Hadert mit dem deutschen Pisa-Ergebnis: Bildungsministerin Anja Karliczek. Foto: dpa
Von Annette Dönisch und Matthias Kehl
Berlin/Heidelberg. Maximal Mittelmaß. Für mehr reicht es im repräsentativen Bildungstest der Pisa-Studie für Deutschland derzeit nicht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) führt die Bundesrepublik im weltweiten Vergleich mit 79 Ländern auf folgenden Rängen: Lesekompetenz: Platz 20, Mathematik: Platz 20, Naturwissenschaft: Platz 16.
Die Studie
Die Pisa-Studie ist die größte internationale Schulleistungsvergleich-Studie. Seit dem Jahr 2000 werden dafür alle drei Jahre weltweit Hunderttausende Schüler im Alter von 15 Jahren getestet. Dieses Mal nahmen rund 600.000 Schüler aus 79 Ländern teil, in Deutschland waren es knapp 5500. Die neuen Zahlen wurden 2018 erhoben. "Die Studie ist absolut valide", sagte Anne Sliwka, Professorin für Bildungsforschung an der Universität Heidelberg. Im aktuellen Test, den die Schüler vorwiegend am Computer absolvierten, ging es diesmal verstärkt um die Lesekompetenz.
Deutschlands Entwicklung
Fast zwei Jahrzehnte nach dem großen "Pisa-Schock" und dem anschließenden Aufwärtstrend zeigt die Leistungskurve der deutschen Schüler wieder nach unten. Im internationalen Vergleichstest schnitten die Deutschen in allen drei Testbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften schlechter ab als drei Jahre zuvor. "Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein", klagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek gestern in Berlin.
Wer liegt vorne?
Insgesamt auf den vorderen Plätzen rangieren vor allem Estland gefolgt von Kanada, Finnland, Irland, Korea und Polen. "Diese Länder sind, vor allem was die frühkindliche Bildung und die Grundschule angeht, deutlich besser aufgestellt als Deutschland", so Anne Sliwka. Gerade Estlands Vorschulen verfolgten spielerisch einen verbindlichen Bildungsplan.
Wo es hakt
Jeder fünfte 15-Jährige erreicht beim Lesen gerade einmal Grundschulniveau. Zudem scheitern deutsche Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften schon an einfachsten Aufgaben. In einer Fähigkeit schnitten deutsche Schüler besonders schlecht ab: In der Unterscheidung zwischen Meinung und Tatsache. Dies gelingt hierzulande nur jedem zehnten der 15-Jährigen, in den USA, Kanada und Finnland ist es jeder siebte. Ein anderer Punkt ist, dass Deutschlands Jugendliche zunehmend die Lust am Lesen verlieren. Jeder zweite Befragte sagte: "Ich lese nur, wenn ich lesen muss."34 Prozent sagten sogar, für sie sei Lesen eine Zeitverschwendung.
Soziale Herkunft ausschlaggebend
Erneut deutlich: In Deutschland gibt es einen besonders starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Erfolg in der Schule. "Wir brauchen eine systematische Diagnose des Lernstands in der Sprache und der Mathematik - dies kann auch mit digitalen Mitteln erfolgen", sagt Bildungsforscherin Sliwka. Für Schüler mit Förderbedarf müsste diese ebenso wie für Leistungsstarke erstellt werden, um viel passgenauer fördern zu können.
Verbesserungspotenzial
Bildungsministerin Karliczek gibt die Richtung vor: "Wir wollen in die Spitze der Pisa-Studie aufsteigen." Nur wie? Sliwka spricht sich für eine "gut aufeinander abgestimmte Strategie mit klaren Zielen" aus. Lernstandsdiagnostik würde Lehrer entlasten und Transparenz schaffen. Die 49-Jährige plädiert zudem dafür, die Schulen flächendeckend mit modernen Schulbibliotheken auszustatten, so wie sie in anderen Schulsystemen Standard sind.