Inzidenz-Wert

Welche Angabe jetzt entscheidend ist

Die von den Kreisbehörden und vom Land angegebenen Infektionsraten liegen zuweilen auseinander - Hintergründe und Folgen:

11.03.2021 UPDATE: 12.03.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Von Daniel Bräuer

Heidelberg. Die Stadt Heidelberg liegt laut Landesgesundheitsamt seit zwei Tagen über der Sieben-Tage-Inzidenz von 50, laut hiesigem Gesundheitsamt erst seit einem. Anders der Neckar-Odenwald-Kreis: Er hat lokal einen Wert über 50 errechnet, das Land nicht. Hintergründe:

Wie kann das überhaupt sein? Die meisten Kreise, die eine eigene Inzidenz berechnen, verwenden ein leicht nachvollziehbares Verfahren: Alle Fälle der vergangenen sieben Tage, geteilt durch die Einwohnerzahl, mal 100.000. Fertig ist die Inzidenz. Dass das Landesamt zu anderen Zahlen kommen kann, kann mehrere Gründe haben:

> 1. Meldeverzug: Vor allem in der Frühphase der Pandemie kamen die Ämter nicht damit hinterher, alle Fälle nach Stuttgart zu melden. Manche gingen erst mit einem Tag Verzögerung oder mehr in die dortigen Datenbanken ein. Das verändert die Gesamtzahl und damit auch die Inzidenz. Inzwischen spielt dies aber weniger eine Rolle.

> 2. Faktor Zeit: Das Gesundheitsamt in Heidelberg veröffentlicht seine Zahlen am Vormittag, Mosbach am frühen Nachmittag. Der LGA-Bericht erscheint am frühen Abend und berücksichtigt Fälle, die bis 16 Uhr eingegangen sind. Dadurch kann es vorkommen, dass Fälle bereits in den Stuttgarter Daten, aber noch nicht den lokalen durchschlagen.

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> 3. Bereinigte Daten: Das LGA prüft die Daten, ehe es sie ans RKI weiterleitet. Dabei werden zum Beispiel doppelt erfasste Fälle oder auch veraltete aus der Inzidenz herausgenommen. Beispiel: So zählt etwa das Amt in Heidelberg alle Fälle mit, die sich zum Zeitpunkt der Diagnose in Heidelberg oder im Rhein-Neckar-Kreis aufgehalten haben. In der Regel werden diese Fälle im weiteren Meldegang aber dem Wohnort der Infizierten zugerechnet; dadurch gibt es Abweichungen zwischen den Zahlen von Kreis und Land.

Umgekehrt ist denkbar, dass jemand andernorts erkrankt und sogar ins Krankenhaus kommt. Nach der Entlassung wird der Fall an das Amt am Wohnort übergeben – taucht also in dessen Zahlen lange nach der eigentlichen Infektion auf und wird deshalb für die Sieben-Tage-Inzidenz vom Land nicht berücksichtigt.

Eine weitere mögliche Quelle sind Unterschiede in der zugrundegelegten Bevölkerungszahl, je nach Meldestand.

Und welche Zahl gilt jetzt?

Die vom Land. Im Infektionsschutzgesetz steht, dass die täglich vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten Werte maßgeblich sind. Diese entsprechen, mit einem Tag Verzögerung, denen des LGA. Auch im baden-württembergischen Erlass zu lokalen Ausgangsbeschränkungen Anfang Februar stand eindeutig: "Für die Feststellung des Überschreitens der Inzidenz (...) ist der Lagebericht des Landesgesundheitsamtes zugrunde zu legen." Ein solcher Satz stand auch in der Hotspot-Strategie des Landes vom Dezember.

Dagegen ist die aktuelle Verordnung zum Lockerungs-Stufenplan weniger klar: Sie legt nur fest, dass das lokale Amt entscheidet, ob Schwellenwerte über- oder unterschritten werden. Auf Nachfrage erklärt das Sozialministerium, die Ämter vor Ort wüssten am besten, ob sich das Virus diffus verbreitet oder in klar umgrenzten Infektionsherden. Aber: Es "sollen die vom LGA (...) bekannt gegebenen 7-Tage-Inzidenzen herangezogen werden."

Inzwischen haben sowohl das Gesundheitsamt in Heidelberg (für die Stadt und den Rhein-Neckar-Kreis) als auch das in Mosbach klargestellt, dass sie anders als bisher künftig die LGA-Werte zum Maßstab nehmen. Deswegen gibt die RNZ in ihrer täglichen Grafik und auf Seite 1 künftig diese Werte an.

In den Städten Mannheim und Heilbronn ergibt sich das Problem nicht: Sie veröffentlichen erst gar keine eigene Inzidenz, sondern nur die des LGA.

Was sind die Folgen? Wenn das Amt drei Tage am Stück einen Wert über 50 feststellt, muss zum Beispiel der Einzelhandel bald wieder auf Einkauf nach Terminvergabe umstellen. Bei drei Tagen in Folge über 100 ist auch dies nicht mehr erlaubt.