Im Energiesparmodus

EU-Energieminister beschließen Gas-Notplan

Die Länder sollen ihren Verbrauch um 15 Prozent senken. Die Kommission will die Privathaushalte entlasten.

27.07.2022 UPDATE: 27.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Gas
Wird die Energiefrage zur sozialen Frage? Die Unsicherheit vor dem Winter und die Teuerungswelle bei Gas, Strom und Sprit belasten immer mehr Menschen.

Von Stephanie Lob

Brüssel. Die Energieminister der EU-Staaten haben sich am Dienstag in Brüssel auf einen Gas-Notfallplan für diesen Winter verständigt. Damit will die EU Solidarität unter anderem mit Deutschland zeigen, das besonders von russischem Gas abhängig ist. Allerdings hat der Plan Lücken. Andere Vorhaben sind ins Stocken geraten oder noch nicht umgesetzt:

Die Gasspar-Pflicht

Trotz immer neuer russischer Gas-Lieferausfälle verzichtet die EU zunächst auf eine Sparpflicht. Nach dem am Dienstag erzielten Kompromiss sollen die Länder bis Ende März freiwillig 15 Prozent Gas einsparen. Dafür können sie Vorgaben für Verbraucher und Industrie erlassen, etwa reduzierte Heiztemperaturen im Winter.

Im Notfall kann ein Sparzwang beschlossen werden, doch die Hürden sind hoch: Mindestens fünf Länder müssen die EU-Kommission anrufen, einen Vorschlag zu machen. Diesen müssten die EU-Staaten dann mit qualifizierter Mehrheit beschließen – also mindestens 15 Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

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Eine Reihe von EU-Ländern können aber Ausnahmen von der Sparpflicht beantragen – etwa solche mit geringem Anschluss an das Verbundnetz wie Spanien und Portugal oder in einer Insellage wie Irland oder Zypern. Das eigentlich geplante Einsparziel von insgesamt 45 Milliarden Kubikmeter Gas lässt sich damit nicht erreichen.

Übererfüllung der Ziele

Will Deutschland schwerwiegende Folgen etwa für die gashungrige chemische Industrie abwenden oder sich gegen eine Rezession absichern, müsste die Bundesregierung ein höheres Sparziel ausgeben als die 15 Prozent. "Wer weiß, vielleicht schafft man ja auch mal 16 oder 20 Prozent", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Brüssel. Auch mit eigentlich ausgenommenen Sektoren wie der Düngemittelindustrie will der Wirtschaftsminister reden.

Der Vorsitzende der Internationalen Energie-Agentur, Fatih Birol, nannte den Winter einen "historischen Test für die EU". Er sagte deutschen Medien gegenüber, Europa müsse 20 Prozent des Gasverbrauches einsparen, um eine größere Krise zu verhindern.

Alternative Gasanbieter

Norwegen, Aserbaidschan, Katar oder die USA: In den vergangenen Monaten haben die EU-Kommission und Länder wie Deutschland versucht, alternative Anbieter zu Russland zu finden. Vor allem auf das bei Umweltschützern umstrittene Flüssiggas (LNG) setzt die EU. Doch "die nicht-russischen Gasressourcen werden mengenmäßig einfach nicht ausreichen, um die Lieferungen aus Russland zu ersetzen", warnte IEA-Chef Birol kürzlich.

Gemeinsame Gaseinkäufe

Durch den Einkaufstourismus wächst die Furcht vor einem Überbietungswettbewerb der EU-Länder. Bei einem Gipfeltreffen im März hatten sich die Staats- und Regierungschefs deshalb auf gemeinsame Käufe von Gas, Flüssiggas und Wasserstoff geeinigt, nach dem Vorbild der Corona-Impfstoffe. Bisher kommt die gemeinsame Beschaffungsplattform aber nicht voran.

Vorsorgliche Speicher-Füllung

Die EU-Vorgabe zum präventiven Auffüllen der Gasspeicher greift bisher zu kurz. Laut Beschluss von Ende Juni müssen die nationalen Gasspeicher zum 1. November zu mindestens 80 Prozent gefüllt sein. Im Schnitt sind laut EU-Kommission aber erst rund 65 Prozent erreicht.

Habeck will deutlich darüber hinausgehen: Bis zum 1. November sollen die deutschen Speicherstände auf 95 Prozent steigen, wie er vergangene Woche ankündigte. "Wir haben 23 Speicher, 18 von denen sind um die 80 Prozent gefüllt", betonte der Grünen-Politiker in Brüssel.

Preisdeckel für Gas

Um die Verbraucher im Notfall zu entlasten, prüft die EU-Kommission zudem Obergrenzen für die Gaspreise. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte kürzlich, Brüssel werde solche Preisdeckel "in einer Notfalllage auf den Tisch legen". Das würde bedeuten, dass die Bundesregierung die Gaspreise für Verbraucher und Industrie subventionieren müsste.