Fleischindustrie

"Niedrigpreise haben Folgen für Beschäftigte"

Guido Zeitler kritisiert die Bedingungen in der Fleischindustrie - Corona-Ausbrüche in Unterkünften

13.05.2020 UPDATE: 14.05.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Guido Zeitler. Foto: dpa

Von Annette Dönisch, RNZ Berlin

Berlin. Guido Zeitler ist Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten.

Herr Zeitler, gleich mehrere Schlachtbetriebe in Deutschland müssen wegen Corona-Infektionen in ihrer Mitarbeiterschaft schließen. Warum ist die Branche besonders stark betroffen?

In der Fleischindustrie arbeiten Beschäftigte unter sehr prekären Bedingungen. Sie arbeiten größtenteils über Werkverträge, werden also nicht fest angestellt, und monatelang in Massenunterkünften untergebracht. Diese Situation muss geändert werden. Das zeigen die Coronavirus-Ausbrüche einmal mehr. Die Menschen, die dort arbeiten, kommen vorwiegend aus Osteuropa. Die Infektionen der Mitarbeiter finden aus unserer Sicht nicht am Arbeitsplatz, sondern in den beengten Unterkünften oder beim Transport in die Fabrik statt. Die Unterbringung wird in der Regel von Subunternehmen der Schlachthöfe gestellt. Die Unterkünfte verfügen häufig nicht über hygienische Bedingungen. So war es leider nur eine Frage der Zeit, bis es dort zu einem Coronavirus-Ausbruch kommt. Die Schlachtkonzerne waschen ihre Hände in Unschuld, wenn etwas schiefgeht, denn sie schieben die Verantwortung auf die Subunternehmen.

Der Verband der Deutschen Fleischwirtschaft weist die Vorwürfe von sich. Nicht die Arbeitsbedingungen seien der Grund für die Infektionen, sondern dass die Branche auch in der Krise ihre Produktion fortführen musste, anders als etwa die Autoindustrie. Eine plausible Erklärung?

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Der Vergleich hinkt. Auch andere Branchen haben die Produktion fortgeführt. Uns ist nicht bekannt, dass in einer Großbäckerei massenhaft Corona ausgebrochen sein sollte. Die Massenunterkünfte gibt es in dieser Form nur in der Fleischindustrie. In dem System wird mit zu wenig Geld gewirtschaftet. Die Supermärkte machen Druck, wenn die Preise erhöht werden. Die Konsumenten sollten sich bewusst sein, was die Niedrigpreise für Folgen, auch für die Beschäftigten haben.

Was muss nun geschehen, um die Arbeitnehmer besser zu schützen?

Wir haben gestern ein Schreiben mit Sofortmaßnahmen und Forderungen an die Fraktionen und die Ministerien versandt. Die Fleischindustrie nutzt Werkverträge, um die komplette Arbeit, die im Kernbereich des Unternehmens liegt, wie die Schlachtung, konsequent per Werkvertrag an teilweise dubiose Firmen auszulagern. Das halten wir für falsch. Ein Schlachtkonzern sollte ureigene Tätigkeiten, wie das Schlachten und Zerlegen von Tieren, nicht über Werkverträge auslagern dürfen. Häufig kann die Justiz zudem den Missständen nicht nachgehen, wie es nötig wäre. Wir fordern besondere Staatsanwaltschaften, die sich um den Gesundheits- und den Arbeitsschutz kümmern.

In der Coronakrise öffnen die Restaurants, Cafés und Hotels nur langsam, während der Einzelhandel und andere Branchen komplett wieder den Betrieb aufgenommen haben. Sollte das Gastgewerbe schneller wieder öffnen dürfen?

Entscheidend ist nicht die Geschwindigkeit, sondern das Konzept, das die Öffnung begleitet. Betriebe sollten nicht Hals über Kopf öffnen, ohne sich Gedanken über sichere Abläufe gemacht zu haben. Wir fordern, dass die Kontrollen der Behörden, wie die gastronomischen Unternehmen, die Schutzmaßnahmen umsetzen, zunehmen. Die Beschäftigten sollten auch mehr Pausen erhalten. Die Kellnerinnen und Kellner müssen bis auf Weiteres mit Mundschutz arbeiten, das ist anstrengend. Die Arbeitgeber müssen also einplanen, dass ihr Personal mehr Pausen braucht. Die Betriebe müssen sich auf viele Dinge einstellen und sich gut vorbereiten.