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"Fürs Rösten braucht man mehr Gefühl als für die Liebe"

In der Welt von Leopold Edelbauer, der ein Kaffeeinstitut 1998 gründete, dreht sich alles um die aromatischen Geheimnisse der unscheinbaren Bohnen

14.09.2015 UPDATE: 02.10.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 36 Sekunden

Kaffee ist unser liebstes Genussmittel: Er beschäftigt 25 Millionen Menschen weltweit. Foto: Fotolia

Die Luft ist rauchig und die Temperatur fast tropisch - im kleinen Räumchen der Volkshochschule Hietzing in Wien. Überall stehen Gläser, mit grünen Bohnen gefüllt. Die Atmosphäre mit den altertümlichen Landkarten an den Wänden erinnert an vergangene Zeiten. Hier in der Welt von Leopold Edelbauer, der das Kaffeeinstitut 1998 gründete, dreht sich alles um die aromatischen Geheimnisse der unscheinbaren Bohnen.

Fünf Teilnehmer sind es dieses Mal, die vom Professor für Kaffeekunde alles übers "schwarze Gold" lernen möchten. Die 88 Jahre hindern ihn nicht daran, sein schier unerschöpfliches Wissen voll Leidenschaft zu vermitteln.

Hintergrund

Der viertägige Experten-Kurs kostet 405 Euro. Danach erst kann der fünftägige Sommelier-Kurs belegt werden (570 Euro). Beide Kurse werden vom Institut für Kaffee-Experten in Wien angeboten. Kaffeewissen, das Rösten und verschiedene Zubereitungen werden von Leopold Edelbauer

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Der viertägige Experten-Kurs kostet 405 Euro. Danach erst kann der fünftägige Sommelier-Kurs belegt werden (570 Euro). Beide Kurse werden vom Institut für Kaffee-Experten in Wien angeboten. Kaffeewissen, das Rösten und verschiedene Zubereitungen werden von Leopold Edelbauer vermittelt.

Workshops und Ausbildungen bis hin zum fünftägigen Röstkurs für 1950 Euro bietet das Coffee Consulate in Mannheim an.

Viertägige Barista-Kurse für 895 Euro gibt es unter anderem in der Barschule in München. Der Barista Intensivkurs beinhaltet theoretisches Fachwissen im Bereich Kaffee und vermittelt praktische Arbeitstechniken bei der Herstellung des perfekten Kaffees. 

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Es ist still im Kaffeeparadies, denn "fürs Rösten braucht man mehr Gefühl als für die Liebe", erklärt die Eminenz des Kaffees. "Seit 65 Jahren beschäftigt mich das schwarze Lebenselixier", Das Getränk, aus dem er vielleicht einen Teil seiner Kraft und Energie schöpft, denn ein Kurstag ist lang und der Professor unermüdlich, wenn es um den richtigen Dreh beim Rösten geht. Ab und zu quietschen die Kurbeln der Rösttrommeln, die sich über den Brennern drehen. Jeder findet seinen eigenen Rhythmus. Spannung liegt in der Luft - alle warten auf die ersten Geräusche der Bohnen.

Leise muss es sein, um das Knacken nach rund zehn Minuten nicht zu verpassen. Mit dem sogenannten First Crack heißt es aufzupassen. Die hohe Kunst des Röstens besteht jetzt darin, den Kaffee so zu veredeln, dass das volle Aroma ausgebildet wird. Dabei dürfen die Bohnen nicht zu dunkel werden.

Rodrigo Bascur, der nach Abschluss seines Sommelier-Kurses eine Rösterei in seiner Heimat Santiago eröffnen möchte, nimmt immer wieder die schwarze Handtrommel vom Feuer und schüttelt sie kräftig hin und her. Dabei werden die Bohnen abgekühlt und die Hitze reguliert. "Das ist fast wie beim Zumba tanzen", sagt er lachend und wischt sich die Schweißperlen von der Stirn.

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Bei diesem Prozess bilden sich die Aromen aus, von denen bisher nur rund 800 bekannt sind. Außerdem baut die schonende Langzeitröstung - bei Temperaturen bis maximal 200 Grad - unverträgliche Gerbsäuren, Chlorogene genannt, ab und mildert die Säure im Kaffee. Industriell bearbeitete Bohnen werden bei starker Hitze nur kurz geröstet. Dadurch werden nicht alle Bohnen gleichmäßig gebräunt. Der Kaffee behält mehr Säure und die verträgt nicht jeder Magen gleich gut.

"Hopp, hopp, hopp, schütteln", energisch treibt Edelbauer seine Studenten an. Ab und zu wirft er prüfende Blicke auf die Bohnen, die immer brauner werden. Endlich ertönt das erlösende Kommando "fertig und raus". Jetzt ist Eile angesagt, denn die heißen Bohnen müssen rasch im Sieb abgekühlt werden. Sie prasseln beim Hin-und-her-Schwenken.Unbeschreiblicher Kaffeeduft erfüllt das ganze Zimmer.

Nicht zu schwarz brennen!

Alle sind gespannt auf Edelbauers Urteil. Ganz nach der Maxime des österreichischen Offiziers Luigi Fernando Marsigli aus dem Jahr 1685 beurteilt der Kenner die Ergebnisse: "Man brennt die Bohne nicht zu schwarz, es schadet ihr und man brennt alles weg, was die Melancholie und das Phlegma vertreibt". Jetzt zeigt sich, wer Gefühl für die Bohne hat. "Na also, geht doch", lobt der Kaffeeliebhaber. Wer’s nicht hat, bekommt nur ein kurzes, ungläubiges Kopfschütteln. Die verbrannten Bohnen glänzen am nächsten Tag durch die ausgetretenen ätherischen Öle.

Jeder wiegt sein Endprodukt. Rund 15 bis 20 Prozent verlieren die gerösteten Bohnen an Gewicht. Industriell verarbeitete Bohnen werden aus Zeitgründen mit Wasser gekühlt. Bis zu fünf Prozent dürfen davon im Kaffee zurück bleiben und machen den Röstverlust teilweise wett - allerdings auf Kosten der Ergiebigkeit. Das Volumen der Bohnen nimmt dagegen mit steigenden Temperaturen zu.

Es wird noch ein bisschen diskutiert, bevor die Bohnen ins Glas wandern. Dann entscheidet Edelbauer, von allen nur Professor genannt, welche Sorten verkostet werden. Für ihn gibt es nichts Schöneres als das frische Aroma einer Wiener Röstung, das der Karlsbader Kanne entströmt: "Wenn ich morgens den Duft der frisch gemahlenen Kaffeebohnen einatme, bin ich glücklich", sagt Leopold Edelbauer - seine lebhaften Augen leuchten dabei.

Die weiße schnörkelige Porzellankanne hat einen Aufsatz mit einem feinen Sieb. Löffelweise kommt das 90 Grad heiße Wasser auf das frisch gemahlene Pulver. Durch den feinen Filter tröpfelt der Kaffee nur langsam in die Kanne und hat Zeit, sein volles Aroma zu entfalten. Wichtig ist die richtige Dosierung. Edelbauer, der selber einige Tässchen über den Tag trinkt - am liebsten schwarz - empfiehlt zehn Gramm Pulver auf eine Tasse Wasser. "Wer seinen Kaffee mit Obers und Zucker verfeinert, bekommt wenig vom wahren Geschmackserlebnis mit".

Überzeugen lässt sich der Experte nicht von jeder Sorte. "Der beste Arabica kommt aus Sidamo. Er stammt direkt aus der Wiege des Kaffees - dem Hochland im südlichsten Teil Äthiopiens". Dort werden die ungespritzten Bohnen handverlesen, gewaschen und auf Gestellen, die sowohl von oben und unten belüftet werden, getrocknet. Nasse Bohnen schimmeln leicht und können mit ungesunden Keimen belastet sein.

Die Bedeutung des Kaffees zeigt auch die Handelsbilanz: Das Genussmittel ist nach Erdöl der wichtigste Exportrohstoff und beschäftigt über 25 Millionen Menschen weltweit. Mehr als 140 Millionen Säcke Kaffee von 60 Kilogramm werden jährlich - bei zunehmender Nachfrage - geerntet, davon fast doppelt so viel Arabica wie Robusta. Letztere Sorte enthält mehr Säure und fast doppelt soviel Koffein wie die Hochland-Bohne, die erst ab 600 Metern gedeiht.

"Das schwarze Gebräu aus Robusta- Bohnen kann man nur heiß trinken. Denn die verbrannten Geschmacksnerven nehmen das Bittere gar nicht mehr wahr", erklärt Edelbauer überzeugt. Als Beimischung findet sich Robusta oft im Espresso.

"Wichtig ist, dass die Packungen das Röstdatum aufweisen. Kaffee wird immer mehr als Frische-Produkt verstanden", erklärt auch Florian Steiner, der seit sieben Jahren eine kleine Rösterei in Heidelberg betreibt und ebenfalls in Edelbauers Kursen zum Rösten fand. Neben seiner Rösterei betreibt Steiner ein Kaffeehaus in Heidelberg-Neuenheim.

Gefiltert wird seit eh und je

Wien, die Stadt der Kaffeehäuser und des jahrhundertealten Kaffeekults, überrascht so manchen Kursteilnehmer mit ausgefallenen Kaffeespezialitäten. Gute Laune beim Trinken verbreitet die "Wiener Melange Orangino". Das besondere Geschmackserlebnis liegt im Hochprozentigen, das vor dem Genuss flambiert wird. Der Kaffeeliebhaber geizt dabei nicht am Cointreau und gießt für den guten Geschmack noch ein Gläschen nach. Verfeinert wird das Ganze mit Orangenschalen und etwas Schlagobers.

Ungerösteten Rohkaffee kennt heutzutage kaum jemand mehr. Kaffee gibt es vakuumverpackt im Supermarkt. Aus Zeitgründen drücken viele am liebsten nur aufs Knöpfchen, wenn einen die Kaffeelust packt. Doch immer mehr Kleinröster bieten vielfältige Arten der Koffeinzufuhr an. So auch Volker Huber, der Betreiber einer kleinen Rösterei in Baden-Baden, der im Kurs noch mehr über die Herstellung des schwarzen Elixiers lernen möchte. "Bei uns im "Kaffeesack" erlebt der Filterkaffee seine Renaissance".

"Eigentlich ist das Filtern nie aus der Mode gekommen. Vor allem in den skandinavischen Ländern ist es seit jeher weit verbreitet", weiß Florian Steiner, der die Skandinavier als die besten Kaffeeröster kennt. Der Konsument von morgen scheint immer neugieriger zu werden, was die Herkunft, die Herstellung, die Aromastoffe und die Zubereitung seines Lieblingsgetränks angeht. Was liegt näher als der Vergleich mit dem edlen Tropfen - Wein-Sommeliers kennt schließlich jeder. Warum sich nicht auch von den Geschmackserlebnissen überraschen lassen, mit denen der Kaffee-Sommelier überrascht?

Info: Bekannte Wiener Kaffeehäuser: Cafe Central, Hofzuckerbäckerei Demel, Cafe Landtmann, Cafe Schwarzenberg, Cafe Sperl Altwiener Kaffeehaus Dommayer , Sluka , Cafe Hawelka Weitere berühmte Kaffeetempel: New York, Budapest, Tommaseo, Triest.