"Das ist keine Abrechnung - aber die Situation birgt Gefahren"
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Thomas Strobl (58, F.: dpa) ist stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und baden-württembergischer Landeschef. Der gebürtige Heilbronner ist der Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble.
Herr Strobl, Angela Merkel tritt nach 18 Jahren nicht mehr als Vorsitzende der CDU an. Wie hat sie die Partei in dieser Zeit verändert?
Schauen Sie sich an, wer US-Präsident, wer französischer Präsident, wer britischer Premierminister war, als Angela Merkel Parteivorsitzende wurde. Daran sehen Sie, wie viel Zeit vergangen ist, wie sich die Zeiten geändert haben. Angela Merkel hat Deutschland sicher und verlässlich durch bewegte Zeiten geführt, denken Sie etwa an die Finanzkrise. Bei Bertolt Brecht wird Herr Keuner ganz bleich, als ihm ein alter Bekannter nach langer Zeit sagt, er habe sich gar nicht verändert. Kurzum, die Zeiten haben sich geändert, die Herausforderungen sind andere geworden, und deshalb hat sich auch die CDU verändert. Nicht von ungefähr haben wir schon vor Monaten den Prozess eingeleitet, dass die CDU unter ganz viel Beteiligung ihrer Mitglieder ein neues, zeitgemäßes Grundsatzprogramm bekommt. Es gilt ganz im Sinne von Franz Josef Strauß: Der Konservative steht an der Spitze des Fortschritts.
Merkel hat immer gesagt, Parteivorsitz und Kanzleramt gehören in eine Hand. Nach ihrem Rückzug als CDU-Chefin will sie jetzt dennoch bis 2021 Kanzlerin bleiben. Wie lange geht das gut?
Angela Merkel packt an, was viele für unmöglich gehalten haben, das so auch noch kein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geschafft hat: einen selbstbestimmten, geordneten Übergang zu ermöglichen. Sie ist nicht auf der Flucht. Angela Merkel und die oder der neue Parteivorsitzende werden sich nach dem Parteitag ausführlich und in Ruhe zusammensetzen, die Arbeitsgrundlage klären, dann kann das funktionieren. Allen ist klar: Es geht nicht um einzelne Personen und wie die miteinander persönlich können - es geht um Deutschland.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat sich für Friedrich Merz als Merkel-Nachfolger ausgesprochen. Wäre dessen Wahl das Beste für das Land, wie Schäuble meint, oder wäre Annegret Kramp-Karrenbauer die bessere Parteichefin und Kanzlerkandidatin?
Wir haben kluge Delegierte, die in der Partei verankert sind, die brauchen keine Wahlempfehlungen von mir. Deshalb sage ich nichts, was auch nur in die Nähe einer Wahlempfehlung kommt. Das Schöne im Moment ist: Mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn - ich nenne sie in alphabetischer Reihenfolge - hat unsere Partei die Wahl zwischen drei Hochkarätern, die allesamt Parteivorsitz könnten. Andere Parteien würden sich nach so einem Personalangebot die Finger lecken!
Aber die CDU Baden-Württemberg steht klar hinter Merz …
Alle drei haben Anhängerinnen und Anhänger in Baden-Württemberg. Aber freilich haben Probeabstimmungen zum Beispiel auf Kreisparteitagen quer im Land ein deutliches Plus für Friedrich Merz ergeben. Das ist so und das kann ich ehrlich so sagen. Auf dem Parteitag entscheiden Delegierte, die geben ihre Stimme frei und geheim ab. Es entscheidet ja auch nicht Baden-Württemberg alleine - schaun wir mal!
Sind Merz und Schäuble nicht eher die Vertreter der alten CDU als für Aufbruch und Neuanfang?
Wolfgang Schäuble mit seinen 76 Jahren ist sicher aus dem Alter herausgewachsen, in dem man als politisches Nachwuchstalent gilt, und Friedrich Merz ist auch kein jugendlicher Springinsfeld mehr. Aber alte CDU? Entschuldigung, mit einer solchen Kategorie kann ich gar nichts anfangen. Mit meinen 58 Jahren finde ich nicht, dass nur das Alter darüber entscheidet, ob jemand Menschen für eine Sache begeistern, Aufbruchsstimmung erzeugen kann.
Schäubles vehementer Einsatz für Merz und seine Kritik an Merkel wirken wie eine Abrechnung. Wird die Entscheidung von Hamburg zu einer Zerreißprobe für die Partei?
Wolfgang Schäuble hat unter Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kabinett unserem Land treu und loyal und hervorragend gedient. In seine Meinung jetzt eine Abrechnung hineinzuinterpretieren, finde ich absurd. Aber klar ist, die Situation birgt Gefahren. Deshalb sage ich seit Wochen: nach dem 7. kommt der 8. Dezember. Der politische Gegner sitzt in den anderen Parteien. Die Person, die den Parteivorsitz gewinnt, und auch die beiden anderen, haben dann eine große Verantwortung.
Was, wenn nach dem Parteitag eine tief gespaltene CDU zurückbleibt?
Das wird nicht geschehen. Allen - jeder und jedem - ist klar, das würde Deutschland, der CDU und sich selbst schaden.