bereits mittelfristig richtig Geld.

Viele Menschen haben in der Hektik der Debatte noch schnell neue fossile Heizungen einbauen lassen. Als wie schädlich bewerten Sie das?

Es ist tatsächlich so, dass einige aus Unsicherheit und aus falscher Beratung heraus dachten, sie müssten jetzt noch auf das falsche Pferd setzen. Denn es geht dabei um Entscheidungen für Jahrzehnte. Fossile Brennstoffe werden aber über die nächsten Jahre hinweg deutlich teurer werden, weil sie nicht mehr in der bisherigen Menge zur Verfügung stehen und der CO2-Preis steigt. Fossile Brennstoffe waren daher nur das scheinbar sichere Pferd – eigentlich ist es ein totes Pferd. Man muss auf neue Technologien setzen – bei deren Produktion wir in Deutschland Vorreiter sein wollen.

Anders als im Neubau bleibt jetzt beim Heizungsaustausch wohl noch einige Zeit, in der es keine Vorschrift für klimaneutrale Heizungen gibt - weil erst die kommunale Wärmeplanung vorliegen soll. Gehen da wichtige Jahre verloren?

Wir in Baden-Württemberg haben ja schon recht früh – unabhängig vom GEG - die Wärmeplanung vorgeschrieben. Stadtkreise wie Heidelberg oder große Kreisstädte wie Schwetzingen legen bis Ende des Jahres einen Wärmeplan vor. Mein Anliegen ist es, dass sie diesen Vorsprung – dann schon zu wissen, wo etwa der Aus- oder Aufbau eines Wärmenetzes machbar ist und sich lohnt - auch nutzen können. Da geht es um wertvolle Jahre für den Klimaschutz, in denen wir im Wärmebereich nicht weiterhin CO2 ausstoßen sollten.

Drohen rechtliche Konflikte zwischen Landes- und Bundesvorgaben, die ja erst später greifen?

Nein. Nach dem, was wir an Bundesvorgaben kennen - die ja erst noch beschlossen werden müssen - gilt das, was hier bei uns erarbeitet wurde. Es wird wohl noch einige Nachbearbeitungen geben müssen. Ich kämpfe jetzt dafür, dass diejenigen, die besonders früh ihre Pläne auf den Tisch legen, auch eine besondere Förderung bekommen. Der Bund fördert den Ausbau von kommunalen Wärmenetzen. Diese Förderung sollte – wie auch die Förderung neuer Heizungen nach dem GEG – einen Geschwindigkeitsbonus enthalten. Das heißt, wer früher anfängt, kriegt mehr. Davon würde Baden-Württemberg besonders profitieren, weil für mehr als die Hälfte der Bevölkerung bereits Ende des Jahres Wärmepläne vorliegen werden.

Geht das nicht im Gegenteil nach hinten los, dass man Vorreiter ist? Fachkräfte fehlen, die Produktionskapazitäten etwa für Wärmepumpen reichen nicht aus.

Wir werden schubweise in Deutschland erleben, dass sich alle auf die Wärmeplanung stürzen. Wir sind da aber schon weiter mit unseren größeren Städten. Und einige kleinere Kommunen haben sich freiwillig auch schon auf den Weg gemacht. Jetzt geht es darum, diesen Zeitvorsprung zu nutzen, wo noch nicht ganz Deutschland das Gleiche macht. Ich hoffe auf freie Kapazitäten, um schnell in die Umsetzung zu kommen.

Also: Aus Ihrer Sicht kein Nachteil?

Die zentrale Frage ist doch: Wird es über die Jahre günstiger und einfacher, das alles umzusetzen? Bringt es also Vorteile, spät dran zu sein? Das glaube ich nicht. Ich denke: Es bringt Vorteile, früh zu sein. Unter anderem, weil man Energie- und Betriebskosten spart.

Aber was ist mit den Investitionskosten für diejenigen, die ihre Bestandsimmobilie modernisieren müssen? Da standen ja hohe fünfstellige Summen für den Einbau einer Wärmepumpe im Raum.

Da gab es in den aufgeheizten Debatten der vergangenen Monate fast schon einen Überbietungswettbewerb der Zahlen Experten, die sich mit den Heizungssystemen auskennen, gehen davon aus, dass man nicht Unsummen investieren muss. Im Verhältnis zur früheren Gastherme oder der Ölheizung sind es bei der Neuanschaffung leicht höhere Kosten, aber es rechnet sich relativ schnell bei den Betriebskosten.

Wie wichtig ist dabei staatliche Förderung?

Ich halte das für den wichtigsten Baustein, der leider am Anfang in der Debatte gefehlt hat. Inzwischen ist ja klar, dass bis zu 70 Prozent der Kosten gefördert werden..

Unsicherheit gab es auch in Sachen Dämmung: Die muss sein, bevor die Wärmepumpe sich lohnt?

Das Haus zu dämmen, effizienter zu machen, ist ohne Frage ein ganz wichtiger Schritt – und das immer. Aber die Wärmepumpenexperten sagen auch ganz klar: Es ist nicht notwendig, dass vorher alles tipptop saniert und gedämmt wurde. Sinnvoll ist es aber sicherlich, sich da gut beraten zu lassen.

In den Genuss von 70 Prozent Förderung werden nur die wenigsten kommen. Planen Sie eigene Förderangebote des Landes - gerade weil Baden-Württemberg ja etwas früher dran ist?

Wir werden uns genau ansehen, welche Förderprogramme im Wärmeplanungsgesetz, das im Herbst in den Bundestag kommen soll, angelegt worden sind. Dann schauen wir, was wir ergänzend machen können - insbesondere auf kommunaler Ebene, wenn dort Wärmenetz-Projekte anstehen. Da geht es ja oft um wahnsinnig hohe Investitionen, die wir gerne unterstützen wollen.

Also: Warten auf den Bund?

Wir fördern Wärmenetze bereits aktuell. Diese Förderung werden wir dann anpassen. Wir unterziehen aber auch jetzt schon alle unsere Förderprogramme einem Check, was wir ändern, was wir vielleicht zusammenfassen müssen.

Vergangene Woche hat die Vermögens- und Hochbauverwaltung ihre Bilanz zu den Landesgebäuden vorgestellt – und musste einräumen, dass es da mit energetischer Sanierung nicht so recht vorangeht. Unter anderem weil Fachkräfte fehlen. Wie sollen dann die normalen Bürger das schaffen?

Unumstritten ist, dass wir da einen riesigen Nachholbedarf haben. Auch als Land. Aber auch wenn es in dem Bereich einen großen Arbeitskräftemangel gibt, heißt das ja nicht, dass wir uns deshalb zurücklehnen dürfen. Gerade im Baubereich gibt es derzeit aufgrund der gestiegenen Zinsen eher eine Flaute – da werden ja durchaus Kapazitäten frei, die sich vielleicht nutzen lassen.

Wie viel politische Kapital hat diese Heizungsdebatte denn jetzt eigentlich gekostet? Können Sie noch andere Umweltprojekte angehen, oder sehen Sie eine Ermüdung der Bevölkerung?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien bleibt ein Großthema. Da kann es keine Denkpause geben. Diese Zeit haben wir nicht. Auch die Klimawandel-Anpassung müssen wir fortführen. Unsere Strukturen müssen widerstandsfähiger werden, um mit Starkregen- und Hochwasserereignissen oder mit Trockenheit umgehen zu können. Es trifft die Städte, die Wälder, die Landwirtschaft. Glücklicherweise erlebe ich aber bei meinen Vor-Ort-Besuchen eine ganz breite Bereitschaft, da weiter voranzugehen.

Gibt es denn politisch noch Konsens? Oder nutzen andere Parteien das Thema nicht doch ganz gerne, um die Grünen auflaufen zu lassen?

Bei uns erlebe ich das nicht so. Auch wir haben mit unserem Koalitionspartner heftig diskutiert, als es um das Klimaschutzgesetz ging, um die sehr weitgehende Solarpflicht. Aber wir haben das nicht öffentlich getan. Da bin ich sehr froh drum, dass wir da nicht in eine Kampfsituation gekommen sind. Gerade bei der Solarpflicht ist es doch bemerkenswert, wie bereitwillig die Leute das akzeptieren.

Da könnte man sich in Berlin also abschauen, wie man solche Gesetze kommuniziert?

Ich denke, ja. Dass wir da mit unserem Koalitionspartner an einem Strang gezogen haben, das macht echt etwas aus. Es kommt dann in der Bevölkerung ganz anders an.

Wie sehen Sie denn die andere Bevölkerungsgruppe: Diejenigen radikalen Klimaschützer, denen alles nicht schnell genug geht und die sich auf Straßen kleben. Schadet diese Radikalisierung Ihnen vielleicht sogar?

Für mich ist das kontraproduktiv. Dieses Instrument der Blockade oder Nötigung, das angewendet wird, passt für mich nicht in die Zeit. Wir wissen ja alle, dass wir uns in der Klimakrise befinden. Dafür müssen wir keine Aufmerksamkeit gewinnen. Wir sind jetzt dabei, mit dem Wissen und dem Know-how, das wir haben, in die Umsetzung zu kommen. Da gilt es, alle Akteure - von den Unternehmen bis zum den Bürgerinnen und Bürgern – als Teil dieser Bewegung zu gewinnen. Sich festzukleben, halte ich da nicht für das zielführende Instrument - auch wenn ich verstehe, wie sehr einen die Klimakrise zur Verzweiflung treiben kann. Aber diese negative Stimmung, die durch solche Aktionen verstärkt wird, die brauchen wir nicht.

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