"Besser sein als der Spiegel der Gesellschaft"
Polizei-Gewerkschafter Radek fordert Ermittlungen im NRW-Skandal - Öffentlicher Dienst sollte untersucht werden

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Polizeihauptkommissar Jörg Radek ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Im geschäftsführenden Bundesvorstand ist er unter anderem verantwortlich für Beamtenpolitik, Personalvertretungsrecht und Spezialeinheiten.
Herr Radek, nach der Aufdeckung rechtsextremistischer Chatgruppen in der NRW-Polizei gibt es breite Debatte darüber. Von Einzelfällen kann nicht länger die Rede sein, oder?
Es gab bereits in der Vergangenheit Fälle vergleichbarer rechtsextremer Gruppen in der Polizei in den Bundesländern Baden-Württemberg und Hessen. Wir erleben jetzt eine Häufung von Fällen. Jetzt muss ermittelt werden, ob es sich hier um feste Strukturen handelt, ob es sich um rechtsextreme Gruppen handelt und in welchem Zusammenhang diese miteinander stehen.
Die Chatgruppen gab es über Jahre, ohne dass dies aufgefallen waren oder gemeldet worden sind. Warum sind diese rechtsextremen Umtriebe nicht früher entdeckt worden?
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Die Art der Kommunikation spielt hier sicher eine Rolle. WhatsApp-Gruppen sind geschlossene Gruppen. Jeder hat es selbst in der Hand, ob er in einer solchen Gruppe bleibt oder nicht. Wenn es dort Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gibt, muss jeder aussteigen. Da kann sich niemand rausreden. An dieser Stelle ist Charakter gefordert. Dann muss man sagen: Es reicht! Ich steige aus.
Welche Konsequenzen muss es geben?
Jetzt sind vor allem zwei Dingen wichtig: Die Ermittlungen müssen mit Hochdruck weitergeführt und dienstrechtliche wie strafrechtliche Konsequenzen geprüft und vorgenommen werden. NRW-Landesinnenminister Herbert Reul hat dies bereits angekündigt. Er verdient hier volle Unterstützung. Wir müssen vor allem auch die Widerstandskräfte in der Polizei gegen rechtsextremes Gedankengut stärken. Wir wollen keinen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in der Polizei haben. Die große Mehrheit hat damit nichts zu tun. Sie müssen wir stärken.
Rechtsextremismus ist ein wachsendendes Problem in der Bevölkerung. Ist die Polizei auch hier ein Spiegel der Gesellschaft?
Die Polizei ist dazu berufen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen und zu verteidigen. Daher müssen wir besser sein als der Spiegel der Gesellschaft oder der Durchschnitt. Die Prüfung auf Eignung beginnt mit dem Einstellungsverfahren. Da müssen nicht nur die sportlichen Fähigkeiten geprüft werden, sondern auch die geistigen. Es muss nach dem sozialen Engagement gefragt werden. Wie verwurzelt ist jemand, der zur Polizei will, in der Zivilgesellschaft? Wie steht er zu unseren Werten und unserer Verfassung? Das muss geklärt werden.
In der Vergangenheit gab es die Forderung, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den Polizeidienst aufzunehmen. Haben wir in diesem Bereich Nachholbedarf?
Da haben wir schon einiges erreicht. In Sachsen-Anhalt etwa ist der Anteil der Polizisten mit Migrationshintergrund in der Polizei mit 7,3 Prozent höher als der in der Bevölkerung mit 6,5 Prozent. Wir haben einen Prozess eingeleitet, der ist noch nicht ausreichend und auch kein Allheilmittel. Das kann nur eine von mehreren Maßnahmen sein. Wir müssen die Kollegen auch besser fortbilden, damit sie mit dem Erlebten in den Einsätzen besser umgehen können.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte es zuletzt abgelehnt, eine Studie über Rassismus in der Polizei in Auftrag zu geben. Wäre es nicht an der Zeit für eine umfassende Analyse?
Wir sollten im gesamten Öffentlichen Dienst untersuchen, welche Umstände die Beschäftigten dort anfällig werden lassen für Rechtsextremismus oder etwa Rassismus.



