"Wir lassen uns nicht unter Druck setzen"
Von Tobias Schmidt, RNZ Berlin
Berlin. Der gebürtige Bad Dürkheimer Ralf Stegner (58) ist stellvertretender SPD-Vorsitzender. Der Wahl-Schleswig-Holsteiner gehört dem linken Flügel der Partei an. (Foto: dpa)
Herr Stegner, SPD-Chef Martin Schulz hat nach dem Jamaika-Aus eine "gute Lösung" für Deutschland versprochen. Wie könnte diese aussehen?
Eine einfache Lösung gibt es jedenfalls nicht. Wir wünschen uns weder Neuwahlen noch eine Große Koalition. In Europa gibt es verschiedene Modelle, mit denen wir bisher in Deutschland keine Erfahrungen haben. Dazu gehören zum Beispiel die Tolerierung einer Minderheitsregierung, Duldungsmodelle, befristete zeitliche Verabredungen oder wechselnde Mehrheiten. Nun sind sehr intensive Gespräche der demokratischen Parteien notwendig. Dafür müssen alle Beteiligten ihr parteipolitisches Taktieren zurückstellen und sich bereiterklären, sich für das Wohl des Gemeinwesens zu arrangieren.
In der SPD mehren sich die Rufe, genau das zu tun und sich einer Neuauflage der Großen Koalition nicht zu verweigern …
Ein "Weiter-so" in der GroKo ist nicht unser Wunsch und würde den Wählerwillen nicht respektieren. Mit einem Rekordminus von 14 Prozentpunkten für Union und SPD haben die Wählerinnen und Wähler die Große Koalition am 24. September abgewählt.
Sollte die SPD nicht die Chance nutzen, in einer Großen Koalition mit einer angeschlagenen Kanzlerin sozialdemokratische Kernanliegen durchzusetzen?
Wir wissen, wohin Sirenenklänge führen. Aber es gilt der Satz von Willy Brandt: "Erst kommt das Land, dann kommt die Partei." Die SPD ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Klar ist: Eine Änderung der Parteibeschlüsse zur Absage einer neuen Großen Koalition - zu der ich nicht rate - wäre ohnehin ohne eine Beteiligung der Parteimitglieder nicht möglich. Aber für die gegenwärtige Situation ist in erster Linie die Bundeskanzlerin verantwortlich. Angela Merkel hat mit ihrer CDU, CSU, Grünen und FDP vier Wochen verhandelt und hat kurz vor Jamaika Schiffbruch erlitten. Jetzt mit dem Finger auf die SPD zu zeigen, finde ich äußerst fragwürdig.
Neuwahlen als Option scheiden aus?
Nicht alles zu versuchen, um baldige Neuwahlen zu verhindern, wäre ein enormer Fehler. Aber Deutschland ist ein stabiles Land, es gibt keine Staatskrise. Der Müll steht nicht auf den Straßen, der Strom ist nicht ausgefallen und wir haben keine Unruhen und keine Krise. Wenn wir Zeit brauchen für Gespräche über die Bildung einer Koalition, dann kann die geschäftsführende Bundesregierung auch noch weiterarbeiten.
Mit seiner Blitz-Festlegung auf die GroKo-Absage ist Martin Schulz in den eigenen Reihen krachend gescheitert. Wie groß ist sein Rückhalt überhaupt noch?
In der Frage steckt eine Behauptung, die ich nicht teile. Die gemeinsame Entscheidung, nach dem 24. September die Oppositionsrolle zu wählen, war richtig und ist bei der Partei auf außerordentlich große Zustimmung gestoßen. Niemand sollte sich über die Stimmungslage in der SPD und die Position von Martin Schulz täuschen. Die Verlierer sind die Parteien der schwarzen Ampel, die es in vier Wochen nicht hinbekommen haben, sich zu einigen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn ausgerechnet die jetzt mit dem Finger auf die SPD zeigen, ist das ein schäbiges Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen. Wir lassen uns nicht unter Druck setzen.
Wird die Entscheidung auf dem Parteitag in zwei Wochen getroffen werden müssen?
Die Lösung wird kompliziert, es stehen schwierige Gespräche aller demokratischen Parteien an, dafür ist Zeit notwendig. Ich rechne nicht mit endgültigen Festlegungen auf dem Parteitag.