Auf den Einfluss von Auto- und Luftfahrtlobby weißt dieses Kind mit seinem Bobycar vor dem Berliner Reichstag hin. Foto: AFP
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Die Konjunktur auf Talfahrt, viele fürchten um ihre Existenz, mehr als sieben Millionen Menschen sind in Kurzarbeit. Auch wenn die Corona-Beschränkungen jetzt wieder aufgehoben werden – die wirtschaftlichen Auswirkungen sind immens und das Ausmaß längst noch nicht abzusehen. Die Große Koalition will jetzt mit einem Milliarden-Paket helfen und die Folgen begrenzen. Experten warnen, das Konjunkturprogramm und seine Maßnahmen werde nur ein Strohfeuer sein und schnell verglühen. Union und SPD dagegen hoffen auf einen neuen Schub für die Wirtschaft.
Das Gipfeltreffen der Koalition im Kanzleramt hatte gestern noch gar nicht begonnen, da war bereits klar, dass es ein harter Verhandlungsmarathon werden würde. Um den Druck herauszunehmen und Zeit zu gewinnen, wurden die Beratungen gestern Morgen verlängert, soll auch am heutigen Mittwoch weiter gefeilscht werden. Kein nächtliches Ringen bis zum Morgengrauen mit müden Gesichtern, die am Ende nur enttäuschende Ergebnisse präsentieren.
Zu weit lagen Union und SPD gestern noch bei den wichtigsten strittigen Punkten auseinander. Er rechne nicht mit einer schnellen Einigung, hatte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans bereits im Vorfeld die Erwartungen gedämpft. Schließlich geht es um ein Paket mit einem Volumen von 80 bis 100 Milliarden Euro. Autokaufprämie, Rettungsschirm und Altschuldenerlass für die Kommunen, Kinderbonus, Solidaritätszuschlag, Steuervorteile für Unternehmen – die schwarz-rote Verhandlungsliste ist lang.
Wenn es um die Zukunft des Landes gehe, müsse "über alle Details des Kraftpakets für Deutschland sorgfältig gesprochen werden", erklärte auch ein CDU-Sprecher die Änderung des geplanten Drehbuchs. Die Sitzung des Koalitionsausschusses werde zunächst am späten Dienstagabend vor Mitternacht enden und am Mittwochmorgen dann nach der Kabinettssitzung fortgesetzt. Gut 60 Punkte stehen auf der Tagesordnung. Jede Menge Gemeinsamkeiten zwar, aber auch jede Menge Streit. Beide Seiten steckten bereits vor dem Treffen ihre Positionen klar ab.
Die dicksten Brocken sind die Hilfen für die Kommunen und hier vor allem die Altschulden. Der Plan von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), dass Bund und Länder die Altkredite von 2500 besonders verschuldeten Städten und Gemeinden übernehmen sollen, stößt bei CDU und CSU auf Ablehnung. Auch die Ministerpräsidenten der finanzstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg sind dagegen.
Scholz bräuchte für seinen Plan nicht nur die Zustimmung der Union, sondern auch eine Grundgesetzänderung und damit eine Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat. Beides ist derzeit unwahrscheinlich.
Einen Bonus für die Anschaffung von Diesel- und Benziner-Pkw lehnen wiederum die Sozialdemokraten weiter strikt ab. "Eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennertechnik wird es mit uns nicht geben", stellte SPD-Chefin Saskia Esken klar. Vor allem die CSU und ihr Parteichef Markus Söder drängen auf die Hilfen für die Automobilindustrie, wollen nicht nur den Erwerb von E-Autos fördern. Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen ziehen hier an einem Strang. Ausgang offen. Bei der Union setzt man auf einen Handel: Autoprämie gegen Familienbonus, auf den die SPD drängt. Unterstützung für die Familienprämie in Höhe von 300 Euro pro Kind aus dem Hause von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kommt von CSU-Chef Söder. NRW-Ministerpräsident und CDU-Vizechef Armin Laschet fordert gar 600 Euro pro Kind. Gut möglich, dass am Ende Auto- und Familienprämie kommen.
Keine Hoffnung hat man bei CDU und CSU, dass der Koalitionspartner beim Thema Soli einlenkt. Die Sozialdemokraten lehnen eine vollständige Abschaffung der Abgabe auch für höhere Einkommen und das bereits Anfang Juli weiter ab. Umstritten sind auch weitere Milliarden für den Ausbau der Infrastruktur. Der Plan von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der mehr Geld für die Straße vorsieht, stößt bei der SPD auf Widerstand.