Gedenkfeier für Corona-Tote

"Wir sehen die Wunden, die die Pandemie geschlagen hat"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zum Gedenken an die Corona-Toten eingeladen.

18.04.2021 UPDATE: 20.04.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Erinnern und Mut machen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim nationalen Gedenkakt in Berlin. Foto: dpa

Von Ulrich Steinkohl

Berlin. Brigitte Lückert aus Bremen, Norbert Herr aus Fulda, Robert Bergsch aus Kiel, Gertrud Schott aus Kempten, Yossi Esman aus Berlin – fünf Namen von 120. 120 Porträtfotos, 120 Schicksalon Samuel Barber auf und geben dem Sterben in der Corona-Pandemie plötzlich ein Gesicht. Sie stehen stellvertretend für 79.914 Menschen, die in Deutschland in der Pandemie bereits ihr Leben verloren haben.

"Wir sehen die Wunden, die die Pandemie geschlagen hat. Wir gedenken der Verstorbenen. Und wir fühlen mit den Lebenden, die um sie trauern", sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede beim staatlichen Gedenkakt.

Das noch immer wütende Virus erzwingt ein Gedenken im kleinsten Kreis: Fünf Hinterbliebene mit jeweils einer Begleitperson und die Spitzen der fünf Verfassungsorgane sitzen im leer geräumten Konzertsaal – in Hufeisenform und mit weitem Abstand voneinander. Dazu kommen die führenden Vertreter der Kirchen, der Apostolische Nuntius Nikola Eterovic als ranghöchster Vertreter des Diplomatischen Korps und Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) als amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz.

Steinmeier weiß um den wachsenden Unmut in der Bevölkerung wegen der oft als undurchsichtig und nicht nachvollziehbar empfundenen Beschlüsse dieses Gremiums. Er hat in den vergangenen Wochen mehrfach Verständnis für diesen Unmut gezeigt und spricht ihn auch am Sonntag kurz an. "Wo es Fehler und Versäumnisse gab, da müssen und werden wir das aufarbeiten. Aber nicht an diesem Tag. Nicht heute", sagt er all denjenigen, die im Vorfeld gefordert hatten, diese Fehlentscheidungen müssten bei der nationalen Gedenkveranstaltung Thema sein.

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Stattdessen spricht der Bundespräsident vom einsamen Tod vieler Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, auch jener, die nicht mit dem Virus infiziert waren. Und Steinmeier spricht von der Verzweiflung der Angehörigen, die "gebangt, gezittert und geweint" haben.

So wie Michaela Mengel aus Essen, eine der fünf Hinterbliebenen. Sie hat ihre 23 Jahre alte Tochter verloren. Steinmeier hat sie bei einem Online-Gespräch mit Hinterbliebenen Anfang März kennengelernt. An diesem Sonntag bringen sie im abgedunkelten Konzerthaus jeweils eine Kerze zu einer Gedenkstelle in der Mitte des Saales. Anita Schedel aus Passau, die um ihren Mann trauert, macht dies zusammen mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Esrin Korff-Avunc aus Ritterhude, deren Vater an einer Covid-19-Infektion gestorben ist, stellt mit Kanzlerin Angela Merkel je eine Kerze auf. Finja Wilkens aus Ganderkesee bei Oldenburg, die ihren Vater verloren hat, wird auf diesem Gang von Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) begleitet. Detlev Jacobs, dessen Mutter vier Tage vor ihrem 80. Geburtstag in Koblenz gestorben ist, geht den Weg zusammen mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Am Ende stehen zehn Kerzen in einem Kreis um bunte Blumengestecke.

Steinmeier erinnert auch an jene Menschen, die zwar nicht am Virus erkrankt sind, aber dennoch in den vergangenen Monaten durch die Pandemie Schaden genommen haben. "An jene, die seelisch krank geworden sind vor Einsamkeit und Enge. An Menschen, die Gewalt erlitten haben. Wir denken an jene, die in wirtschaftliche Not geraten sind und um ihre Existenz bangen." Und Steinmeier dankt ausdrücklich Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, die "oft bis zur völligen Erschöpfung und nicht selten darüber hinaus" um jedes Menschenleben kämpfen.

Trotzdem verbreitet Steinmeier an diesem Tag auch Zuversicht. "Wir werden von dieser Pandemiezeit gezeichnet sein, aber auch an ihr wachsen", sagt er. "Wir werden die Pandemie hinter uns lassen! Wir werden aufatmen und wieder frei leben."