Interview

"Auf den Kosten bleibt der Landwirt sitzen"

Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband kritisiert das Agrarpaket des Bundeskabinetts - Und wünscht sich mehr Fördermittel

04.09.2019 UPDATE: 05.09.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 48 Sekunden

Von Matthias Kehl

Heidelberg. Udo Hemmerling ist stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.

Herr Hemmerling, die Landwirtschaft in Deutschland soll mit strengerem Insektenschutz dem Artensterben entgegenwirken - in erster Linie durch das Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in naturgeschützten Gebieten. Ist man damit auf dem richtigen Weg?

Wir als Landwirte sehen und wissen, dass wir mehr tun müssen zum Erhalt der Artendiversität. Der Ansatz, zusätzliche Auflagen in Gesetze reinzuschreiben, greift allerdings zu kurz. Auf den Kosten dieser Maßnahmen bleibt der Landwirt sitzen. Die Frage, wie die Mehrleistung aufgefangen werden soll, wird in dieser Verordnung nicht beantwortet.

Was spricht gegen Tabuzonen für Pflanzenschutzmittel?

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Der Markt gibt es nicht her. Wenn die deutschen Landwirte ohne entsprechende Hilfestellung höhere Kosten für die Bewirtschaftung der Flächen aufwenden müssen, ist das für sie ein Problem. Im europäischen Binnenmarkt ist auch die deutsche Ware großer Konkurrenz ausgesetzt. Das ist das Dilemma.

Was wünschen Sie sich vom Bund?

Wir bräuchten das politische Signal, dass der Bund dazu bereit ist, zusätzliche Fördermittel aufzubringen. Davon ist im aktuellen Insektenschutzprogramm jedoch keine Rede. Zwar sollen EU-Gelder zum Umweltschutz umverteilt werden. Aber das sind Fördermittel, die Landwirte in anderer Form bereits bekommen. Das ist das Prinzip "linke Tasche, rechte Tasche". Mit diesem Ansatz treibt man die Landwirte eher in die Enge.

Mit der von Ihnen angesprochenen EU-Agrarförderstrategie soll im kommenden Jahr mehr Geld von den Direktzahlungen an die Höfe in den Naturschutz umgeschichtet werden - nämlich sechs Prozent statt der bisherigen 4,5 Prozent. Tun die 1,5 Prozent für den Naturschutz den Landwirten weh?

Ich bezweifle, dass es überhaupt eine fertige Strategie gibt. Die konkreten Maßnahmen, wie zum Beispiel eine sinnvolle Reduktion von Glyphosat aussehen soll, sind noch nicht ausverhandelt. Wichtig ist für die Landwirtschaft, dass wir in der EU einigermaßen gleichlaufende Anwendungsmaßnahmen haben. Ich wünsche mir da eine gewisse mittelfristige Verlässlichkeit, was die Verträge betrifft.

Darüber hinaus will das Bundeskabinett ein staatlich geprüftes Tierwohllabel bei Schweinefleisch einführen, auf freiwilliger Basis der Landwirtschaftsbetriebe. Agrarministerin Julia Klöckner möchte damit mehr Transparenz für Verbraucher schaffen. Ein für Sie nachvollziehbarer Ansatz?

Haltungskennzeichnungen für Schweine- und Geflügelfleisch gibt es längst. Daher brauchen wir das freiwillige Label nun nicht mehr. Es ist schon da, als Branchenstandard in den Regalen.

Welche gesetzlichen Anforderungen der Fleischkennzeichnung sind vonnöten?

Der nächste Schritt wäre die Verknüpfung hin zur Herkunft des Fleisches. Wo ist das Tier geboren, aufgezogen beziehungsweise geschlachtet worden? Kommt es aus anderen europäischen Ländern, aus Deutschland oder aus regionalen Betrieben? Das sind die Angaben, die die Verbraucher sehen wollen. Dazu bräuchte es eine entsprechende Freigabe der EU-Kommission, damit es binnenmarktkonform ist. Doch an diesem Punkt bietet das Agrarpaket nichts. An der Realität des Marktes und der Verbraucher geht der aktuelle Gesetzesvorschlag vorbei. Ein freiwilliges Label wird nicht die gewünschten Effekte bringen.