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Von Benjamin Auber
Heidelberg. Politikwissenschaftler Karsten Grabow ist Referent für Parteienanalyse bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin.
Politikwissenschaftler Karsten Grabow. Foto: zgHerr Grabow, wie bewerten Sie den gegenwärtigen Zustand der Demokratie in Deutschland?
Der Zustand ist relativ robust. Natürlich gibt es immer wieder Schwankungen, aber etwa zwei Drittel der Deutschen sind derzeit mit der Demokratie zufrieden und das auch über sehr lange Zeiträume. Das hat sich in der Corona-Pandemie sogar noch verbessert, vor allem auch im internationalen Vergleich.
Funktioniert denn die parlamentarische Demokratie auch in Bezug auf Corona so wie sie soll?
Bei aller Kritik daran ist eines wichtig, dass die Gewaltenteilung und die Institutionen funktionieren. Da hat es bisher gut geklappt, weil jede Ebene genau das macht, wofür sie zuständig ist. Deutschland hat ein relativ kompliziertes politisches System und das ist den Menschen im Alltagsgebrauch oft gar nicht so bewusst. Einzelne Entscheidungsbereiche und Zuständigkeiten sind auf den ersten Blick nicht leicht zu durchdringen. Wenn sich wie bei Corona in den Maßnahmen ein föderaler Flickenteppich einstellt, was ja legitim ist, dann entsteht leicht der Eindruck, dass ein komplettes Durcheinander herrscht. Aber so sind im Föderalismus die Zuständigkeiten. Das schwächt aber die Demokratie keineswegs.
Ein Teil der Gesellschaft fühlt sich aber abgehängt. Wie besorgt sind Sie?
Das sollte jeden mit Sorge erfüllen, weil ein Teil der Bevölkerung die Spielregeln der Demokratie ablehnt und die öffentliche Debatte mitbestimmt. Dort ist in Teilen eine Bevölkerungsgruppe unterwegs, die kaum noch zugänglich ist für rationale Argumente und verbissen für ihr Weltbild kämpft. Es wird dann problematisch, wenn die Kompromissfindung nicht mehr stattfindet. Man muss aber auch andere Meinungen und Niederlagen akzeptieren. Zum Wesen der Demokratie gehört, dass meine Interessen von einer Mehrheit überstimmt werden können.
Rechtsextremisten unterwandern die Szene. Ist das unser Hauptproblem?
Den rechten Kräften bieten die Anti-Corona-Demonstrationen natürlich eine großartige Bühne, um ihre verfassungsfeindlichen Botschaften zu transportieren. Eines ist all diesen Corona-Demonstranten gemein, die Skepsis gegenüber staatlichem Handeln, die in eine generelle Ablehnung münden kann.
Die Corona-Krise hat auch gezeigt, dass Regierungshandeln profitieren kann. Ein Trend, der die Demokratie stärkt?
Es ist ein zu erwartender Trend, dass die Stunde der Exekutive schlägt. Sie zeigt Handlungsfähigkeit, nimmt das Problem an und versucht, das Land vor größerem Schaden zu bewahren. Das zeigt sich vor allem an den individuellen Corona-Hilfen für verschiedene Berufsgruppen. Das Ausmaß der Unzufriedenheit an der Großen Koalition hat sich massiv gewandelt, weil sich ein Großteil der Bevölkerung zufrieden mit dem Krisenmanagement zeigt.
Führt weniger Streit und mehr Einigkeit eher zu einer demokratie-freundlichen Haltung in der Gesellschaft?
Generell kann man nicht sagen, dass Demokratie nur klappt, wenn Konsens herrscht, auch konstruktiver Widerspruch tut der Demokratie gut. Die Grünen sind ein gutes Beispiel. Sie sprechen nicht unbedingt konsensorientierte Themen an, sind aber derzeit beliebt, obwohl gewisse Maßnahmen zu Einschnitten des persönlichen Lebens führen würden. Es hängt davon ab, wie Kontroversen geführt werden und ob sie sich im Rahmen der demokratischen Grundregeln bewegen.
Schauen wir auf die US-Wahl. Wie wichtig wird das Ergebnis sein, wenn es um die Zukunft der Demokratie geht?
Für die Zukunft der weltweiten Demokratien ist die Wahl wichtig. Die Zahl der vollständig entwickelten Demokratien ist eher rückläufig. Eine Wahl in einem Land muss nicht zwangsläufig einen negativen Einfluss bedeuten, könnte aber Signalwirkung haben. Autokratische Herrscher könnten weiterhin profitieren.
Welchen Einfluss könnten vier weitere Jahre Donald Trump auf uns haben?
In Fragen zu den Verteidigungsausgaben oder der geopolitischen Neuausrichtung hätte es sicher einen Einfluss. Ich glaube aber nicht, dass uns eine weitere Amtszeit massiv schaden würde, denn es wäre ja ein Ende in Sicht, auf das wir zuarbeiten können, auch um die deutsch-europäisch-amerikanischen Beziehungen wieder zu verbessern.