Von Klaus Welzel
Heidelberg. Es ist das Impfen! Auf diesen kurzen Nenner bringt der Virologe Hans-Georg Kräusslich die Formel, wie Corona besiegt werden kann. Und er stimmt auf einen langen Lockdown ein.
Professor Kräusslich, was hat der Lockdown in der Region gebracht?
Angesichts der Feiertage kann man im Moment noch nicht genau sagen, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Es wurde ja auch weniger getestet. Sicher können wir sagen, wie sich die Situation in den Kliniken und Intensivstationen entwickelt hat. Dort war es vor den Feiertagen sehr bedrohlich, die Lage hat sich seither ein wenig verbessert. Die Anzahl der intensivpflichtigen Patienten in der Region ist etwas gesunken, aber vor allem nicht weiter angestiegen.
RNZ-Corona-Podcast - Folge 34: Wie gefährlich ist die Variante B.1.1.7?
Interview: Klaus Welzel / Schnitt und Produktion: Reinhard Lask
Für eine Entwarnung ist es also zu früh?
Wir gehen davon aus, dass wir ab Mitte nächster Woche wieder verlässliche Zahlen zum Infektionsgeschehen haben werde. Das ist die erste volle Woche, ohne Feiertage, im neuen Jahr. Aber ich glaube nicht, dass die Zahl der Infektionen sehr deutlich gesunken ist. Auch das Robert-Koch-Institut hat heute wieder 32.000 Infektionen gemeldet, nachdem die Zahlen über die Feiertage niedriger schienen.
Ab Montag gelten härtere Lockdown-Regeln als bisher. Kann man sagen, dass der bisherige Lockdown seit November seine Ziele nicht erreicht hat?
Das kann man so sagen. Die aktuellen politischen Entscheidungen beruhen auf der Einschätzung, dass die Infektionszahlen nicht deutlich genug zurückgegangen sind. Um dies zu erreichen, muss und will man die Zahl der Kontakte reduzieren – und viele machen das ja auch. Aber eben viele auch nicht, wie zuletzt an den Feiertagen an Ausflugsorten, Ski- und Rodelbahnen gesehen.
Das Bundeskanzleramt wies darauf hin, die neue, hochansteckende britische Virus-Mutation B1.1.7 sei ein Grund für weitere Verschärfungen. Für wie gefährlich halten Sie diese Mutation?
Die Gefahr besteht in der möglicherweise schnelleren Ausbreitung, nicht in veränderter Krankheit. Und der Impfstoff von Biontech/Pfizer schützt auch gegen diese Variante. Aber die Variante hat sich zuletzt in Großbritannien stark ausgebreitet. Ich bin aktuell zurückhaltend mit einer abschließenden Bewertung, aber es spricht vieles dafür, dass das Virus sich effizienter ausbreiten könnte. Was das für die Pandemie insgesamt bedeutet, ist allerdings noch nicht klar. Die aktuelle Situation und die Situation vor Weihnachten, als zum Beispiel die Berliner Charité mehrere Tage schließen musste, wurden aber durch das bekannte Virus ausgelöst und sind bereits Grund genug für die Maßnahmen.
Wieso wird in Deutschland viel weniger als in anderen Ländern sequenziert, also das Virus untersucht, inwiefern es mutiert?
Wir sequenzieren in der Tat viel weniger als in Großbritannien, wo das vorbildlich gemacht wird. Aber es wird natürlich auch hier sequenziert. Wenn diese Virusvariante also auch bei uns schon sehr stark verbreitet wäre, würde man das sehen. Aber sie ist in Deutschland vorhanden und wahrscheinlich häufiger als bekannt.
Wird denn aus Geldmangel hier weniger sequenziert?
Die Kosten können nicht als diagnostische Leistung abgerechnet werden. Insofern ist das momentan nur in spezifischen Forschungsprojekten finanziert. In Großbritannien werden dagegen 8000 Virussequenzen pro Woche bestimmt.
Thema Impfen: Wer mitmachen will, muss früh aufstehen, weil die Termine immer nur drei Wochen im Vorhinein auf den Tag genau vereinbart werden können. Weshalb ist das so?
Weil momentan einfach nicht mehr Impfstoff da ist. Das zentrale Impfzentrum organisiert das – meiner Kenntnis nach – sehr gut und bemüht sich, die leider noch geringe Zahl an Impfdosen, die der Region zugeteilt werden, bestmöglich zu verimpfen und sicherzustellen, dass keinesfalls Impfdosen verfallen oder nicht genutzt werden. Aber es besteht ein Mangel, weil noch nicht genug Impfstoff für alle produziert werden konnte.
Warum werden die Berechtigten nicht einfach angeschrieben?
Das ist eine Entscheidung der Bundesländer. Baden-Württemberg hat diesen Weg gewählt. Wie das zustande gekommen ist, weiß ich aber nicht.
Wie nehmen die Beschäftigten am Universitätsklinikum das Impfangebot an?
Bisher ist die Nachfrage viel höher als das Angebot. Ganz viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Uniklinikums wollen geimpft werden und müssen aktuell vertröstet werden, weil noch nicht genug Impfstoff zur Verfügung steht. Wir sehen uns natürlich an, ob wir bestimmte Berufsgruppen besser motivieren müssen, das Impfangebot anzunehmen. Im Moment ist das aber nicht das Problem.
In Zahlen ausgedrückt: Wie viele Mitarbeiter wurden bisher geimpft?
Ich kenne die genaue Zahl nicht, aber auf jeden Fall mehrere hundert Personen.
Nach unseren Informationen ergab eine Testung an südbadischen Schulen, dass sich vor allem jüngere Schüler mit dem Coronavirus infizierten, aus der Oberstufe dagegen so gut wie niemand. Was besagt das für die Impfstrategie?
Nichts, weil die Impfung von Biontech/Pfizer erst ab 16 Jahren, die von Moderna ab 18 Jahren zugelassen ist. Zu Kindern und Jugendlichen werden die Studien erst durchgeführt, diese Ergebnisse muss man abwarten, bevor sie geimpft werden können.
Wie lange dauert das ungefähr?
Das dauert sicher noch einige Monate. Aber auch dann halte ich es für sinnvoller, zuerst ältere Menschen und Personen mit besonderem Risiko einer Infektion zu impfen.
Ihre Prognose: Kann der Lockdown Ende Januar aufgehoben werden?
Ich kann mir das nicht vorstellen. Wie wirksam und wie nachhaltig die bisherigen Maßnahmen waren, werden wir im Verlauf der nächsten Woche besser beurteilen können. Aber ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass Ende Januar die Einschränkungen weitgehend oder vollständig aufgehoben werden.
Und wann bekommen wir unser normales Leben zurück?
Ich erwarte, dass der Sommereffekt und die Impfkampagne ab Mitte des Jahres die Wende bringen können. Wenn wir auf das letzte Jahr zurückblicken, gingen die Infektionen Ende April und im Mai deutlich zurück und im Sommer hatten wir eine relativ entspannte Situation. Das sollte auch dieses Jahr eintreten, selbst wenn dann noch nicht genug geimpft sind. Die breite Impfung erreichen wir möglichst über den Sommer und können hoffentlich auf einen ebenfalls entspannteren Herbst blicken. Aber die Hoffnung vor März, April einen deutlichen Rückgang zu sehen – da bin ich sehr, sehr skeptisch.