Gibt es ein "Rezept" gegen den Ärztemangel?
Besonders im ländlichen Bereich lassen sich immer weniger junge Mediziner nieder

Von Noemi Girgla
Dieter Hallervorden stellte einmal fest, dass die Zeit, die man im Wartezimmer verbringt, für ein Medizinstudium reichen würde. Kein Wunder. Derzeit kommen etwa 1537 Einwohner auf einen Arzt. Zwar ist die Zahl der zugelassenen Ärzte in Deutschland steigend, jedoch arbeiten viele nur noch in Teilzeit, was dazu führt, dass die Versorgungsanteile zurückgehen. Gerade im hausärztlichen Bereich verursacht das rückläufige Zahlen. Diese Entwicklung wirkt sich besonders auf ländliche Regionen aus und führt dort zu einem Ärztemangel.
> Warum lassen sich so wenige Ärzte nieder?
Das Tätigkeitsmodell, sich mit einer eigenen Praxis niederzulassen, ist heutzutage bei jungen Ärzten weniger gefragt. Das hängt vor allem mit der Work-Life-Balance zusammen. Viele zugelassene Ärzte arbeiten heute in Teilzeit, um sowohl dem Beruf als auch der Familie gerecht werden zu können. Andere schreckt von einer Niederlassung als Haus- oder Facharzt das hohe finanzielle Risiko sowie die Bürokratie und ein geringes Einkommen ab.
> Wie wirkt sich dieser Trend aus?
Die Tendenz geht derzeit zur Zentralisierung. Aus kleinen Praxen werden größere, da nur in diesen ein Anstellungsverhältnis möglich ist. Das verschärft die Probleme auf dem Land, wo es nun mal hauptsächlich kleine Praxen gibt. Daher lässt sich die derzeitige Entwicklung dort nur schwer realisieren. Es gibt jedoch Modellansätze, die sich mit der Problematik befassen und nach Lösungsansätzen suchen.
> Was für Lösungsansätze gibt es bislang?
Das baden-württembergische Ministerium für Soziales und Integration hat verschiedene Modellprojekte entwickelt. Dazu gehören "Genossenschaftliche Hausarztmodelle" oder auch "DocDirekt". Mit beiden Projekten sucht die Landesregierung nach einem pragmatischen Lösungsansatz, um dem ländlichen Ärztemangel entgegenzuwirken.
> Was versteht man unter Genossenschaftlichen Hausarztmodellen?
Mit diesem Konzept sollen Anstellungsverhältnisse sowohl in Teil- als auch Vollzeit in ländlichen Gebieten geschaffen werden. Es soll mit der Gründung von medizinischen Versorgungszentren in Form von Genossenschaften erprobt werden, wie Arbeits- und Praxisräume geteilt, bürokratische Lasten verringert oder Arbeitsabläufe aufgeteilt werden können. Damit will man nachhaltig verbesserte Rahmenbedingungen für den Beruf sowie die persönliche Lebenssituation junger Mediziner schaffen. Ziel soll sein, die Risiken und Verantwortung vor allem zu Beginn der ärztlichen Berufstätigkeit auf eine breitere Basis zu stellen, damit junge Mediziner nicht vor einer Niederlassung zurückschrecken.
> Was ist DocDirekt?
Es handelt sich dabei um ein telemedizinisches Modellprojekt, das die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt. Die ambulante medizinische Versorgung soll durch Fernbehandlung ergänzt werden. Per Telefon oder Videotelefonie bekommen Patienten kompetente medizinische Beratung von niedergelassenen Ärzten. Wegstrecken und Wartezeiten sollen so verringert werden.
> Welche Fördermodelle gibt es bislang?
In Baden-Württemberg gibt es derzeit verschiedene Förderprojekte.
Das Ministerium für Soziales und Integration hat das Förderprogramm "Landärzte" 2012 ins Leben gerufen und unterstützt so Praxisübernahmen oder Neueinrichtungen. Haus- sowie Kinder- und Jugendärzte können bis zu 30.000 Euro an Fördermitteln erhalten, wenn sie sich in einer ländlichen förderungsfähigen Gemeinde niederlassen. Auch in Nachwuchsförderung wird mit einem Stipendienprogramm investiert. Dafür müssen sich die Stipendiaten verpflichten, nach ihrer Weiterbildung in einem Bereich der Allgemeinmedizin mindestens fünf Jahre eine hausärztliche Tätigkeit in einem Fördergebiet aufzunehmen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg begegnet dem Ärztemangel mit dem Programm "Ziel und Zukunft". Damit unterstützt die Vereinigung in ausgewiesenen Fördergebieten, die sie auf ihrer Homepage ausweist, die Niederlassung freiberuflicher sowie die Tätigkeit angestellter Ärzte. Auch PJ-Studenten und Hospitationen werden bezuschusst.
In manchen Gebieten Baden-Württembergs, auch im Neckar-Odenwald-Kreis, gibt es die Möglichkeit, einen Antrag auf Förderung durch das Leader-Programm zu stellen. Die Gelder kommen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Diese Möglichkeit besteht für Praxen, die einen Beitrag zur "Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum" leisten.



