Stephan Harbarth im RNZ-Interview

"Jordanien kann die Last der Flüchtlinge unmöglich alleine bewältigen"

Unionsfraktions-Vize über die Lage der geflüchteten Syrer, finanzielle Hilfen und die Stimmung im Land

08.08.2018 UPDATE: 09.08.2018 13:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Dank für die deutsche Hilfe: Stephan Harbarth (l.) mit Jordaniens Außenminister Ayman Safadi in Amman. Foto: privat

Von Christian Altmeier

Heidelberg. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Harbarth (46), ist am Mittwoch von einem Besuch in Jordanien zurückgekehrt, wo er sich über die Lage der Flüchtlinge aus Syrien informiert hat. Der Abgeordnete des Wahlkreises Rhein-Neckar traf den jordanischen Außenminister Ayman Safadi und machte sich im Flüchtlingslager Al-Azraq persönlich ein Bild der Lage.

Herr Harbarth, welche Rolle spielt Jordanien bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien?

Eine riesige Rolle. Jordanien hat etwa neun Millionen Einwohner und hat knapp eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Ungefähr zehn Prozent der Gesamtbevölkerung sind also Flüchtlinge.

Wie geht das Land mit den Flüchtlingen um?

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Der größte Teil von ihnen ist in Städten und Gemeinden untergebracht. Ein kleinerer Teil lebt in Flüchtlingscamps. Ich habe selbst eines dieser Camps besucht.

Unter welchen Bedingungen leben die Menschen dort?

Es ist ein sehr sehr bescheidenes Leben, das die Menschen dort fristen müssen. Sie haben aus meiner Sicht aber genügend Nahrung und auch Zugang zu schulischer Bildung. Es gibt in einem sehr bescheidenen Umfang auch Freizeitmöglichkeiten. Insofern habe ich den Eindruck, dass Jordanien im Rahmen seiner Möglichkeiten viel tut für die Menschen, die in Syrien dem Tod von der Schippe gesprungen sind.

Welche Zukunftsperspektiven haben die Flüchtlinge in Jordanien?

Das ist im Augenblick schwer zu sagen. Die Kinder durchlaufen Schulen auf der Grundlage des jordanischen Schulsystems, mit dem Ziel, dass sie danach in Jordanien studieren oder eine Ausbildung machen können. Die meisten der Flüchtlinge wollen aber nach Syrien zurück, sobald die Sicherheitslage dort es zulässt.

Wollen auch viele Flüchtlinge von Jordanien aus weiter nach Europa?

Nein, das glaube ich nicht. Mein Eindruck war, dass Jordanien auf die Flüchtlinge derzeit überhaupt keinen Druck macht, das Land zu verlassen. Solange Europa und der Westen sicherstellen, dass Jordanien, das ja selbst kein reiches Land ist, die finanziellen Mittel erhält, die nötig sind, um den Flüchtlingen ein Auskommen zu sichern, solange wird sich von dort auch kein Flüchtlingstreck auf den Weg nach Europa machen.

Deutschland ist das zweitgrößte Geberland in Jordanien. Reicht die finanzielle Hilfe, die Jordanien erhält?

Ich habe in keinem Gespräch die Forderung gehört, Deutschland möge mehr bezahlen. Vielmehr wurde mir von allen Seiten für die deutsche Hilfe gedankt. Insofern habe ich keine Anhaltspunkte dafür erhalten, dass Deutschland mehr zahlen müsste.

Wird Deutschland die Hilfszahlungen denn aufrecht erhalten?

Wie gesagt sind zehn Prozent der Bevölkerung in Jordanien Flüchtlinge. Das Land kann diese Last unmöglich alleine bewältigen. Deshalb steht die Bundesregierung auch weiter dazu, Jordanien hier finanziell behilflich zu sein.

Wie ist denn die Stimmung in der jordanischen Bevölkerung angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen?

Die Flüchtlinge sind in Jordanien nicht das Hauptproblem. Jordanien ist die Aufnahme von Flüchtlingen bereits gewohnt. Auch Millionen von Palästinensern haben dort ihre Bleibe gefunden. Was die Jordanier stärker bedrückt ist die schlechte wirtschaftliche Entwicklung des Landes in den vergangenen zehn Jahren. Deshalb wurde gerade erst die Regierung ausgewechselt. Die neue Regierung soll das Land wirtschaftlich reformieren und nach vorne bringen. Das ist nach meinem Eindruck das wichtigste Thema. Dahinter tritt die Flüchtlingsproblematik in der öffentlichen Wahrnehmung zurück.

Die schlechte Wirtschaftslage wird nicht den Flüchtlingen angelastet?

Nein, das wird sie nicht. Jordanien bekommt ja eben auch aus dem Ausland sehr viele Gelder, um die Flüchtlinge versorgen zu können. Größter Geber ist hier die USA, an zweiter Stelle kommt Deutschland. Die Flüchtlinge liegen Jordanien daher nicht auf der Tasche. Jordanien könnte das aber alleine auch gar nicht stemmen.