Von Tim Müller
Heidelberg. Ulrich Eith ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Freiburg. Seine Fachgebiete sind Wahl- und Parteienforschung sowie das deutsche Regierungssystem.
Herr Eith, wie viel Satire verträgt die Politik?
Das kommt ganz darauf an. Politik ist einerseits eine ziemlich ernste Angelegenheit, andererseits hat Satire die Fähigkeit, die fragwürdigen Seiten der Politik genauer ins Visier zu nehmen.
Nach eigenen Angaben will die Satirepartei "Die Partei" auf genau diese fragwürdigen Seiten aufmerksam machen. Schafft sie das?
Im Einzelfall mag das so sein, wie das Beispiel von Herrn Sonneborn im EU-Parlament zeigt. Aber meist zeigt sich die "Partei" eher als eine Art Spaßpartei, in deren Aktionen man den satirischen Anspruch nicht unbedingt erkennen kann.
In Mauer tritt ein Bürgermeisterkandidat der "Partei" an mit der Begründung, er wisse aus seiner Erfahrung als Stadtrat, wie wenig ein Bürgermeister können müsse. Ist das noch Satire?
Meines Erachtens ist das keine Satire. Bürgermeister haben eine große Verantwortung. Sie sind auf acht Jahre gewählt und sitzen als Leiter der Verwaltung und des Gemeinderates in der zentralen Position der Kommunalpolitik in Baden-Württemberg. Wer das macht, braucht ein gutes politisches Gefühl und viele Kompetenzen, zudem Organisationstalent und Durchsetzungsvermögen. Für mich sieht das so aus, als wollte dieser Kandidat nur öffentliche Aufmerksamkeit erregen.
Erzeugt die Satirepartei mit ihren Provokationen nicht mehr Aufmerksamkeit für sich selbst als für die Sache?
Wenn es darum geht, Interesse für die "Partei" zu erzeugen, scheinen mir ihre Aktionen nicht allzu erfolgreich zu sein. Schließlich handelt es sich bei ihr immer noch um eine Kleinstpartei. Insgesamt glaube ich, dass es in den heutigen Zeiten, in denen bis in höchste Staatsämter Populisten sitzen, äußerst schwierig ist, mit Mitteln der Satire Politik konstruktiv-kritisch zu gestalten.
Ist es dann gerechtfertigt, dass Abgeordnete wie Herr Sonneborn im EU-Parlament dafür Diäten erhalten?
Es gibt keinen Maßstab dafür, wer seine Diäten erhalten sollte und wer nicht. Er ist gewählter Abgeordneter und damit stehen sie ihm zu. Herr Sonneborn ist schließlich vom Volk gewählt. Und wenn die Wähler mit seinem Tun nicht einverstanden sind, gibt es die Möglichkeit, ihn beim nächsten Urnengang nicht mehr zu wählen.
Der "Partei" wird oftmals vorgeworfen, dass sie die Politik diskreditiere. Hat sie damit nicht einen ähnlich subversiven Charakter wie die AfD?
Grundsätzlich denke ich, dass die AfD wie jüngst in Thüringen einen sehr zynischen Umgang mit den demokratischen Spielregeln an den Tag legt. Ein Rechtsstaat basiert nun mal auf klar definierten Regeln. Diese sind heute herausgefordert und insofern ist das Mittel der satirischen Regelverletzung heute wesentlich problematischer als noch vor fünf Jahren. Angesichts dieser rechtspopulistischen Gefahr denke ich, ist der mögliche Schaden durch satirische Verunglimpfung stärker zu bewerten als der konstruktiv-kritische Nutzen.
Wer wählt die "Partei" und warum?
Gesicherte Erkenntnisse zu der Wählerschaft gibt es meines Wissens nicht. Aber wie jede andere Kleinstpartei hat auch die "Partei" ihre Sympathisanten, die ganz unterschiedliche Motivationen haben. Beispielsweise ein sehr spezielles Anliegen, das als besonders wichtig angesehen wird, oder eine unernste Alternative zur Nichtwahl. Das ist ein sehr weites, schwer definierbares Feld.
Ist die Satirepartei das Kind eines demokratischen Sättigungsgefühl?
Das ist sehr schwer zu beurteilen. Einerseits lässt sich beobachten, dass manche Bürger die Demokratie als vollkommen selbstverständlich betrachten. Andererseits steigt insgesamt das Engagement angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel und der wachsenden Gefahr des Rechtspopulismus.
Linken-Chef Bernd Riexinger reagierte jüngst mit einer ironischen Bemerkung auf die Aussage einer Parteifreundin, dass man Reiche nicht erschießen wolle. Steckt hinter Ironie in der Politik stets ein wahrer Kern?
Ich hoffe, in diesem Fall nicht. Meines Erachtens sind solche Äußerungen in einer Zeit, in der wir rechtsterroristische Morde erleben, völlig deplatziert.
Sind Bundestagsdebatten im Laufe der Jahre langweiliger geworden?
Bundestagsdebatten stehen heute nicht mehr im Zentrum der politischen Diskussion. Diese hat sich verlagert, nicht zuletzt in die allabendlichen Talkshows. Die Räume und Formen für die öffentliche Debatte sind deutlich vielschichtiger geworden. Früher erreichten Bundestagsdebatten hohe Einschaltquoten, mittlerweile ist das unvorstellbar.