Feindbild Polizei und Alkohol

Wieso kommt es in deutschen Großstädten vermehrt zu Randale?

Die nächtlichen Wochenend-Krawalle in Stuttgart und Frankfurt haben eine Debatte über die Ursachen und Konsequenzen ausgelöst.

20.07.2020 UPDATE: 21.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden
Müllabfuhr: Der Frankfurter Opernplatz wird künftig an Wochenenden nach Mitternacht gesperrt. Foto: dpa

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin

Frankfurt/Berlin. Erst Stuttgart, jetzt Frankfurt – die nächtlichen Krawalle in der Bankenmetropole am Wochenende sind nur die jüngste erschreckende Folge einer Serie von Gewalt in deutschen Städten und haben eine Debatte über die Ursachen und notwendige Konsequenzen ausgelöst. Fünf verletzte Polizisten, eine Spur der Verwüstung und stundenlanger Ausnahmezustand rund um den Frankfurter Opernplatz. Polizeikräfte hatten dort einem Verletzten helfen wollen und waren angegriffen und mit Flaschen beworfen worden. 39 mutmaßliche Täter wurden nach den jüngsten schweren Ausschreitungen festgenommen wegen des Verdachts auf Körperverletzung, versuchte Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch.

Laut Polizei handelt es sich um 38 Männer und eine Frau im Alter von 17 bis 23 Jahren überwiegend mit Migrationshintergrund. Alle seien wieder auf freiem Fuß, weil die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft gefehlt hätten, so ein Polizeisprecher. Für den Opernplatz, der sich vor allem in der Corona-Zeit zu einem beliebten Party-Treffpunkt entwickelt hat, wurde eine Art Zapfenstreich verhängt, ein Betretungsverbot an den Wochenenden nach Mitternacht. Gegen ein Großteil der Tatverdächtigen, der aus anderen Städten nach Frankfurt gekommen war, soll eine Aufenthaltsverbotsverfügung ausgesprochen werden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer forderte gestern, die Täter müssten empfindlich bestraft werden. Polizeibeamte handelten im Auftrag der Gesellschaft und verdienten Respekt. "Die schlägt man nicht, bespuckt man nicht, beleidigt man nicht", erklärte er. "Wir müssen uns insgesamt mit der Frage beschäftigen, wie wir diese Gewaltexzesse verhindern können", sagte er. Der CSU-Politiker spricht sich nach den Krawallen für eine Studie über Gewalt gegen Polizeibeamte aus. Eine solche Analyse müsse klären, was in Deutschland seit längerem dazu führe, "dass die Polizei, bis in wichtige Bereiche der Politik und der Medien hinein, so beschimpft und verunglimpft wird", erklärte er in einem Interview. Seehofer war zuletzt dafür kritisiert worden, dass er eine zunächst angekündigte Studie über Rassismus in der Polizei jetzt nicht durchführen will.

Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius ging hart mit den Gewalttätern ins Gericht: "Wer die Polizei angreift, greift den Staat an. Das werden wir in keiner Form dulden", sagte der SPD-Politiker. Die Polizei habe sich völlig einwandfrei verhalten und ihre Arbeit gemacht. "Das, wofür sie da ist. Für Sicherheit und Ordnung zu sorgen", erklärte Pistorius. Wenn sie dann angegriffen werde, mit Flaschen und Steinen beworfen wird, sei das nicht akzeptabel. "Das ist schlicht und ergreifend Gewalt gegen den Staat und gegen die Polizei", kritisierte er. Die Forderung nach härteren Gesetzen wies Pistorius zurück. Es habe in den vergangenen Jahren bereits Gesetzesverschärfungen gegeben. Die Polizei müsse künftig noch mehr Präsenz zeigen und dürfe nicht zurückweichen. Man dürfe Menschen, die wie in Stuttgart und Frankfurt Straftaten begingen, keinen Meter Raum lassen.

Frankfurt sei die "Afterparty von Stuttgart", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller. Jetzt müsse es darum gehen, Ursachen für die Gewaltexzesse klar zu benennen. Dazu gehörten "eine gescheiterte Integration und das Leugnen von Missständen durch linke Eliten". Bereits nach den schweren Ausschreitungen von Stuttgart vor zwei Wochen hatte es Warnungen vor einer Zunahme von Attacken auf Polizeikräfte gegeben. Laut Bundeskriminalamt hatte es im vergangenen Jahr 36.959 tätliche Angriffe und Widerstand gegen die Staatsgewalt gegeben, 8 Prozent mehr als 2018.

Die Stadt Frankfurt will derweil auf Gastronomen und Clubbetreiber zugehen, "um im öffentlichen Raum Konzepte zuzulassen." Wie diese aussehen sollen, ist noch unklar. Matthias Morgenstern, Inhaber des Tanzhaus West in Frankfurt und Vorsitzender des Netzwerks "Clubs am Main" hatte kürzlich schon angemahnt, die Partymeilen auf den Straßen seien "ein Folgeproblem der nach wie vor ohne Öffnungsperspektive geschlossenen Clubs". In Frankfurt verteilten sich normalerweise 50.000 Menschen auf die Clubs. "Die sind jetzt woanders, auf der Straße und suchen sich ihre eigenen Freiräume." Oder wie es der Bochumer Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes ausdrückt: Nachts sei zumeist viel Alkohol oder Drogen im Spiel und "jegliches rationale Denken wird schnell abgeschaltet".