"Klima-Reförmchen reichen nicht"
Grünen-Fraktionsvorsitzender Hofreiter über das Klimaschutzgesetz und die Verkehrswende

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Anton Hofreiter (48) ist Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Hofreiter, die Große Koalition will 40 Milliarden für den Klimaschutz ausgeben. Was erwarten Sie von Union und SPD?
Die Bundesregierung muss am 20. September ein ehrgeiziges Klimaschutzgesetz vorlegen mit klaren Vorgaben, wie wir die Pariser Klimaziele erreichen. Ein paar Klima-Reförmchen hier und da reichen nicht. Es muss ein in sich stimmiges Gesamtkonzept sein, das nicht an der Oberfläche kratzt, sondern schnell und umfassend die grundlegenden Strukturen für eine klimafreundliche und zukunftsfähige Wirtschaft schafft. Dazu gehört auch ein wirksamer, sozial gerechter CO2-Preis.
Und darüber hinaus?
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Bei den Erneuerbaren Energien brauchen wir eine Kehrtwende. Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass der Ausbau der Erneuerbaren komplett ins Stocken geraten ist. Der Windkraftausbau ist völlig eingebrochen und Zehntausende Arbeitsplätze in der Branche vernichtet worden. Das müssen wir umkehren. Ökologisch schädliche Subventionen müssen gestrichen werden und wir brauchen eine echte und umfassende Verkehrswende. Die Bahn muss attraktiver und günstiger werden. Wir müssen weg von Verbrenner-Antrieben hin zur Elektromobilität. Der Kohleausstieg muss so schnell wie möglich kommen. Wenn wir Elektroautos mit Strom aus der Braunkohle betreiben, ist wenig gewonnen.
Das bedeutet höhere Kosten, die vor allem Geringverdiener und sozial Schwache treffen würden.
Nicht wenn die Einnahmen aus den CO2-Preisen wieder zurückfließen und so verteilt werden, dass Menschen mit niedrigem Einkommen profitieren. Das ist unser Vorschlag. Die Stromsteuer könnte abgeschafft werden, ein Energiegeld eingeführt werden. Bahnfahren muss günstiger werden.
25.000 Menschen haben in Frankfurt bei der Internationalen Automobilausstellung für eine Verkehrswende demonstriert. Wie sollte die aussehen?
Die Automobilkonzerne müssen deutlich schneller auf klimafreundliche Antriebe wie die Elektromobilität setzen. Es ist unseriös, wenn die Konzerne klagen, die Verbraucher wollten nur schwere SUVs und gleichzeitig wenig attraktive andere Modelle zu produzieren. Und die Politik muss dafür einen politischen Rahmen setzen, wir können das nicht nach dem Prinzip Hoffnung machen. Aber klar ist: im ländlichen Raum wird das Automobil eine relevante Rolle spielen.
Die Automobilbranche ist eine ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands.
Definitiv. An der Automobilindustrie in Deutschland hängen sehr viele Arbeitsplätze. Gerade deshalb muss die Branche auf Zukunftskurs umschwenken und darf nicht länger auf fossile Verbrenner-Technologien setzen, deren Zeit definitiv zu Ende geht. Nur so sichert man die Arbeitsplätze. Das muss flankiert werden mit einem schnellen Ausbau eines dichten Netzes von Ladestationen. Der Kauf von Elektroautos muss stärker gefördert werden. Aber nicht durch Einheits-Kaufprämien, die tonnenschwere E-SUVs subventionieren, sondern mit Prämien, die höher ausfallen, je günstiger das E-Auto ist. Damit hat das auch eine soziale Komponente.
Sie und Katrin Göring-Eckardt wollen Fraktionschefs bleiben. Jetzt treten auch der frühere Parteichef Cem Özdemir und Kirsten Kappert-Gonther an. Droht ein Machtkampf?
Nein. Das werden wir fair austragen. Bei demokratischen Wahlen ist es nicht ungewöhnlich, dass es eine Auswahl gibt. Jetzt sind mehrere Kandidaten im Rennen. Ich will die Fraktion gerne weiter führen und trete deshalb wieder an.